Erstellt am: 22. 7. 2015 - 14:53 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 22-07-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Siehe dazu auch: Tuesday Edition, 21-07-15: Wo der Fußball herkommt, wo der Fußball hin will. Zur Auftakt-Präsentation der neuen Bundesliga-Saison, den 1. Teil dieser kleinen Saisonauftakt-Reihe.
Kurz vor dem (freitäglichen) Start des heimischen Liga-Betriebs geziemt es sich, eine erste Transfer-Bilanz zu ziehen - angesichts der Erkenntnis/Einsicht, dass die Bundesliga (also der Profibereich, also Bundesliga UND Erste Liga) sich als Ausbildungs- und Export-Liga versteht, ein überlebenswichtiger Aspekt für die auf ein gesundes Geschäfts-Gebahren gegründeten Vereine und ihren Zusammenschluss.
Die Bilanz des letzten Winters war, sobald man den einsamen Player Red Bull Salzburg wegrechnete, ernüchternd: kaum Exporte, dank einiger Importe gab es sogar ein saftiges Minus.
Jetzt, im Sommer, ist die Bilanz noch deutlich offensichtlicher. Auch weil Salzburg praktisch gar niemanden gewinnträchtig verkauft hatte (Ramalho war ablösefrei, die Deals mit Leipzig verlaufen kostenneutral, dazu ein paar Leihen, einzig Lukas Gugganig wird den FSV Frankfurt ein bissl was gekostet haben), sondern kräftig in die Portokassa langte und Talent im Wert von deutlich über 8 Millionen in den Warenkorb legte. Das rechnet sich locker, weil die Wintertranfers Kampl (12) und Alan (11) und davor Mane (15 Millionen) genug Spielgeld einbrachten.
Insofern ist das massive Export/Import-Defizit, das die Liga im Sommer 2015 einfährt, genauso wenig aussagekräftig wie das Plus der letzten beiden Perioden. Die strukturelle Wahrheit ist nur unter Abzug aller Salzburger Posten möglich, und da sieht es aktuell ebenso trist aus wie in den letzten Übertritts-Phasen.
Teamspieler Suttner ging um 0,7 Mio nach Ingolstadt, was die Herren Royer (Midtjylland) und Martschinko (Hoffenheim) einbrachten, ist nicht bekannt, wird diesen Wert aber nicht übersteigen. Allzu viele andere wie Teamspieler Lindner waren ablösefrei.
Und hier noch die kuriosen Umstände eines Transfers von Innsbruck nach Rostock.
Apropos Royer: Dass er und Kollege Kerschbaumer auf der Basis exzellenter Daten von den Moneyball-Vereinen des Matthew Benham gescoutet wurden, anstatt sich innerhalb von Österreich zu verbessern, wirft ein sehr schlechtes Licht auf ein - so sagt man vielerorten - eh verbessertes Scouting-System der heimischen Liga. Auch die Flucht des Sebastian Wimmer nach Wolfsburg lässt die Alarmglocken läuten, was heimische Aufbauarbeit betrifft.
Rapid hat mit den Transfers von Behrendt und Wydra aktuell zwar die Nase vorn, das Hütteldorfer Zögern in den Fällen Schobesberger und Beric zeigt aber das ganze Ausmaß des österreichischen Missverständnisses rund um Ausbildung/Transfer und Loslassenkönnen. In beiden Fällen will man (wie schon bei vielen anderen Beispielen vorher) eine Wertsteigerung abwarten, ehe man die beiden Top-Akteure dann in einem Jahr an einen wirklich großen Verein verklopfen will. Aktuell sind ja nur die zweite Riege der Premier League oder kleinere deutschen Klubs an den beiden Shooting Stars interessiert.
Man geht da vor wie der durchschnittliche Casino-Besucher und setzt auf die Gewinnsträhne. Und darauf, dass Schobesberger und Beric noch ein gutes Halbjahr und sogar eine ganze gute Saison haben; man wartet also auf einen Lotto-Sechser anstatt die Chance am Schopf zu packen. So wie das Salzburg ohne Genierer tut. Weil man bei Red Bull das Prinzip des Ausbildungs-Vereins verstanden hat. Und im Rest der Liga eben noch nicht.
Die Austria etwa hätte Lindner und/oder Suttner auch im Winter oder letzten Sommer (oder auch schon davor) verkaufen können. Um deutlich besseres Geld als jetzt hereinkommt.
Im Übrigen werden die wirklich großen Vereine auch in einem Jahr eher nicht um Schobesberger oder Beric anklopfen. Dort orientiert man sich ein paar Jahrgänge jünger - sollte Rapid eigentlich wissen, seit Real Madrid Philipp Lienhart geholt hat. Auch die bekannt guten Ausbildungs-Stätten in Hoffenheim, Wolfsburg und Stuttgart sind eher an Nachwuchs-Teamspielern wie Maric, Martschinko, Posch, Vojic, Peric, Ripic oder eben Wimmer interessiert.
Sebastian Wimmer hat übrigens ganze vier Bundesligaspiele bestritten, sein Bruder Kevin (um 7 Mio. von Köln zu Tottenham) nie ein einziges. Das Narrativ vom logischen Weg Akademie-Nachwuchs-Erste Liga-Bundesliga-Ausland ist nicht nur in diesen Fällen als Ammenmärchen enttarnt.
Es wird also (außerhalb von Salzburg) weder gezielt ausgebildet noch klug verkauft. Weil man zwar behauptet, eines der gnadenlosen Prinzipien des modernen Fußballs (gezielt ausbilden und schnellstmöglich an die nächstgrößere Liga, den reicheren Verein verkaufen) zu befolgen, sich aber - im Herzen - nicht damit abfinden kann. Seltsamerweise ereilt dieses angewandte Österreichertum auch gelernte Fußball-Deutsche wie Rapids Andreas Müller.
Rapid, Sturm und die Austria sind ja überhaupt hauptverantwortliche Träger dieses Problems: Ihre - durch ökonomische Zwänge auferlegte - neue Transferpolitik eröffnet einen Verdrängungs-Wettbewerb, in dem die kleineren Vereine dann zunehmend weniger Markt-Chancen bekommen.
Erst wenn die sogenannten Groß-Klubs hinter Red Bull ihre doppelte Verantwortung begreifen und sich systematischer aus Transfererlösen finanzieren, ist Besserung in Sicht. Nicht nur in der Export/Import-Bilanz.