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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

15. 7. 2015 - 16:15

Nur weil ich paranoid bin

Systemabsturz, Revolution, Hacker-Thrill. Hinter den Klischees eine neue Welt entdecken. "Mr. Robot" wird eine Show des Jahres. Wenn die Qualität nicht hält, gibt es immer noch Brisanz und Talkability.

Gleich in den ersten Momenten der ersten Episode, noch vor schwarzem Screen, dürfen wir der Hauptfigur der Show "Mr. Robot" dabei zuhören, wie sie ihre eigene geistige Gesundheit anzweifelt: Der junge Mann namens Elliot spricht zu einem imaginären Gegenüber – "Hello, Friend" – spricht zu sich selbst, murmelt zu den Stimmen in seinem Kopf und ist sich dabei völlig bewusst, dass er möglichweise gerade wieder mal dabei sein dürfte, kurz in eine Welt bloß seiner Imagination wegzudriften.

Elliot verliert vielleicht wieder einmal ein bisschen den Verstand, reflektiert diesen Umstand und teilt das den Zuschauern auch mit. "Mr. Robot" spielt – in den bislang ausgestrahlten drei Episoden - mit den Möglichkeiten von Realitätsverlust, dem guten, alten Kippbild zwischen Schein und Sein, ist dabei gleichzeitig um Kommentarfunktion von Gegenwart und Tagesgeschehen bemüht.

Mr. Robot

Mr. Robot

"Mr.Robot" handelt von der Krise, von Umbruch und Einbruch von Finanzmärkten, dem Offen- und Lahm-Legen von Systemen, der Verbesserung der Erde. Und ist sich dabei auch nicht für hohle Phrasen und überstrapazierte Schablonen zu schade. Don't Stop Believing.

Hauptfigur Elliot ist Hacker. Hacker wie er in vielen Büchern steht, Einzelgänger, Außenseiter, sozial awkward. Mit Leuten reden – das ist nicht so Elliots Sache. Schlaftrunken schlurft er durch ein mahagonifarbenes oder blassblaues New York, im Brotjob arbeitet er als hochtalentierter Engineer für eine Sicherheitsfirma, die wiederum für andere Konzerne die Computersicherheit besorgen soll. Elliot hasst das.

Des Nachts forscht er Vertreiber von Kinderpornografie aus und liefert sie an die Polizei oder überprüft recht privat motiviert die Backstory des schleimigen, neuen Liebhabers seiner Psychotherapeutin. Ruhm interessiert ihn nicht, Geld ebensowenig, die Welt, die wir als tatsächliche Realität wahrnehmen, versteht er nur als von den übermächtigen Männern im Schatten, dem einen Prozent des einen Prozents, kontrolliertes Konstrukt. "I hate Facebook", sagt er wenig revolutionär, die einzigen Wahlmöglichkeiten, die uns wirklich bleiben, seien laut Elliot die zwischen Pepsi und Coke, zwischen McDonald's und Burger King.

Mr. Robot

Mr. Robot

Um sein Leben, seine Ängste so halbwegs im Griff zu behalten, beruhigt er sich regelmäßig mit wohldosiertem Einsatz von Morphium. Der Stoff kommt von der Nachbarin/Freundin/Gelegenheitspartnerin, die in Wirklichkeit doch viel lieber ihr Geld als Künstlerin verdienen würde. Junkie sei er jedoch keiner, so versichert sich Elliot im Monolog selbst, als Zuseher darf man sich mit einem immer unzuverlässiger werdenden Erzähler anfreunden.

Schauspieler Rami Malek gibt diesem Elliot, der so schnell, wie er unter seinem Hoodie verschwindet, auch im Sumpf blanker Klischees ertrinken könnte, eine seltsame Glaubwürdigkeit. In jeder Situation scheint Elliot sich unwohl zu fühlen, nervös sondiert er die Lage, die Augen stets kurz vorm Zufallen und hochalarmiert. Es mag wohl ein großer Hass – Fuck Society – in ihm schlummern, dabei scheint er gänzlich ungerührt, ohne große Emotion und Ideologie durch triste Tage zu gleiten. Motivationen sind schwer in ihm auszumachen – ein sympathischer Charakterzug für eine Hauptfigur.

Roboter ist Elliot jedoch keiner – das titelspendende "Mr. Robot" bezieht sich auf den mysteriösen Anführer einer revolutionären Hacker-Zelle, der Elliot mit flammenden Reden für seine Sache gewinnen möchte. Dargestellt wird dieser "Mr. Robot" von Christian Slater, der bürgerliche Name seiner Figur ist in der Show bislang nicht zu vernehmen gewesen. Er will Elliot aus seinem Trott reißen, ihn dazu bringen, endlich seine Talente zu nutzen, um die stinkende Welt zu Fall zu bringen.

Die gespiegelte Personenkonstellation, Elliots oft gestörte Wahrnehmung, die thematische Verwandtschaft, das Wirken der Drogen legen nahe, dass es sich - symbolisch nahezu analog zum Figuren-Doppel Edward Norton/Tyler Durden aus David Finchers "Fight Club" - bei diesem "Mr. Robot" bloß um das reißerische, herbeiimaginierte Wunsch-Alter-Ego des statischen Elliot handeln könnte.

An die Finte der Projektion unerfüllter Sehnsüchte und Triebe in eine andere, fiktive Person hat man sich nun aber schon gewöhnt. Weshalb "Mr. Robot" wohl bei allem Teasen und Vorgaukeln, bei allem Spiel mit Plattitüden und Jargon-Bauteilen seine Auflösung eben genau nicht in puren Nebelmanövern aus Wahn und Fantasterei finden wird dürfen. In "Fight Club" wurde die Welt von Edward Norton als IKEA-Katalog begriffen, in "Mr. Robot" zeigt sich ein gerade mal so erträgliches oder erfülltes Leben in der Option Hyundai/Honda.

Die Fetischisierung von Marken und das Verdammen von Konsumgeilheit, das slicke Design, klinische Bilder – Szenarien, die von Fincher vor gut zwanzig Jahren noch mit dem Aroma des Revolutionären bestäubt im Mainstream angekommen sind, sind heute Status Quo. Morsche Systeme müssen kippen, bröseln.

Als dritte Hauptfigur kristallisiert sich in "Mr. Robot" ein sinistrer CEO eines Großkonglomerats heraus, ganz Evil Empire. Wie selbstverständlich findet er inneren Ausgleich, indem er Obdachlose dafür bezahlt, sich von ihm verprügeln zu lassen. Das Designer-Sakko wird dazu abgelegt, Gummihandschuhe werden übergestreift.

Wichtige Vorträge und Gesprächsroutinen übt dieser aalglatte Erfüller, in dem freilich ebenso Ängste wohnen, vor dem Spiegel wieder und wieder in höchster Präzision ein, um dann mit größtmöglicher Lockerheit rüberzukommen: "Don't be a robot!" rügt er sich selbst und gibt sich eine aufputschende Ohrfeige, sollte seine Rede doch einmal wieder zu maschinell und einstudiert geklungen haben. Die Natürlichkeit muss trainiert werden.