Erstellt am: 17. 7. 2015 - 11:42 Uhr
The daily Blumenau. Extra Edition, 17-07-15.
#merkelstreichelt #machtpolitik #medienpolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Das ist der exakte Dialog zwischen Angela und Reem, in den sich der Moderator (nennen wir ihn Felix) einmischt, während Reem nur Tränen sprechen lässt:
>Ach, komm. Du hast das doch prima gemacht
>Ich glaube nicht Frau Bundeskanzlerin, dass es da ums prima machen geht, sondern dass es natürlich 'ne sehr belastende Situation ist, einfach...
>Das weiß ich, dass es 'ne belastende Situation ist, deshalb möchte ich sie aber trotzdem einmal streicheln, weil ich, weil wir euch nicht in solche Situationen bringen wollen und weil du's ja auch schwer hast und weil du ganz toll aber dargestellt hast für viele viele andere, in welcher Sit..., in welche Situation man kommen kann, ja?
Das aufsehenerregende und nachrichtenbeherrschende Merkel-Auftritt beim fernsehöffentlichen Bürgerforum (mit dem im nachhinein zynischen Titel "Gut Leben") in Rostock hat genau genommen keinerlei News-Wert.
Die strikten Regulative bundesdeutscher Flüchtlings-Politik, was Fälle dieser Art (von Abschiebung bedrohte, mittlerweile aber gut integrierte Asylwerber und vor allem deren minderjährige Kinder) betrifft, werden von christdemokratischen Entscheidungsträgern seit Jahr und Tag nicht anders kommuniziert.
Dass die deutsche Kanzlerin eine Technokratin mit naturwissenschaftlichem Background ist, die mit Emotionen aller Art immer nur mäßig gut umzugehen versteht, ist auch allseits bekannt. Dass sie - im Gegensatz zu österreichischen Pendants, die sich gerne aus der Emo-Falle retten - keine individuellen Hilfestellungen verspricht, die sie womöglich nicht halten kann, liegt somit sowohl in der Ideologie ihrer Regierung als auch in der Verfaßtheit ihrer Person.
Die nachträgliche Beschönigung und Bereinigung durch die PR-Organe der Regierung: Normalität.
Auch der schnappig-bedrohliche Unterton, mit dem die Vertreterin der Staatsmacht dem Moderator, der der (in diesem Moment im Wortsinn) Sprachlosen eine Stimme verleiht, in die Parade fährt, zeigt bloß vor, wie sehr sich politische Entscheidungsträger in Deutschland (teilweise sogar unverfrorener als im ebenso gestrickten Österreich) als Beherrscher der Medien begreifen.
Wirklich interessant ist hingegen zweierlei.
Zum einen, dass allerorten die zweiminütige Version des langen Dialogs kursiert. In der hier gezeigten Long Version ist zu sehen, dass sich Merkel - auf ihre durchaus trocken-harsche Art - durchaus mit dem Thema auseinandersetzt. Zudem fehlt dort die Nachbereitung, der (durchaus anständige) Versuch von Moderator und Kanzlerin, mit der Situation umzugehen.
Die - in social media rasend schnell verteilte - Kurzversion ist um einiges geeigneter, der Kanzlerin ans Bein zu pinkeln, als es die Long-Version (die man erst suchen muss) wäre.
Zum anderen ist es dann aber auch die unbeabsichtigte Offenlegung eines dringenden Wunsches der politisch Mächtigen an die Mediengestalter. Eines Wunsches, der in Sonntagsreden geleugnet und ins Gegenteil verkehrt wird; des Wunsches auf Einordnungs-Verzicht. Der Wunsch nach direkter Zitierung und Analyse-Freiheit. Also die Abwesenheit von Analyse.
Merkel fährt dem Moderator (Kika-Moderator Felix Seibert-Daiker), dessen durchaus forschen Anregungen sie davor noch nachsichtig gefolgt war, in dem Moment in die Parade, in dem er die entscheidende Einordnung trifft. Reem weint nicht, weil sie aufgeregt ist (was die Regierungs-PR in ihrer Nachberichterstattung perfideweise, aber nur kurzzeitig insinuiert hat), sondern weil sie die Abschiebe-Bedrohung belastet. Merkel meint, dass sie das wisse, und setzt dann ihre - inhaltlich gegenläufige - Agenda drauf, dass es nämlich die Flüchtlinge seien, die sich in eine solche Situation bringen, nicht die deutschen Behörden. Merkel verspricht sich zweimal noch fast verräterisch, so sehr hat sie der analytische Einwurf in innerliche Rage gebracht.
Einschub:
Anlässlich des Todes des alten ORF-Generals Bacher und eines runden Geburtstags seines alten Gegenspielers Podgorski tauchten in vielen Berichten die verstaubten Usancen des Vor-Bacher-ORF auf, wo Parteisekretäre die Mikros hielten, in die Politiker dann ihre Statements absonderten, welche ungeschnitten, unkommentiert und uneingeordnet on Air gingen. Auch die damaligen Print-Medien pflegten diesen Stil. Der Umgang der deutschen Regierung mit den deutschen Medien erinnert manchmal daran. Nur dass Mikrofonhalter und Statement-Geber zusammengelegt wurden und auf den Namen Steffen Seibert hören.
Die Ideologie hinter diesen Haltungen ist allerdings dieselbe: Die Definitionsmächtigen wollen einen Journalismus, der sie begleitet und zitiert. Dass es nicht reicht etwas zu wissen, ohne es zu zeigen, zu sagen oder zu vermitteln, ist zwar Erststunden-Stoff in jedem Medien/Kommunikations-Seminar für Amtsträger, trotzdem begreifen die meisten Verantwortungsträger alles übers Abnicken Hinausgehende für ruf- und republikschädigend.
Sobald ein Funken an Einordnung oder gar Analyse dazukommt, grollt das System. So, wie es die Kanzlerin in einer für sie bedrohlichen Live-Situation prototypisch vorzeigt.