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Martin Brokko New York

Stakkato-Gewichse straight outta Do or Die-Bedstuy

23. 7. 2015 - 11:30

Über eine Kette

Walmart: häufigstes Eingabeziel amerikanischer Auto-Navis. Synonym für vieles, das falsch läuft hier. Sagen die Amerikaner. Das sind doch die mit der Waffenabteilung. Sagen die Europäer. Martin Brokko geht shoppen.

Jetzt - nach dem zweiten Besuch eines Walmarts ever:

Martin Brokko im Walmart.

Martin Brokko

Ich sitze an der Bordsteinkante dieses absurd weiten Supermarktparkplatzes irgendwo in Virginia. Die Auspuffrohre des Pick Ups gegenüber schlängeln sich über dessen Fahrerkabine. Ich esse eben erstandene, fresh-gebackene Deluxe Meat Pizza (5$) aus dem Karton.

Er ist sauber, dieser Parkplatz. Noch (!) größer als das Walmart-Supercenter selbst und doch: bis auf ein aufgeschnittenes, totes Auto ist alles clean. Dieser Platz ist kein Treffpunkt für Jugendliche.

Der Himmel verschüttet wolkenweise Vollmilch. Die schwüle Luft drückt von allen Seiten, engt ein. Währenddessen kriecht die Julisonne über die Ziersträucher. Erklimmt diese fette, übergroße Lagerhallenfassade.

Durch die offengelassene Beifahrertür pumpt der Sound der Region auf Frequenz 99.9. Der Sound der Region ist Christian Rock.

I believe in God our Father/ I believe in Christ the Son/ I believe in the Holy Spirit/I believe in the resurrection/That we will rise again/ For I believe in the name of Jesus

Die Shoppenden betrachten den pizzaessenden Beobachter skeptisch. "No loitering" - "Kein Herumlungern" prangt nicht nur vor jedem New Yorker Hauseingang, sondern ist oft auch Etikette in Amerika. Zur Nachspeise gibt es Ananasyoghurt.

Mitarbeiter streiken vor einigen Monaten zu Zehntausenden. Wegen krass niedriger Bezahlung, immer denselben, nervigen Tunes (Justin Bieber, Celine Dion) aus dem Walmart-Radio und strikten Dresscodes (immer Hemden, Ärmel müssen bedecken, keine Jeans) und zu kühler Raumtemperatur.

Was hat sich seitdem verändert? Gibt es die berühmte Servicefreundlichkeit und Professionalität der im Dienstleistungssektor arbeitenden Amerikaner auch hier - trotz der miesen Bedingungen im Job? Oder kann man hier sogar - und das wäre einzigartig in Amerika! - von schlecht gelauntem Personal angeschnauzt werden wie in der Alpenrepublik?

Das Logo der Handelskette Walmart

corporate.walmart.com

Am Vortag das erste Mal: hinein, unter dem schönen, unmittelbaren Logo von Walmart hindurch. Irgendwie sieht diese sechsstrichige Sonne aus wie ein erfüllter, fertiger Ladebalken.

Eintritt. Normale Klimaanlagenwelle, die von oben herabschlägt. Die amerikanische Idee, alle Innenräume ein bisschen weiter als die perfekten 20 Grad Celsius Raumtemperatur abzukühlen. Es hat hier - und in jedem anderen Walmart an der Ostküste auch - nicht mehr als 75 Grad (23,8°C) Fahrenheit. Das ist eine Sache die der Angestelltenprotest erreicht hat: Seit Juni klimatisiert es in den Filialen nur mehr auf humane 75 Fahrenheit runter. Nicht wie zuvor auf 74 Fahrenheit (23,3 Grad Celsius). Hintergrund: Die Shoptemperatur wird für sämtliche Filialen zentral gesteuert.

Das ist doch eine Meldung wert

Ein Walmart ist gar nicht mal größer als diese französischen Hypermarchés und haut eigentlich auch schöner aufs Auge. Angenehme Corporate Identity, nice Farbabstimmung. Hier: alles schön sortiert, nichts in Kisten belassen. Mehr Merkur als Lidl. Eigentlich: Jeder Hofer ist mehr Ghetto. Alles in diesem Walmart sieht sehr - marketingdeutsch - wertig aus.

Es gibt Brot für $1, Frucht & Gemüse sind - hä? - verwunderlich teuer. Ein Dutzend gehackte Ananaswürfel gibt's für $3.49. Anscheinend glüht der Amerikaner nicht deretwegen all the way zu Walmart. Generell sieht es so aus, als ginge der durchschnittliche Walmart-Shopper nur ein Mal im Monat einkaufen - darum ist alles so groß.

Hinten wird es offensichtlicher wieso Hierherkommen überhaupt Sinn macht: Abgepacktes und Konserviertes ist arg günstig. XXL-Chipspackungen $0.99, die berühmte Gallone (3,78 Liter) OJ, Orange Juice der Marke Hood für $ 1.98.

Natürlich gibt es hier auch allerhand Zeug, das es in normalen Supermärkten nicht zu kaufen gibt. Der Einkaufende findet hier eine Apotheke, einen Angelshop, sowie Bekleidung und Gartenmöbel.

Und die für Walmart so typischen, verrückte Produkte. Klopapierhalter in Krokodilform; Chips in Geschmacksrichtung Hot Dog Ketchup für Hunde (Petchup); Cornflakesschachteln größer als Fernseher.

Jetzt aber - sofort! - die suchen, die hier arbeiten müssen. (Der Mindestlohn ist US-weit - trotz Forderungen - immer noch nicht auf 15 Dollar angehoben worden). Die meisten Angestellten bei Walmart tun diese Arbeit also mangels Jobalternativen.

Beruhigend anzusehen: die Sale Associates und Regaleinschlichter stehen - wie in jedem Großhandel in dieser Welt - in Gruppen plaudernd, um nicht angesprochen zu werden. Sonst wird man ja wahnsinnig in diesem Laden.

Martin Brokko isst Ananasyoghurt am Walmartparkplatz.

Martin Brokko

Das schöne Geständnis an die Kassierin, Emily (Amerika - du brauchst nur einen Vornamen), dass dies mein erstes Shopping bei Walmart sei.

Whaat?! You don't shop like that where you're from?

Natürlich erzählt mir keiner der Angestellten, die ich angesprochen habe, wie es wirklich ist, in einem Walmart für den niedrigsten in den USA möglichen Lohn zu arbeiten. Blöd wären sie auch. Plastiksackerl. Thank you for shopping with us - have a nice day!