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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 7. 2015 - 11:00

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 21-07-15.

Wo der Fußball herkommt, wo der Fußball hin will. Zur Auftakt-Präsentation der neuen Bundesliga-Saison.

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Um die frühabendliche Saisonauftakt-Veranstaltung der heimischen Bundesliga zu erreichen, musste man - sofern öffentlich unterwegs; und um die Öffentlichkeit zu informieren, nahm man den Weg ja auf sich - bei der Wiener U-Bahn-Station Am Schöpfwerk aussteigen. Das namensgebende Schöpfwerk, eine in den Siebzigern und Achtzigern berüchtigte Gemeindebau-Schlafburg befindet sich auf der einen Seite, auf der anderen beginnt die Hetzendorfer Straße mit ihren dörflichen Heurigen- und Landadel-Strukturen. Und dann ist da das Gartenhotel Altmannsdorf, wo die fälschlich als Pressekonferenz titulierte Veranstaltung dann stattfindet.

Dort will der Fußball hin. Nicht in die dörflichen Strukturen, sondern in die Seminarhotel-Szenerie der Start-Ups und Investoren, der business opportunity-seeker und WU-Absolventen.

Dort, wo der Fußball herkommt (aus dem Gemeindebau also, eigentlich), kriegt man vom Liga-Auftaktevent nichts mit. Wiewohl das im/Am Schöpfwerk, im alten, mittlerweile vom Jugendzentrum zum Stadteilzentrum hochgewachsenen Bassena, wo die Energien der am Rand der Gesellschaft angesiedelten Jugendlichen aufgefangen wurden, auch gut gepasst hätte. Denn da ist alles schlecht klimatisiert, viel zu heiß, die Mikrofone pfeifen oder übertragen zu leise, der Moderator des Medienpartners duzt und nicknamed was das Zeug hält, und es gibt Applaus, für alles, auch von vielen Journalisten, die - weil die awareness im Bereich Sport immer noch im tiefen Tränental angesiedelt ist - eine Pressekonferenz nicht von einer Kaffeefahrt unterscheiden. Und so wird viel in die Hände geschlagen, wie bei den Heizdecken-Sales im Pensionistenbus. Man fühlt sich zurückgeholt auf einen Weg, den die Liga schon einmal verlassen wollte.

Einen bezifferbaren Fortschritt wird es in der Saison 15/16 definitiv geben: die sogenannte Erste Liga, also die 2. Spielklasse, wird neue Zuschauer-Rekorde einfahren, mit Austria Klagenfurt und Austria Salzburg sind echte Publikums-Vereine dazugekommen.
Mehr dazu - die Erste Liga präsentiert sich Dienstag vormittag - später.

Präsentiert werden Rekorde der vergangenen Saison, die diesen Namen nicht wirklich verdienen, Hauptsache man kann Wachstum vorweisen, den gesellschaftlichen Fetisch, den es so dringend braucht um mitzumischen in der Seminar-Hotel-Szene. Präsentiert werden Fortschritte in der Imagebildung oder in einer Infrastruktur-Offensive. Leider sitzt direkt vor mir der bestmögliche Experte zu diesem Thema, der sich kurz umdreht, um mir vom Gegenteil zu erzählen: der eben erfolgten Aufweichung strengerer Stadion-Bedingungen der Liga.

Dann zeigen Liga und die NADA, die österreichische Anti-Doping-Agentur eine neue, an Alibihaftigkeit kaum zu überbietende Spot-Kampagne, die das Thema Doping, ein strukturelles Problem, eines, das die Grundfragen des Sports mitstellt, recht simpel personalisiert, individualisiert und so verharmlost. Aber wie von einer Liga, die sich von einem Wettanbieter, also einem potentiellen Manipulations-Träger hauptsponsern lässt (was sich darin niederschlägt, dass die später befragten Trainer mit dem Hinweis auf genau diese Tatsache zu Meistertipps gedrängt werden) Achtsamkeit und Compliance zu verlangen. Gekrönt wird die Spot-Vorstellung vom - völlig falschen - Gemeinplatz, dass der Fußball, vor allem der österreichische, ohnedies dopingfrei wäre.

Dort, wo der Fußball herkommt, im Jugendzentrum am Schöpfwerk, wo man schon immer wusste, wie man sich aufpeppen kann, wäre diese Scheinheiligkeit nicht kommunizierbar.

Der einzige, dessen Spruch passt, ist der Strohmann Ernst Baumeister, nominell Admira-Coach, aber nur Statthalter für den lizenzlosen eigentlichen Trainer Oliver Lederer. Sein Auftritt am Präsentationsabend ist mehr als nur eine Augenauswischerei, eine öffentlich geteilte Lüge. Baumeister gehört sprachlich in die Ogris-Polster-Liga, man versteht ihn schwer, eine akustische Spira-Alltagsgeschichten-Vorbereitung tut Not; Baumeister repräsentiert eine aussterbende vorstädtische Sprachkultur mit trunken dargebrachten Silbenweglassungen. Thorsten Fink, der neue Austria-Trainer, der einzige Mann am Podium, der nicht geduzt wird, wird eine Übersetzung brauchen, um das zu verstehen. Wie Salzburg-Coach Peter Zeidler, der als einziger nicht zurückduzt. Zeidler kann schon Rapiiid sagen, das geheime Zeichen, der Elchtest dafür, dass ein Fußball-Piefke in Österreich angekommen ist, Fink hat das - trotz Österreich-Vergangenheit - noch nicht geschafft; er braucht wie gesagt dringend einen Dolmetscher.

Dazu kommt, dass die sonst gern ausgestellten Erfolge der Ausbildungs-Liga (Stichwort: Export-Mythos) diesmal nicht zum Tragen kamen: weil Salzburg diesen Sommer nur ein- und kaum verkaufte (oder nur nach Leipzig schob), und weil die meisten Auslands-Transfers ohne große Geldflüsse stattfanden, sieht die Bilanz aktuell verheerend aus, etwa 8 Millionen Defizit.

Dort also steht der österreichische Fußball. Und er will höher hinaus, einem Champions League-Fixplatz strebt der Liga-Chef an (und wieder dreht sich mein vor mir sitzender Super-Experte, der das alles berechnet hat, um, schüttelt den Kopf und sagt Nein, das wird sich so bald nicht ausgehen), er sagt es gleich zweimal, quasi als Gegenstück zur wahrscheinlichen EM-Qualifikation des ÖFB, als dessen Teil man sich sieht, samt falschem Genitiv-S. Denn die Bundesliga sei Top: 10 und 8 von 23 Kader-Mitgliedern aus dem letzten Quali-Match wären in ihr ausgebildet worden, sagt Hans Rinner. Dass 17 von 23 aktuell im Ausland spielen und auch genau deshalb einberufen wurden, weil sie dort, in den größeren und besseren Ligen zu besseren (und international kompetativen) Spielern geworden sind, das sagt Rinner nicht. Es würde das Bild, das die Liga verbreiten will, stören. Es würde den eingeschlagenen Weg des künstlich gepushten Dauer-Wachstums verlassen. Es würde den seit einigen Jahren errichteten Export-Mythos ankratzen.

Hier noch eine wichtige weiterführende Analyse wohin der österr. Fußball eben nicht mehr kommt: an die junge, nur mehr international orientierte Fan-Basis.

Dass zum Ankommen in höheren Regionen (und es muss ja nicht unbedingt die unfreiwillige Amateur-Abteilung im Seminar-Hotel sein, es kann auch ein höheres Verständnis des Sports sein, eine Professionalisierung der Philosophie der Liga etwa oder eine echte Infrastruktur-Offensive anstatt einer ewig aufgeweichten) eine gesunde Selbsteinschätzung wichtiger ist als unglaubwürdiger Bluff, lässt sich am Rückweg bei einem Abstecher durchs Schöpfwerk besser erfahren als im klüngelnden Garten des Gartenhotels. Dort kicken die jungen Zweit/Dritt-Generations-Kids in Messi- und Ronaldo-Trikots durch die Höfe. Dort kommt der Fußball her.