Erstellt am: 23. 7. 2015 - 16:26 Uhr
Wie die Musik zu "Mission Impossible" entstand
Der fünfte Teil der "Mission Impossible"-Filmserie mit dem Untertitel "Rogue Nation" feiert seine Weltpremiere in der Wiener Staatsoper. Das Gebäude wurde speziell für das Ereignis adaptiert, aber die Oper hat auch schon bei den Dreharbeiten eine wichtige Rolle gespielt. Der Komponist der Filmmusik, Joe Kraemer, hat nämlich auch einen Teil seines Soundtracks in der Oper aufgenommen. Ich habe den Komponisten über die Arbeit am Soundtrack zum neuen "Mission Impossible"-Film interviewt.
Joe Kraemer, Incite Management
Haben Sie die fertige Version des Films bereits gesehen oder sehen Sie ihn heute bei der Weltpremiere zum ersten Mal?
Kraemer: Wir hatten ein Casting-Crew-Screening. Aber heute sehe ich ihn das erste Mal mit einem regulären Publikum. Es ist immer ein großartiges Erlebnis, die Reaktionen und die Emotionen der Menschen zu erleben.
Als Sie gefragt wurden, den Soundtrack zu "Mission Impossible: Rogue Nation" zu schreiben: Was war ihre erste Reaktion?
Ich war sehr aufgeregt. Ich habe während meiner ganzen bisherigen Karriere darauf gewartet, einen Score für einen wirklich großen Actionfilm zu schreiben. Und es ist großartig, das berühmte musikalische Thema von Mission Impossible zu verwenden, das Lalo Schifrin für die Original-Fernsehserie aus dem Jahr 1966 komponiert hat.
Ich war immer von diesem Musikstück fasziniert, weil es einen 5⁄4-Takt benützt. Einer meiner liebsten Drum’n’Bass-Tunes hat das Thema ebenfalls verwendet und den ungewöhnlichen Takt beibehalten - schwierig mit anderen Tracks zu mixen, aber musikalisch großartig. Wie haben sie das Thema verwendet?
Zuerst, dachte ich mir, brauchen wir das Thema in den Opening Credits. Also habe ich eine Version davon komponiert, die sich an das ursprüngliche TV-Thema, aber auch an die Varianten der früheren "Mission Impossible"-Filme anlehnt. Dann habe ich den Song in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, neu zusammengebaut und quer durch den ganzen Score in verschiedener Form eingesetzt. In Actionszenen würde ich z.B. eine bestimmte kleine Phrase verwenden usw.
Und wie genau machen Sie das, wie komponieren Sie?
Zuerst setze ich mich ans Klavier und improvisiere rund ums Thema, um Dinge zu finden, die ich besonders daran mag. Ich mache vielleicht aus einer Phrase einen Akkord, schreibe das mit Bleistift und Papier auf. Sobald ich das Filmmaterial erhalte und es "gesperrt" ist, sich also nichts grundlegendes daran mehr verändert, komponiere ich am Computer weiter, synchron mit dem Bild.
Am Computer arbeiten sie dann mit DAW-Software?
Ja, ich verwende Sonar. Dazu Synthesizer und Plugins, hauptsächlich die Vienna Symphonic Library. Sie verwende ich, um erste Mockups der Stücke zu produzieren. Sobald der Regisseur zugestimmt hat, gehen die Entwürfe an einen Orchestrierer. Er übersetzt das, was ich am Computer produziert habe, wieder zurück in Notenschrift. Dann dirigiere ich ein Symphonieorchester. Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Musik durch 85 fantastische Musiker gespielt wird und zum Leben erwacht.
Was inspiriert Sie noch?
Ich liebe die Geschichte der Filmmusik. Von Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold über Elmer Bernstein, Jerry Goldsmith, bis hin zu den Leuten, die heute daran arbeiten. Persönlich ist John Williams für mich der größte Einfluss. Seine Musik habe ich wahrscheinlich mehr studiert als jede andere. Ich liebe vieles, was er gemacht hat, und ich emuliere wahrscheinlich manchmal seinen Stil. Aber ich habe etwa einhundert Filme vertont und denke, dass ich meinen eigenen Stil gefunden habe.
Nun sind wir hier in Wien, wo die Oper einen sehr hohen Stellenwert genießt. In ihrer Geschichte gab es aber auch Zeiten, wo es nicht ungewöhnlich war, während der Aufführung in der Loge zu plaudern und sogar zu essen. Heute sitzen wir still da und bemühen uns, nicht einmal zu husten. Glauben Sie, dass sich auch einmal die Rezeption von Filmmusik verändern wird, dass man also etwa der Darbietung eines Scores im Konzertsaal andächtig zuhört, nicht nur als Begleitung zum Film?
Ich denke das geschieht bereits jetzt. In den USA inkludieren Symphonieorchester quer übers ganze Land Filmmusik in ihre Programme. Wir sehen die gleiche Entwicklung mit Videogame-Soundtracks. Junge Menschen gehen ins Konzerthaus, weil dort Musik ihrer liebsten Filme und Games aufgeführt wird. Sie interessieren sich vielleicht weniger für Beethovens 6. Symphonie - was einerseits schade ist, andererseits aber auch gut, denn wir kriegen Menschen in die Konzertsäle, um neue Orchestermusik zu hören. Ich glaube nicht unbedingt, dass Menschen in hundert Jahren ins Konzerthaus gehen, um einen kompletten Soundtrack anzuhören. Aber auf dieselbe Weise, wie Tschaikowski die Nussknacker-Ballade hernahm und zur Nussknacker-Suite verkürzte, wird sicherlich die Musik von "Star Wars" als Konzertstück überleben - wenn auch in einer kürzeren Version.
Voriges Jahr habe ich mir im Wiener Konzerthaus ein Symphoniekonzert der Musik aus verschiedenen "Final Fantasy"-Games von Nobuo Uematsu angehört. Da ich einige Teile der Serie liebe, hat mich das Konzert sehr bewegt. Machen Sie eigentlich auch Sountracks für Games?
Bisher noch nicht, aber ich wäre sehr daran interessiert. Die Musik von Videospielen hat Themen, die einen, wenn man sie später wieder hört, zurück in die Welt des Spiels transportieren.
APA/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEID
Zurück zu "Mission Impossible": Ein Stück ihres Soundtracks heißt "From Havanna to Vienna". Wie kam es dazu?
Es ist für eine Sequenz im Film, die in Havanna startet und in Wien endet. Am Ende spaziert Simon Pegg von der U-Bahn zur Staatsoper. Im Stück kommt z.B. ein Cembalo vor, als kleine Verneigung vor der Musikgeschichte Wiens. Wiens Bedeutung in der Musik ist für mich gigantisch. Deshalb habe ich auch einen Teil der Musik für den Film im Konzerthaus des Wiener Musikvereins aufgenommen. Es war überwältigend für mich, meine Musik in diesem Haus - mit seiner Geschichte - zu hören. Und dasselbe gilt auch für die Staatsoper, in der wir ein Stück des Soundtracks aufgezeichnet haben.
Wie finden Sie eigentlich die Tonqualität der Kinos bezüglich der Soundtracks?
Sie ist auf jeden Fall besser als in meiner Kindheit. Da waren viele Kino-Tonanlagen mono. Die Tonspur kam von analogem Band, heute sind die Filme und Tonanlagen digital. Sogar ein durchschnittliches Kino klingt heute besser als viele "gute" früher. Zuhause haben viele Menschen Blu-ray und Surround-Sound. Es ist heute soviel leichter, einen Film mit sehr gutem Bild und Ton zu genießen als vor vierzig Jahren.
Noch eine Frage zum Entstehungsprozess ihres aktuellen Scores: Haben Sie Arbeiten aus früheren Soundtracks wiederverwendet, unveröffentlichtes Material früherer Arbeiten etc.?
Ich mache das manchmal. Für den Soundtrack von "Jack Reacher" habe ich ein Stück komponiert, das ich dann doch nicht für diesen Film verwendet habe, aber es wurde dann ein zentrales Stück im nächsten Film. Doch im Fall von "Mission Impossible: Rogue Nation" habe ich nicht auf älteres Material zurückgegriffen, weil ich ja die Komposition von Lalo Schifrin hatte und versucht habe, meine Ideen daraus abzuleiten.
Wie wird das Publikum heute Abend auf Film und Musik reagieren?
Ich hoffe natürlich positiv. Ich bin wirklich stolz auf den Film und auf den Score. Das ganze Team hat gute Arbeit geleistet. Und ich denke, dass die Menschen aus Wien sich darüber freuen werden, wie die Szenen auf und in der Oper präsentiert werden. Das sind prächtige Stellen im Film.
APA/HERBERT NEUBAUER