Erstellt am: 19. 7. 2015 - 10:28 Uhr
Noch kälter oder heiß?
Es ist wie beim Kinderspiel "Topfklopfen", doch diesmal werden keine Augen verbunden, sondern es wird ganz genau hingeschaut: Ist es heiß oder noch kalt, fragt man sich. Der österreichische Fotograf Daniel Sostaric hat ein arges Experiment mit dem Namen "437" durchgeführt. Dabei wurden fünfzig Menschen zweier unterschiedlicher Wassertemperaturen ausgesetzt: 4 °C und 37 °C.
Bei der aktuellen Hitzewelle kann man sich die 37 °C des Wassers gut vorstellen. Aber 4 °C, das ist sehr kalt!
"Ja! Bei 4 °C hast du quasi keine Chance mehr, irgendeine Emotion zu spielen. Du bist deinen Körperregungen ausgesetzt. Und was passiert dann?", meint Daniel Sostaric zu seinem Projekt. Für ihn war es ein Versuch, wieweit er die Modelle aus der Reserve locken könne. Die Umsetzung war teilweise sehr emotional. Und er gibt offen zu, dass es auch für ihn schwierig war, die Fassung zu bewahren. "Die Reaktionen waren sehr konträr: manche Leute flüchteten, manche konnten gar nicht genug kriegen", erzählt er. Daniel Sostaric hat seine Probanden fotografiert, während sie den unterschiedlichen Wassertemperaturen ausgeliefert waren.
"Bildpaare" sind die folgenden Fotos nicht. Doch wenn man den jeweiligen Gegenpol finden will, kann man damit eine Art Online-Memory auf Sostarics Website spielen.
Kaltes, klares Wasser
Die 4 °C kamen aus der Wasserleitung. Daniel hatte seine Dusche entsprechend präpariert. Trotz der Bedingungen bei den Shootings entwickelte sich das Projekt wie eine Kettenreaktion. Menschen meldeten sich selbständig bei Daniel, der sein Experiment mehrmals an sich selbst ausprobiert hat.
Wieviel Informationsgehalt hat ein Bild tatsächlich? Und wie kann man als BetrachterIn diesen Informationsgehalt eruieren?
Daniel ging es darum, eine Serie zu schaffen, die das Medium an sich und den Wahrheitsgehalt der Fotografie in Frage stellt. Einhundert Fotografien umfasst das Projekt. "Liegen sie vor einem, ist es sehr schwer zuzuordnen, welche Bilder unter kalten Bedingungen entstanden sind und welche unter warmen. Eigentlich würde man sagen, das ist doch logisch, das könne man sofort erkennen! Das kann man aber eben nicht. Es geht nicht. Manchmal nicht mal im direkten Vergleich des 'warmen' und des 'kalten' Bildes. Zumindest nicht zu hundert Prozent", sagt er.
Wie einem das Gesicht bei Hitze buchstäblich zerrinnt und sich blaue Flecken bei nur wenigen Graden bilden, zeigt "437". Bei Porträtfotografie gehe es mehr um den Fotografen, als um die Porträtierten, erklärt Daniel Sostaric. Ein fotografisches Porträt sei in den meisten Fällen eher eine Interpretation als ein Abbild der Person. Ein Bild gäbe maximal Auskunft über die Haltung des Fotografen zum Fotografierten. "Was denkst du, wenn du jemanden fünfzig Zentimeter vor deiner Nase frieren siehst? Wann tritt Empathie ein?"
Mehr Arbeiten Daniel Sostarics sieht man in seinem Blog
Dass er den Menschen nahe komme, denkt er nicht. "Vielleicht eher umgekehrt", sagt der 26-Jährige. Generell fotografiert er Menschen überwiegend nackt, weil das "die einzig wirkliche Uniform ist, die wir haben". Die Arbeit an "437" war spannend und intim. "Ich weiß nicht, ob ich in diesen Momenten jemanden nahe war, aber es waren Momente, die sich ehrlich anfühlten. Das war eine Gundintention."