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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

15. 7. 2015 - 12:45

Die bulgarische Madonna

Saschka Vasseva ist eines der populärsten Musikgesichter der 90er Jahre aus meinem Heimatland Bulgarien. In den letzten Jahren sie etwas in Vergessenheit geraten. Bis vor einigen Wochen.

"Saschka, Saschka, spiel uns Saschka!" Meine österreichischen Freundinnen verfallen in Ekstase, wenn sie die lockeren bulgarischen Popfolkrhythmen der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hören: "Tausch die Leva in Deutschmark um, und saufe bis zum Umfallen darum!"

Saschka Vasseva ist eines der populärsten Musikgesichter der 90er Jahre aus meinem Heimatland Bulgarien. Heute nennt man sie eine "Popfolkikone". Nach dem Fall der Berliner Mauer erobert der Popfolk das Musikgeschäft in Bulgarien. Diese Musik kombiniert Balkan-, Roma- und orientalische Rhythmen mit MTV-Pop. Bis zum heutigen Tage ist Popfolk oder "Chalga" die dominierende Popkultur in Bulgarien. Die intellektuellen Bulgaren verachten den Popfolk. Da sie ihn nicht verbieten können, so wie das noch im Kommunismus ging, versuchen sie ihn einfach zu ignorieren. Vor einiger Zeit habe ich hier einen Artikel über Popfolk veröffentlicht, der eine Reihe von negativen Kommentaren unter den Diaspora-Bulgaren auslöste. Ich wurde als Nestbeschmutzer und Volksverräter, der den Kitsch liebt, bezeichnet. In der Zwischenzeit höre ich immer öfter bulgarische Popfolklieder in diversen Wiener „Hipsterlokalen“. Zum modernen Popfolk gehören auch House- oder HipHop-Motive.

Sashka Vaseva

Sashka Vaseva

Saschka Vasseva ist die Galionsfigur des Popfolk der 90er Jahre. Der personifizierte Kitsch. Man nennt sie "Madonna aus Dupnitza", nach der Stadt woher sie kommt. Ihr Image kombiniert Marilyn Monroe, Madonna und Dolly Buster. Ihr riesiger Ausschnitt wird oft von einem riesigen silbernen Kreuz gekrönt. Der Song "Levovete v Marki", von dem ich oben gesprochen habe, wurde 1996 ein Riesenhit. Damals wurde das Land von einer Hyperinflation erschüttert und der einzige Weg für die Leute, ihre Ersparnisse zu bewahren, war der Umtausch in eine andere Währung.

In den letzten Jahren ist Saschka Vasseva in Vergessenheit geraten. Bis vor einigen Wochen. Der extreme Performancekünstler Ivo Dimchev (der dieses Jahr wieder beim ImpulsTanz Festival zu sehen ist) lud sie in seinen neuen Ausstellungsraum in Sofia ein, um…Opernarien zu singen. Die Karten dafür waren schnell ausverkauft. Dieses Mal aber kamen genau diejenigen, die den Popfolk verachten. Vielleicht kamen einige von ihnen auch nur, um Saschka zu verspotten, aber sie wurden enttäuscht.

Auf dieser Veranstaltung blieb die heute ungefähr 50 Jahre alte Saschka ihrem Stil treu. Sie kam mit einem riesigen Ausschnitt und sie sang ganz brauchbar eine Mischung aus italienischen Canzonetti und berühmten Arien. Es passierte etwas Unglaubliches. Das Publikum wollte mehr und mehr, und es wollte, dass sie „Levovete v Marki“ singt. Das gleiche Publikum, das Popfolk verachtet und verspottet. Der Kitsch ist salonfähig geworden.

Saschka Vasseva aber blieb hart. Sie hielt dem Druck stand und blieb den ganzen Abend lang eine Operndiva.