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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

15. 7. 2015 - 17:33

Zweieinhalb Jahre unbedingt

So lautet das - nicht rechtskräftige - Urteil für den IS-Heimkehrer Oliver N.

Zweieinhalb Jahre unbedingte Haft wegen Beteiligung an terroristischer Vereinigung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten. So lautet das heutige Urteil für Oliver N. Es ist noch nicht rechtskräftig.

Nicht verurteilt wurde N. wegen der Teilnahme an Kampfhandlungen, das konnte nicht bewiesen werden. Das strenge Urteil soll, das sagte Richterin Alexandra Skrdla heute, ein Signal für andere Jugendliche sein, die mit dieser Ideologie liebäugeln.

Vor einem Jahr nach Syrien

Oliver N. ist 17. Vor einem Jahr ist er von Wien aus nach Syrien aufgebrochen, um ein IS-Kämpfer zu werden. Diesen März ist er bei einem Bombenangriff in Syrien schwer verwundet worden und nach Österreich zurückgekommen. Seitdem ist gegen ihn wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt worden, er war in U-Haft.

N. ist in IS-Propaganda-Videos aufgetreten und hat dazu aufgerufen, Ungläubige abzuschlachten. Er soll ehemalige MitschülerInnen bedroht haben. Er selbst habe aber nie getötet, sagt Oliver N., und sei auch nicht in einem Terrorcamp ausgebildet worden. Seine Aufgabe sei es gewesen, Verletzte aus dem Kampfgebiet zu holen.

Tor des Wiener Strafgerichts

APA/HERBERT NEUBAUER

Tor des Wiener Landesgerichts für Strafsachen

Mit Waffe posiert

Beim Prozess sind Bilder von ihm gezeigt worden, die ihn mit Maschinenpistole im Kreis von IS-Kämpfern zeigen. "Ich habe die Waffe genommen, weil es cool ist", hat er in der Verhandlung am Montag gesagt.

Das passt ins Bild, sagt Romeo Bisutti von der Männerberatung Wien, die sich unter anderem mit Gewaltbereitschaft von Männern auseinandersetzt. "Wir haben es immer wieder mit Burschen und Männern zu tun, auf die Gewalt eine besondere Faszination ausübt. Das ist aber eine Faszination der Mächtigkeit. Oft geht es nicht darum, Gewalt unbedingt auszuüben; die Attraktion ist, über Gewaltverhalten mächtig zu sein."

Identität, leicht verfügbar

Oliver N., das hat sich in den letzten Verhandlungstagen herausgestellt, hat eine desolate Kindheit erlebt, war immer wieder in Heimen und Kriseninterventionszentren. Der IS hat ihm Identität geboten und ihm über Minderwertigkeitskomplexe hinweggeholfen. "Wo Selbstwert nicht verfügbar ist, werden andere Quellen umso attraktiver", sagt Romeo Bisutti. "Die sind auch leicht verfügbar. Gerade bei diesen neuen islamistischen Ideologien kann ja relativ leicht konvertieren, es ist recht niederschwellig und von daher für Jugendliche sehr leicht zugänglich."

Oliver N. hat in der Verhandlung gesagt, er hätte sich auch jeder anderen Gruppe angeschlossen, wäre auch zu einer Yoga-Gruppe gegangen. Das bezweifelt Romeo Bisutti ein wenig: "Wenn der jetzt zu einer Neo-Hippie-Runde gekommen wäre, hätte ihn das vielleicht aufs Erste nicht ganz so befriedigt. Vielleicht war das gewalttätige Element etwas, das ihn fasziniert hat, weil dort klassische, dominante Männlichkeiten vorhanden sind. Wahrscheinlich hätte es dieses Element gebraucht, aber er hätte auch in ein rechtsextremes Milieu rutschen können."

Lange Therapie gefordert

Die Gerichts-Psychiaterin und die Richterin haben beim heutigen Prozesstag vor allem nicht an die Reue und an die Läuterung von Oliver N. geglaubt. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass ihm ein rasches Umdenken möglich ist", sagte die Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter. Oliver N. habe sich nur deswegen vom IS abgewandt, weil er bei einem Bombenangriff schwer verletzt worden sei: "Es waren seine Schmerzen und seine Todesängste. Es waren nicht die Schmerzen der anderen, dass er Leichen eingesammelt und Tote gesehen hat. Ein Einfühlungsvermögen in die Schmerzen anderer hat er nicht."

Sie empfiehlt eine engmaschige Betreuung und lange Therapie und rät davon ab, ihn zu seinem Vater ziehen zu lassen. Zunächst aber sind zweieinhalb Jahre Gefängnis vorgesehen. Oliver N. hat um drei Tage Bedenkzeit gebeten.