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Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

27. 7. 2015 - 12:34

Popfest Höhepunkte

Ein Rückblick auf die letzten vier Tage - mit Fotos.

FM4 Festivalradio

Alles rund um Festivals im In- und Ausland. Und alle Termine gibts hier.

Das sechste Popfest ist zu Ende. Wie jedes Jahr fühlt sich die Liste der Bands und Künstler_innen, die ich nicht sehen konnte, unendlich lang an: Worried Man & Worried Boy, Pasajera Oscura, Ventil, Bruch, oder Hella Comet. Ich hoffe ihr habt es dort überall hingeschafft, Konzertberichte in Kommentarform sind immer willkommen.

Live vom Popfest

Interviews und Konzertmitschnitte vom Popfest Wien. Die Live-Sendung gibt´s hier für 7 Tage zum Anhören.

Glücklicherweise gibt es aber auch die lange Liste der Acts, die ich gesehen habe! Meine Highlights der ersten beiden Tage habe ich ja schon zusammengefasst, doch einiges muss noch erwähnt werden.

From milk and honey to sour cream

Es ist keine leichte Kost, die uns No Home For Johnny und allen voran Sängerin Raie an diesem Samstag Nachmittag auftischen. Dass schon der Bandname ein Politikum ist, habe ich hier schon beschrieben. Doch schon lange vor dem letzten Song hat mich diese Gruppe in den Bann gezogen. "That's the first love song, I have ever written. And let me tell you: there were not many afterwards.", sagt Raie mit einem verschmitzten Lächeln.

Verliebt sein? Dafür bleibt wenig Zeit in einer Welt voller Grausamkeiten. Renee Benson - "you can call me Raie" - ist eine Geschichtenerzählerin. In ihren Songs ist sie die Bedienung an einer Tankstelle, dann eine Bewohnerin Bushwicks und dann ein gewisser Michael, der von Polizisten ermordet wird. Sie singt: "It could have been me. It could have been me.", und plötzlich ist Ferguson hier am Wiener Karlsplatz und der Atlantik, der Europa und Amerika trennt, scheint so klein, wie der Teich hinter der Seebühne.

pop

Christian Stipkovits | Fm4

Life on Kepler 425b

"Wolfgang, du bist ein Rockgott." - diesem Zitat meines Kollegen Christian Fuchs, direkt nach dem Mile Me Deaf-Konzert, ist wenig hinzuzufügen. Denn das ist Wolfgang Möstl tatsächlich. Ganz in weiß und mit langen Haarprachten (ich muss unweigerlich an Polyphonic Spree denken) - so treten er und seine Mannen im TU Prechtlsaal an, um uns wieder einmal (!) zu zeigen, wie es geht.

Irgendwie ist es ja ein Wunder, dass bei so vielen verzerrten Gitarren, bei so vielen Effektgeräten, bei so vielen sich überlappenden Sounds und so viel hörbarem Durcheinander immer so große melodische Hits übrig bleiben. So großer melodischer Pop. Vielleicht ist Wolfgang Möstl ja eigentlich ein Pop- und kein Rockgott. Oder beides zusammen. Wie auch immer, ich warte sehnlichst auf die nächsten vierhundert Alben dieses Mannes. Und darauf, dass seine Musik endlich weltweiten Zuspruch erfährt.

pop

Christian Stipkovits | Fm4

Frühshoppen im Wien Museum

Es ist 13 Uhr am Sonntag im Wien Museum, wo bereits elf Theremine auf der Bühne stehen. "Das nächste Lied ist für Tom Cruise", sagt Dorit Chrysler und spielt den Song "The Death of LRH". Ein schöneres Frühshoppen kann es gar nicht geben. Als dann auch noch die Workshop-Teilnehmer_innen einen Song zusammen mit Dorit spielen, merkt man dass sie dem Traum einer Theremin-Armee einen Schritt näher gekommen ist. Bitte nächstes Jahr mehr Workshops mit Publikumsbeteiligung!

Danach spielen Krixi Kraxi und die Kroxn und singen im Duett: "Traurig, traurig, traurig. Traurig, traurig, froh." Es ist erstaunlich, wie sie es schaffen mit so geringen Mitteln, mit so wenigen Worten, den prall gefüllten Saal so zu berühren. "Die Gegenwart hängt uns schon lange zum Hals heraus", singen sie und ja offenbar sind die beiden - Natalie Ofenböck und Nino Mandl - unserer Zeit UR weit voraus. Es gibt minutenlangen Applaus aber, keine Zugabe. Wieso auch - es wurde alles gesagt.

Dorit Chrysler & Krixi Kraxi und die Kroxn

Zeit zum Nachdenken

Nach dem Konzert von Chra in der Wiener Karlskirche erzählen mir Freunde sie hätten kurz reingeschaut in die Kirche, aber wären "nicht reingekommen", also in die Musik. Kein Wunder: für diese Musik braucht man Zeit.

Am Anfang ist rund um mich herum ein Gewusel zu spüren, die Menschen rutschen auf den Kirchenbänken hin und her, sind unrund. Doch irgendwann mitten in Chras Set spüre ich eine Ruhe unter den Konzertbesucher_innen, die nur eines bedeuten kann: die Menschen hier sind reingekommen. Weil sie sich Zeit genommen haben. Und in dieser Formulierung liegt der springende Punkt: man hat sich selbst Zeit dafür genommen, also Zeit bekommen. Ein Geschenk.

Fennesz, Chra & Squalloscope

It's over

Alle Fotos und Berichte vom Popfest 2015 findet ihr auf fm4.orf.at/popfest

Um das allerletzte Konzert, jenes von Squalloscope in der Karlskirche, zu beschreiben, möchte ich am liebsten nur ihre eigenen Texte zitieren. Wozu auch nach Worten suchen, wenn Anna Kohlweis aka Squalloscope die perfekten Worte schon längst gefunden und in Songs verpackt hat? So wie in ihrem allerneuesten Lied "Being a person", das sie erst vor vier Tagen geschrieben hat: "You know, being a person really fucks you up."

Ja ein Mensch sein, das ist nicht immer einfach. Doch ein paar Lieder zuvor singt Squalloscope in "Disneyland" einen Satz, der zeigt wie leicht es sein könnte. Dieser Satz soll diesen Artikel und somit auch das Popfest 2015 beschliessen. Bis nächstes Jahr!

"If we're smart enough, we could be pretty fucking happy."