Erstellt am: 22. 7. 2015 - 11:16 Uhr
Den Erwachsenen nicht trauen
"Ich habe früher leidenschaftlich Tischtennis gespielt, sonst wäre ich wahrscheinlich auch Grufti gewesen."
In der Adoleszenz scheint jede Entscheidung endgültig. Einmal Grufti, immer Grufti, einmal schlecht im Fußball, immer schlecht, einmal der Loser, immer der Loser. Jim, der Protagonist in Joe Stretchs Roman "The Adult" (auf deutsch: "Freischwimmer"), glaubt oft die falschen Entscheidungen zu treffen und doch machen sie ihn zu dem, was die wenigsten Jugendlichen werden möchten: erwachsen.
Jonathan Cape
Teil einer Jugendbewegung
Der Leser, falls es einen gibt, hat vielleicht schon von meiner Familie gehört. Wenn nicht, umso besser. Ich werde über meine Familie schreiben, über meine Gedanken zur Mondlandung und darüber, wie ich Obsthäcksler geworden bin. Ich werde über die Karriere des Kinderstars Macaulay Culkin schreiben, über das Schamhaar, das meinem Freund Harry King 1992 wuchs, und auch über die Zeitkapsel, die wir im Sommer davor auf dem Kinderspielplatz vergruben.
Jims Familie, das sind hauptsächlich die Albrights: seine Mutter und ihre drei Schwestern, die alle - bis auf eben Jims Mutter - eine Weltkarriere gestartet haben. Unter dem Erwartungsdruck dieser vier Diven wachsen er und seine Schwester auf. Der Vater ist das genaue Gegenteil: er zockt den ganzen Tag Computerspiele und sein kleiner Radius kreist immer nur um die eine, alles bestimmende Frage: "Sonic oder Mario?"
Die Eltern leben zwar unter einem Dach, aber haben sonst wenig gemein: "Am 1. September 1997 führten Mum und Dad ihre längste Unterhaltung der 90er Jahre." In dieser Unterhaltung geht es um Toast. Unbehelligt von den Erwachsenen, muss Jim selbst herausfinden, wie Erwachsensein geht. Sein erstes Mal erlebt er mit einem aufblasbaren Delfin; wie Sex funktionieren könnte, lernt er aus Schnulzenfilmen und beeindrucken können ihn nur die Helden der 90er Jahre: Take That, Muhammad Ali, oder Jarvis Cocker, der bei einem Auftritt von Michael Jackson auf die Bühne springt und seinen Hintern entblößt:
Rowohlt
Ein starker Roman
Das Buch ist eine Rückschau auf die 90er Jahre, die unglaublichen Spaß macht. Außerdem strotzt der Roman nur so vor starken Elementen und Ideen. Ob es anfangs unwichtig wirkende Gedanken der Protagonist_innen sind oder kleine Alltags-Beobachtungen, die dann in einen größeren Sinn eingebettet werden. So auch zum Beispiel der Monolog von Jims bestem Freund Harry, der sonst nur wenige helle Momente hat:
"Wir leben in einer Zeit des Wandels. Die Leertaste zu drücken ist die Definition von Punk. In der Bahn sehe ich oft erwachsene Menschen, die Harry Potter lesen, Jim. Alles liegt in Trümmern. Die Simpsons werden immer beschissener und Lisa, die nervigste Figur in der Serie, leidet schrecklich unter ihren dämlichen Überzeugungen... sprich, der Überzeugung, dass man welche braucht. (...) Jung sein ist ein politisches Statement. Lass uns eine Band gründen, damit wir nicht mehr die Musik von anderen hören müssen. Verstehst du, was ich meine?"
"Nein", sagte ich.