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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

16. 7. 2015 - 16:28

Musik ohne Auftrag

Einschlafen in der Disco, Synthesizermusik am Rande der Selbstauflösung. Auf dem neuen Album von Jaakko Eino Kalevi passiert nicht gar so viel und das ist gut so.

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Süßliche Musik von hinter der Nebelwand. Musik aus den Zwischenräumen, dampfende Tapetenmusik zur Vertonung der Uneindeutigkeiten des Lebens und der Liebe. Der müde finnische Allrounder Jaakko Eino Kalevi lässt uns keine Wahl - angesichts der säuselnden Musik, die er auf sein neues Album gepackt hat, müssen wir ihn mit dem öden Begriff "Schlafzimmer-Produzent" überschreiben.

Kalevis Musik schmeckt nach Opium, mit sicherlich geschlossenen Augen sitzt der Mann an seinem Keyboard und orgelt sich weltvergessen zunächst in die Zeitlupe und danach ins schönste Wachkoma. Seine letzte EP hat er "Dreamzone" genannt.


Jaakko Eino Kalevi

Jaakko Eino Kalevi

Bislang hat Jaakko Eino Kalevi gut zwanzig EPs, Tapes, CD-Roms und Alben im Sinne von eher beiläufig zusammengeschusterten Track-Compilations veröffentlicht, vornehmlich auf obskuren Kleinstlabels wie dem finnischen Helmi Levyt, seinem eigenen JEKS Viihde oder auch dem nicht ganz unbekannten und stets verlässlichen Neo-Disco/House-Hafen Beats in Space des New Yorker DJs Tim Sweeney.

Sein kürzlich beim Domino-Tochterlabel Weird World erschienenes Album will der Künstler jetzt als sein erstes "richtiges" Album verstanden wissen. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Reichweite und mehr potenzielles Publikum, so hat sich der Lo-Fi-Discoteer diesmal ein bisschen mehr bemüht und ein sauber abgewogenes Album zusammengebaut - und es als Statement auch gleich "Jaakko Eino Kalevi" genannt.

Hier ist ein Künstler und feiert die Faulheit. Und seine dilettantische Genialität. Seine legeren Musikstückchen scheinen ihm nur so aus dem Ärmel zu flutschen. Mal ein bisschen hauchen, mal hier ein bisschen draufdrücken. Und weil wir uns an diesen Mann und seine egale Laszivität wohl gewöhnen sollen, trägt das Eröffnungsstück auf "Jaakko Eino Kalevi" den Namen "JEK" - das ist die Abkürzung für "Jaakko Eino Kalevi".

Und was singt Kalevi hier über matt klapperndem Schlagzeug, Synthesizern, die schwülstig und billig zwitschern, und einem Softsex-Saxofon aus dem Hintergrund? Er singt "My Name is Jaakko Eino Kalevi", auf Finnisch, wieder und wieder, sonst nichts.



Nachdem der Musiker nun mit diesem intro-haften Stück sein eigenes Reich eröffnet hat, wird er in Folge auf diesem Album kaum mehr so eindeutig werden. Es ist eine Platte über Welten aus Traum, magische Düfte und mysteriöse Gedichte. "You can call it unknown, You can’t see or perceive", heißt es in der Hitsingle "Deeper Shadows" - "Hitsingle" im von Unaufgeregtheit definierten Koordinatensystem Jaakko Eino Kalevi.

Ein Trip ins Unbekannte, wir wissen nicht wohin und finden es gut. Wir verschwinden in den Schatten und wir wollen es: "I wanna go tonight to the deeper shadows". Diese Motive von gestörter Wahrnehmung, Ungereimtheiten, Halluzination, Verwirrung durch die Nacht ziehen sich durch die ganze Platte. Auflösung des Ichs, Existenzialismus, Meditation. Im sechs-minütigen, zentralen Stück "Mind Like Muscle" wiederholt Kalevi das Mantra "Break the self and build it again, again and again".


Jaakko Cover

Domino

"Jaakko Eino Kalevi" von Jaakko Eino Kalevi ist via Weird World/Domino erschienen.

Ein anderer Hit nennt sich "Double Talk" - wir sprechen zwei- und mehrdeutig, entziehen uns einem Sinn und Zweck, manchmal sprechen wir Kauderwelsch. Die Musik dazu ist auf "Jaakko Eino Kalevi" gleichermaßen entrückt, narkotisiert, minimal. Eingespielt hat Kalevi das alles nahezu alleine, Unterstützung kommt einzig von zwei Sängerinnen und einem Saxofonisten.

In monotonem Singsang, mal in Ennuie, mal in Melancholie getaucht, beschwört Kalevi ohne große Not kryptische Bilder. Sedierter Bar-Jazz, Pastell-Disco für Langsamtänzer, Schwundstufen-R'n'B aus der einsamsten Karaokebar der Vorstadt. Vom Hörensagen mitbekommenes Easy-Listening und Exotika, New-Age-Esoterik und elektronischer Preset-Krautrock.

Alles fließt und wogt und will der Welt nicht viel erzählen. Das alles ist nicht langweilig. Taucht man in dieses Flüstern von Musik ein, dann findet man Melodien, einen Groove, der das Danebenstehen und das Ausklinken feiert, ja, echte Lieder. Musik als warmes Gift gegen den ständigen Krawall. Wir bemerken, wie es sich durch den Körper zieht, zärtlich zu wirken beginnt, und schlafen ein. Alles wird besser.