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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

24. 7. 2015 - 15:55

Die Selbermacherei

Offene Werkstätten für Hacker, Bastler und Erfinder erleben eine Blütezeit. Das jüngste Beispiel dafür ist die "Selbermacherei" des Vereins Maker Austria.

Seit den neunziger Jahren sind in vielen größeren Städten Europas sogenannte Hackerspaces entstanden – offene Räume für Menschen, die gerne Computer programmieren, an diverser Elektronik herumschrauben und Geräte dazu bringen, unerwartete Dinge zu tun. Aus der Hackerspace-Kultur ist dann wiederum die "Maker"-Bewegung entstanden.

Ein Makerspace ist im Prinzip fast das gleiche wie ein Hackerspace: Eine offene Werkstatt, in der man sich ohne Konsumzwang aufhalten kann, um zu basteln, zu bauen und zu tüfteln. Bei den Makern hat aber zusätzlich zur Beschäftigung mit Programmierung und Elektronik auch das Arbeiten mit Material wie Holz, Metall oder Stein einen hohen Stellenwert.

Manche Maker sagen auch, dass es beim Hacken eher darum gehe, Bestehendes umzufunktionieren, während die Maker den Fokus eher auf das Schaffen von gänzlich Neuem legen würden. Besonders streng sieht diese Unterscheidung in der Community aber niemand. Die gemeinsamen Wurzeln der Hacker- und der Maker-Bewegung, als deren Keimzelle man unter anderem die 1995 gegründete Berliner C-Base bezeichnen kann, sind den meisten Aktivisten bewusst, und die Grenzen zwischen Hackerspace, Makerspace und ähnlichen offenen Werkstätten ohnehin fließend.

Foto: MakerAustria

Arno, Obmann der Selbermacherei, und Gerhard, genialer Maker

Der neueste Makerspace in Wien - das mit Metalab, Happylab, Openlab und Mz Baltazar's Laboratory auch bisher schon ganz gut ausgestattet war - heißt "Selbermacherei". Betrieben wird er vom Verein Maker Austria, der sich größtenteils privat finanziert. Er bietet auf gigantischen 800 Quadratmetern Platz für alle erdenklichen Basteleien – und das auch noch recht zentral, auf der Schönbrunnerstraße im 5. Bezirk.

Foto: Christoph Weiss

Flo mit einem Single-Adapter für Turntables, angefertigt an einem der 3D-Drucker im Makerspace

Von der Straße aus sieht die Selbermacherei aus wie ein Gassenlokal mit großen Auslagen und viel Elektronik. In diesem vorderen Bereich sitzt Flo am liebsten. Als ich den begeisterten Sammler von Soul- und Funk-Platten kennenlerne, schraubt er gerade an den Innereien eines Technics SL1200 herum. Er weiß, wie man DJ-Equipment repariert und macht das gelegentlich auch für Freunde.

Auch sein nächstes Projekt im Makerspace hat mit Schallplatten zu tun: Flo will eine Plattenwaschmaschine bauen. "Wenn man alte Platten kauft, knistern sie oft und haben sehr viel Staub und Schmutz in den Rillen. Gute Plattenwaschmaschinen kosten aber 3000 Euro aufwärts." Die Maschinen spritzen eine Lösung auf die sich drehende Platte und saugen den abgelösten Schmutz mit einer Vakuumvorrichtung ab. "Dadurch kann sich der Schmutz nicht gleich wieder in der Rille festsetzen." Anleitungen für eine DIY-Plattenwaschmaschine gibt es im Internet. Ein würdiges Projekt für die nächsten Wochen, sage ich.

Foto: Christoph Weiss

So sieht ein zerlegter Technics-1200-Turntable aus

Wie groß und vielseitig der Makerspace ist, merkt man, wenn man vom vorderen, hellen Elektronikbereich nach hinten in die verwinkelten Räume geht. Auf zwei Etagen gibt es Ateliers für Maler und Bildhauer, eine Bibliothek und Bereiche fürs Arbeiten mit Metall, mit Stein und mit Holz. Mit letzterem beschäftigt sich Mittzwanziger Mathias am liebsten, aber es geht ihm auch um die Vernetzung der verschiedenen Bereiche: "Ich finde es unglaublich faszinierend, wieviele Ideen hier zusammenkommen. Ich arbeite gerne mit Holz, weil es ein angenehmer, lebender Werkstoff ist. Aber ich interessiere mich auch für alle anderen Bereiche hier."

Zuletzt hat Matthias geholfen, eine Werk- und Hobelbank zu bauen. Mit den Kollegen von der Metallabteilung wurde der Stahlrahmen dafür angefertigt, und demnächst könnten die Elektroniker auch noch für eine hübsche LED-Unterflurbeleuchtung sorgen. Überhaupt werden in der Selbermacherei oft Maschinen selbst konstruiert, mit denen dann weitere Maschinen gebaut werden. Die CNC-Fräse, ein Gerät das normalerweise drei- bis fünftausend Euro kostet, wurde von den Makern um Komponenten für weniger als eintausend Euro selbst gebaut.

Foto: Christoph Weiss

Technik und Kochen

Bereits sechsmal hat Barbara bei Maker Austria die "Kochwerkstatt" veranstaltet. Dabei wird auch Werkzeug aus dem Makerspace zu Kochutensilien umfunktioniert:

"Da gibt es das nette Beispiel, das man einen Apfel mit einem Bohrer schälen kann. Da gibt es einen Aufsatz für den Bohrer, der fürs Drechseln gedacht ist. Auf den passt genau ein Apfel drauf. Dann wird der Bohrer eingeschaltet, mit der anderen Hand hält man einen Schäler mit beweglicher Klinge dagegen, und so kriegt man die wunderbarsten Apfelschalen-Locken." In der Kochwerkstatt geht es Barbara sowohl um diese Verbindung von Technik und Kochen, als auch um den sinnvollen Umgang mit Ressourcen.

Foto: Christoph Weiss

Ein Roboter in Entstehung: Viele seiner Teile werden in einem 3D-Drucker der Selbermacherei angefertigt

Neben Apfelschäl-Bohrern, Computern und Robotern gibt es in dem Makerspace aber auch Häkelnadeln und Wollknäuel. Eine Gruppe im Makerspace häkelt und strickt Bilder, die dann mit kapazitiven Sensoren ausgestattet werden. Bei Berührung senden sie Informationen über das Kunstwerk ans iPad. Faszinierend.

Dann treffe ich Gerhard. Er war früher Schlosser, ist jetzt in Pension und hat gerade aus zwei alten CD-ROM-Laufwerken einen Low-Budget-3D-Drucker selbst gebaut: "Das Gestell habe ich aus 8-Millimeter-Acrylplatten gemacht. Die habe ich mit dem Lasercutter im Happylab geschnitten. Das mechanische Bauen war kein Problem für mich, da war ich super. Aber die Elektronik für die Ansteuerung des 3D-Druckers war schwierig. Einige Lötstellen waren nicht perfekt und ich habe Motortreiber verkehrt auf die Platine gesteckt. Dann habe ich mit Arno etliche Stunden verbracht, um das Ding doch zum Laufen zu bringen."

Arno ist der Gründer und Obmann des Vereins Maker Austria. Die Vernetzung und Zusammenarbeit mit verschiedensten Maker- und Hackerspaces ist ihm wichtig – nicht nur in Österreich. Arno hat auch auf Reisen ins Ausland andere offene Werkstätten besucht um von deren Erfahrung zu lernen: "Offenheit gehört zum Maker-Movement. Auch die einzelnen Projekte werden fast immer offengelegt. Niemand macht um das Sponsoring oder sonst irgendwtas ein Geheimnis. Man gibt das Wissen, das man hat, weiter, so gut, wie es möglich ist."