Erstellt am: 30. 7. 2015 - 15:09 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 30-07-15.
#medienpolitik #demokratiepolitik #asylpolitik #xenophobie
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Es begann am Samstag: Besonnenheit im Asyl-Konflikt! stand da in fetten Lettern am Krone-Cover, als wär es eine affirmative Aufforderung an das Medium selber, eine Beteuerung einer eigenen (und überraschend neuen) Position, die sich von der bisherigen deutlich unterscheidet. Im Heftinneren folgten quasi sozialpartnerschaftliche Aufrufe von Regierung und Caritas, Berichte von der Lager-Schlägerei einerseits und den Attacken auf Asylwerber andererseits. Man hätte es fast für so etwas wie normale mediale (ausgewogene) Berichterstattung halten können, wären da nicht in derselben Ausgabe die üblichen hass- und angstverzerrten "Das freie Wort"-Leserposts zum Thema zu lesen gewesen und hätte nicht der Politik inoffiziell-Kolumnist die angekündigte Traiskirchen-Demo zum Anlass genommen alle Demonstranten als Chaoten und die ÖH als Politruks zu benennen (ein verbrauchter Kommunistenfresser-Begriff aus dem Kalten Krieg, in der Krone bezeichnenderweise falsch, nämlich mit CK geschrieben).
Also doch Krone-Politik wie immer: liberale Anklänge werden von Hardliner-Stoff überlagert; immer so, dass sich jeder rausnehmen kann, was er mag.
Es setzte sich am Montag fort. Da war in der Print-Krone von ebenjener Demo ein Nachbericht zu lesen, der Demonstranten und ÖH wie Menschen behandelte (und als "ÖH-Studenten" bezeichnete) Parolen wiederholte ohne sie zu kommentieren (say it loud, say it clear, refugees are welcome here) und sowohl 'Moni Österreicher', die gegen die menschenunwürdige Unterbringung äußerte, als auch Anrainerin 'Virginia', die ihre Angst formulierte, unterbrachte. Diese Geschichte überstieg die Samstags-Besonnenheit noch um einiges, weil nämlich nicht nur Mikl und Landau, sondern auch Demonstranten und die ÖH als ernsthafte Player wahrgenommen und wiedergegeben wurden. Ich würde schätzen: erstmalig in der Asyl-Geschichte der Kronen-Zeitung.
Zudem fand sich im Sportkommentar Papa Alabas Sicht auf die Asyl-Frage.
Ich habe nach dieser Überraschung sofort nach den anderen relativierenden Geschichten im Heft gesucht - und keine gefunden. Selbst Das freie Wort war an diesem Tag asylthemafrei; so wie auch - ein Check bestätigte das - tags zuvor, als auch die Wut-Oma kolumnenmäßiges Mitgefühl zeigte.
So blieb es dann auch Dienstag (mäßig kritische Berichte, ein lauer Kommentar und eine bereits hier erwähnte ordentliche Spitze gegen Krone-Hero Gabalier) und Mittwoch (Mikls böse Schlepper, ein Chronik-Drama und ein vereinzelter Freiwort-Brief, der gegen die Attraktivität des reichen Österreich wetterte). Auch von Jeannée die ganze Zeit über kein Wort.
Ein Blick ins Netz zeigte, dass sich die Krone.at-Politik vom Print-Produkt absetzt (zwangsläufigerweise): die Geschichte zur "emotionalen Asyl-Demo" von Montag (mit fast einer Million Klicks heute noch Top 5 der meistgelesenen) hat einen gänzlich anderen Touch als die Printversion. Auch um die darunter pöbelnden üblichen "Alles Pack, alle nach Hause, Scheiß-Gutmenschen auch!"-Hassposter abzufedern.
Der letzte Blick im Beobachtungszeitraum, ins heutige Blatt: der Rotkreuz-Blick auf die Lage und ein vereinzelter (lässlicher) Traiskirchen-Demo-Freiwort-Kommentar, der die Kosten moniert.
Das ist nun alles Mögliche, aber kein Zufall.
Dass die (Print-)Krone just seit dem Samstags-Besonnenheits-Titel ihre Asyl-Politik umstellt, Volkes gehetzte Stimme eindämmt, und ihren Geschichten und Kommentaren eine bislang verbotene Perspektive einräumt, stellt eine klare Änderung der Blattlinie dar. Die entweder auf wirtschaftlichen/politischen Druck (die jüngsten Zahlen sind schwächer, trotzdem sehr unwahrscheinlich) oder auf ein im Einklang mit staatlichen Institutionen und/oder NGOs hergestelltes Moratorium. Um angesichts der dramatischen Lage nicht Öl ins Feuer zu gießen und um deutsche Zustände (also Brandattentate auf Asylunterkünfte, mehr als nur Softgun-Geschosse) zu vermeiden. Spekulationen bis hin zum Wien-Wahl-Termin sind erlaubt.
Dass dabei die Netz-Krone nur ganz bedingt mitspielen kann, liegt in der Natur der Webposter-Community. Immerhin werden auch hier die Grenzen von Hatecrime angezeigt.
Dafür hat sich Konkurrent "Heute" jetzt breit auf die erwähnte, medienattraktive Virginia und ihre hier sehr diffus geäußerten Ängste gesetzt.
Dieses Stillhalte-Abkommen, dieses Moratorium der Krone ist medienpolitisch wahrscheinlich eine Sensation, situativ enorm wichtig (vielleicht sogar gewaltverhindernd), realpolitisch aber wohl nicht mehr als eine Geste. Die einschlägige Community (die Freiwortler und die Forentrolle) ist durch eine kurzzeitigen Be/Einschränkung ihrer Schaummund-Ausfälle nicht rückruffähig. Der Mainstream öffentlicher Meinung ist über Jahre medialen Getrommels gesetzt, der Weg beschritten und vorgezeichnet. Der Druck auf die Pausentaste wird nicht ewig halten können. Vor allem dann wenn sich auch sonst politisch nichts bewegt.