Erstellt am: 29. 7. 2015 - 19:54 Uhr
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Am Ende der ersten Episode von "Humans" wird von einem als vermeintlichen Bösewicht agierenden Wissenschaftler in einem Vortrag über das Konzept der "Singularity" überdeutlich - als wäre es tatsächlich nötig gewesen - das Leitmotiv der Show ausbuchstabiert.
Wenn auch eventuell nicht hundertprozentig wissenschaftlich akkurat, so immerhin leicht nachvollziehbar: Die "Singularity" umschreibt den Moment, in dem Maschinen und Technologie – von Menschen erschaffen – ihre Schöpfer überholen und in der Lage sind, sich selbstständig weiterzudesignen, zu entwickeln und selbst neu zu denken.
Den Begriff der "Technical Singularity" hat der Mathematiker und Physiker John von Neumann für diesen Zusammenhang 1958 geprägt – seither und auch schon davor, wenn auch mit anderen Begriffen, ist schon einiges an Material über die Ankunft einer künstlichen Intelligenz in Literatur und Film eingegangen.
Humans
Die britische Show "Humans" lehnt sich nun an das schwedische Vorbild "Real Humans" aus dem Jahr 2012 an, mal recht werktreu, mal bloß motivisch, und hat dem Thema in philosophischer Hinsicht bislang – nach sieben Folgen der ersten, womöglich einzigen Staffel – auch sonst wenig Eigenes hinzuzufügen. Das ist nicht so schlimm.
"Humans" scheint sich ausdrücklich an den Roboter-Fantasien von Isaac Asimov zu orientieren und findet die Science-Fiction im Häuslichen, im Konflikt zwischen Alltag und bislang bloß stückweise begriffener Technologie. Die Serie ist einer parallelen Realität angesiedelt, die sich von unserer jetzigen bloß dadurch unterscheidet, dass sie vorzugsweise in schicken Blassblau- und Silbergrau-Tönen gezeichnet ist und dass in ihr menschenähnliche Androiden das Uncanny Valley fast komplett durchschritten haben.
Die "Synths" – "Synthetic Humans" – genannten Maschinen sehen aus wie du und ich, bloß besser, und erledigen vornehmlich Dienstleistungsarbeiten. Einzig die gemessenen Bewegungsabläufe, der etwas monotone Sprachduktus und der Mangel an Emotionsfähigkeit machen sie vom Menschen unterscheidbar. Ganz alltäglich sind sie noch nicht geworden, leisten muss man sich so einen Synth schon können, Preisklasse, basic: Kleinwagen.
Humans
"Humans" legt den Fokus auf die Kleinfamilie, und nicht die epochalen Roboterkriege. Wie wirkt sich das auf die Dynamik in der guten Stube aus, wenn eine Androidin, die als Topmodel durchgehen würde, als Haushaltshilfe ins Haus kommt? Die besser mit den Kindern, zwei davon im rebellischen Alter, klarkommt als die leibliche Mutter?
"Humans" bohrt im Wertesystem der traditionellen Familie, hinterfragt Rollenbilder. Mutter und Ehefrau Laura ist nicht selten arbeitsbedingt lange, lange abwesend, Kinder und Mann fühlen sich vernachlässigt. So wird kurzerhand ohne Zustimmung der Frau eine weibliche Synth angeschafft – die der Vater und Ehemann später in besonders schwacher Stunde als superadvanced Sexspielzeug begreifen wird.
Anderswo wird in "Humans" das Spannungsverhältnis gedreht: Ein männlicher Android, im Aussehens-Department ebenfalls nach Idealtypus modelliert, verdrängt einen schon etwas außer Form geratenen Ehemann aus dem Ehebett. Er sei ein "analog man in a digital world", meint hernach der Geprügelte und leicht Cholerische, der im Beruf wenig pikant als Polizist für Synth-Zwischenfälle abgestellt ist.
Dieses Konzentrierte, mitunter Kammerspielhafte ist der Reiz von "Humans". Große Action und Explosion toben hier nicht. Selbst wenn draußen in der Welt eine Handvoll Über-Synths, wie es scheint, zu Gefühlen fähig, den Aufstand der Maschinen planen. Nicht aus böser Absicht – ihre Unterjochung durch den Menschen muss eben endlich ein Ende finden.
Wie so oft werden also auch hier in Labors und Denkerstuben die großen philosophischen Fragen gewälzt, ein zerknautschter William Hurt gibt standesgemäß einen gealterten, gutherzigen, vom Leben gebeutelten Wissenschaftler. Was macht den Menschen zum Menschen? Ab welchem Punkt müssen Robotern Rechte zugestanden werden?
"Humans" ist eine etwas mechanische, oft fein beklemmende Annäherung an ein noch nicht zu Ende geführtes Thema. Das slicke, minimale Design von Architektur, Kleidung der Synths und Appliances arbeitet noch einmal das Reibungsverhältnis, die Trennlinie zwischen "Menschlichkeit" und purer Funktionalität, einem Dasein als Gebrauchsgegenstand heraus.
In einem klammen Moment wird Familienmutter Laura von Nanny-Synth Anita erklärt, dass sie als Android sich doch selbstverständlich besser als Laura selbst um deren Kinder kümmern könne: Sie sei stärker, schneller, aufmerksamer, kenne keine Angst, etc.... Bloß, so Anita, lieben könne sie die Kinder eben nicht. Träumen Androiden davon, irgendwann elektrische Babys zu bekommen?