Erstellt am: 27. 7. 2015 - 17:00 Uhr
Keine Träume mehr
Der Versuch, einen vermeintlichen "Zeitgeist" in einer allumfassenden Klammer zu fangen, ist ermüdend. Das Erklären und die Erklärung einer Generation X und einer Generation Z, der Millennials, der Generation Golf und der Lost Generation – verloren sind sie alle.
Die 30-jährige New Yorker Autorin Lauren Holmes schickt sich mit ihrem kürzlich erschienenen Kurzgeschichtenband "Barbara die Schlampe und andere Leute" nun nicht ausdrücklich an, ein Sittenbild der Nuller- und Zehnerjahre zu zeichnen, bildet da aber doch recht Now!- und Welt-verbunden ein homogenes, wenn auch vielstimmiges Panorama aus Typinnen und Typen ab, die wir gut kennen: "Barbara die Schlampe und andere Leute" handelt vom meistens müden, manchmal hungrigen, mitteljungen Menschen, vornehmlich Großstädter.
Wie in Richard Linklaters Film "Slackers" ist also hier alles immer ein bisschen anstrengend, wie in Ben Stillers "Reality Bites" beziehungsstatustechnisch alles sehr kompliziert, wie in Larry Clarks "Kids" alles schon auch mal frivol, enthemmt, ernüchternd, sinnlos.
"Eigentlich hätte ich noch so einiges mehr machen sollen, Medizin studieren zum Beispiel, aber im Wintersemester hatte ich so eine Art Zusammenbruch, und jetzt versuchte ich mir darüber klarzuwerden was ich mit meinem Leben anstellen sollte."
Lauren Holmes
Lauren Holmes erzählt in zehn knappen, rund 20 Seiten langen Geschichtchen von Figuren, die recht orientierungslos durchs Leben driften. Zwischen Schule, College und Gelegenheitsjobs kein Ziel vor Augen, träge, überfordert, unterfordert, überqualifiziert. Mit der Liebe will es auch nie so recht hinhauen, als Rettungsanker bleibt der Sex, viel Sex - nicht immer ist er gut. Oft ist von "Mösen" und von "Lecken" die Rede.
"Aber immerhin hat Tiffany mir beigebracht, dass man immer davon ausgehen muss, keinerlei Ahnung zu haben. Ich glaube, dadurch bin ich wirklich besser im Bett geworden. Vor allem weniger arrogant. Das ist wohl das Peinlichste, worüber ich mir je Gedanken gemacht habe."
Die Storys sind aus zehn verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt, der Ton bleibt derselbe. Trocken, kalt, lakonisch, dabei funkelt ein leiser Humor hinter der Tristesse. Wir treffen eine junge Frau, die HIV-Tests durchführt, eine andere, die sich als Lesbe ausgibt, um in einem Sex-Shop in San Francisco Sexspielzeug an lesbische Kundinnen verkaufen zu dürfen. Obwohl sie doch eigentlich studiert hat. Eine Tochter aus besserem Hause, die mit der Familie des neuen Freundes ihrer Mutter auf bleiernen Urlaub fährt, oder eine Frau, die auf einem Trip nach Mexiko ihrer Mutter ihre Homosexualität gestehen will. Einmal spricht ein Mann, Schwierigkeiten mit dem Sex, in einer Geschichte gar eine Hündin, die das mit dem Lecken auch gleich an sich selbst besorgt.
Rowohlt
All diese Charaktere scheinen der Welt und sich selbst kein großes Leuchten mehr schenken zu wollen. Charaktere, die an der eigenen Coolheit zu verwahrlosen scheinen. Die Welt ist aber auch wirklich schlecht. Blöder Beruf, blöde Schule, Probleme mit zu reichen Eltern, Probleme mit Eltern. Blöder, blöder Sex. Ohne Plattitüden kommt das Buch nicht aus. Aber so sprechen wir wohl, wenn uns grade niemand zusieht.
"Beths Liebhaber waren im Kern alle gleich: gut im Bett, moralisch aber zutiefst fragwürdig. Auf dem College war sie da wahlloser gewesen, aber in den letzten vier Jahren hatte sie diese sehr spezielle Vorliebe entwickelt. Anscheinend glaubte sie, dass gute Männer und guter Sex sich ausschlossen. Und auf dem College war das sicher auch so gewesen. Da wussten die netten Typen kaum, was sie taten, die Schweine aber sehr wohl."
Trotz des schon gut beackerten Themas und bisweilen matter Klischee-Verwaltung funktioniert "Barbara die Schlampe und andere Leute". Lauren Holmes sucht die Pointe nicht und bemüht kaum die in derlei Literatur so gern herangekarrten Verweise auf Popkultur, abgesehen von den "romantischsten Hits der Backstreet Boys" vielleicht.
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Die dialogreiche Sprache ist sauber von ennui-berauschten Selbstverzweiflern abgelauscht, die Geschichten führen nirgendwohin und hören dann auch mal einfach wieder auf. Das Leben schaukelt halt so weiter. Es gibt keine Heilung, keine Auflösung, keine Umarmung, keinen Lernprozess. Wir bleiben allein und das Leben bleibt doof. Und irgendwann weht dann ein neues Lüftchen in die Welt.
"Danny regte vorsichtig an, ich könne doch zuhause bleiben, bis ich etwas fand, was ich wirklich machen wollte, und mich dann darum bewerben. Aber mir fiel einfach nichts ein, was ich wirklich machen wollte."