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Dalia Ahmed

Schaut gern Sachen im Internet und Leute auf der Straße

14. 7. 2015 - 13:10

Don't Spoil This for Me

Obligatorischer Spoileralert. Weiterlesen auf eigene Gefahr.

Kaum etwas, das mich weniger interessiert als Sport. Das höchste der Gefühle ist bei mir schon erreicht, wenn ich mir die lustigen Gesichter der Turmspringer bei den Olympischen Spielen anschaue. Wegen dieser Leibesübungsabneigung ist es für mich nicht ungewöhnlich, dass ich absolut keine Ahnung hatte, dass gerade das große Links-Rechts-Schauen aka Wimbledon war. Ich hätte es wahrscheinlich auch überhaupt nicht mitbekommen, wenn nicht Kit Harington und seine perfekten Löckchen gewesen wären.


Hier das zweite Mal in kurzer Zeit, dass Kit Harington was mit Wimbledon macht

Wenn man heute einen neuen Knigge schreiben würde, gäbe es mehrere Kapitel, die sich der Etikette beim Umgang mit Internetzeugs (der Knigge 2.0 hätte sicher ein schöneres Wort dafür) widmen. Da stünden so Sachen wie "Man kommentiert nicht ’first’ unter Youtube-Videos", "Man schickt nicht unaufgefordert Nudes" und "Man spoilt nicht" drinnen. Auf den letzten Punkt bezieht sich auch die Causa "Kits Locken". Denn als der Jon Snow-Darsteller mit der Frisur seines Game of Thrones Charakters in der Öffentlichkeit auftauchte, wurden viele stutzig.

Schwarze Locken + Wimbledon = Spoiler

Normalerweise trennen sich Serienstars von ihren langjährigen Serienfrisuren, sobald sie sie nicht mehr tragen müssen. In dem Moment, in dem Jennifer Aniston zum Beispiel aus dem Flugzeug stieg, war der "Rachel" weg und Will Smith werden wir wohl auch nie wieder mit perfekt getrimmtem Hi-Top Fade sehen. Also warum trägt Kit Harington noch immer die schwarze Lockenpracht? Does Jon Snow know nothing about barbershops oder wird Ollys ganze Verräterarbeit nächste Staffel zunichte gemacht?

Wir leben in einer Zeit, in der die Frisur eines Serienschauspielers auf den Tribünen eines Tennisturniers als Breaking News gehandelt wird. Und ich finde, genau das ist es, was unsere Zeit so glorreich macht. Gleichzeitig zeigt es auch die Dualität unserer Serienjunkie-Psyche auf. Zum Einen wollen wir immer alles wissen, am besten schon vier Staffeln bevor es passiert, aber gleichzeitig schreien wir panisch "NICHT SPOILERN, ICH HAB DAS NOCH NICHT GESCHAUT", wenn jemand auf die eine Dallas-Folge zu sprechen kommt. Es ist, als würde unser Leben davon abhängen, von genau dieser einen Wendung nichts zu erfahren.

Kunstaktion in der New Yorker Ubahn: Spoiler Alert

Jason Eppink / flickr.com/photos/jasoneppink

Warum sind wir so hysterisch?

Kaum ein größeres Delikt heutzutage, als etwas nicht gesehen zu haben - "Was? Du hast … noch nicht geschaut?!?!?!" - oder, noch schlimmer, einen Twist zu spoilern. Ihr glaubt mir nicht? Postet einen Facebook Status in dem ihr irgendwas über den Handlungsverlauf der nächsten True Detective-Folge erfindet und seht dabei zu, wie eure Wall zu brennen beginnt.

Ich verstehe schon, dass das wöchentliche Serienschauen oder staffelweise Nachschauen von etwas Altem ein riesiger Spaß für Groß und Klein ist. Aber wenn beim netten Beisammensein zehn Leute die Folge schon gesehen haben und man selber nicht, sollte man entweder das Feld räumen, während sich über den verrückten Cliffhanger ausgetauscht wird, sich die Ohren zu halten und die Titelmelodie der besprochenen Serie summen oder einfach mal den Spoiler über sich ergehen lassen. Es ist zwar schwer, aber man kann - glaubt mir - das gespoilt werden überleben. Und wenn es um Serien/Filme/Bücher/ Omas Kreuzworträtsel von vor 2014 geht, dann liegt meiner Meinung nach die Bürde des Nicht-gespoilt-Werdens eindeutig beim Spoilee und nicht dem Spoiler.

Ich weiß noch, als ich ein paar Tage vor der Hochzeit meiner Tante Red in einem Lokal saß und mir der Kellner eine Buchstabensuppe brachte. Die Teigbuchstaben schwammen in der Suppe herum, bis sie sich plötzlich zu "Kevin Spacey ist Keyser Söze und hat Gwyneth Paltrows Kopf in die Schachtel getan" formierten. Ich war so erschrocken, dass ich den Stevia-Süßstoff neben mir umstieß. Alle Köpfe im Lokal drehten sich blitzartig zu mir um, sogar der vom Typen, der eben noch die Soylent Green-Nährwerte auf der Verpackung genau studierte. Die unangenehme Stille wurde von Journeys "Don’t Stop Believing" unterbrochen, das der Geist vom die ganze Zeit tot gewesenen Bruce Willis in den Wurlitzer eingab, bevor er Richtung Türe schaute. Aber ich konnte das Lied nicht richtig hören, weil sich am Nebentisch ein asthmatischer Mann mit seinem ein-armigen Sohn stritt. Ich wollte nur mehr weg, legte einen Geldschein mit dem Gesicht von Präsidentin Meyer und einen mit dem von Präsident Underwood auf den Tisch, schnappte meinen heiß geliebten Schlitten "Rosebud" und lief aus dem Lokal. Als ich jemanden "Don ist dick" rufen hörte, drehte ich mich um und sah, dass sich vor mir die Freiheitsstatue auftat. Ich fiel auf die Knie und verstand plötzlich, dass das Lokal immer schon eine Insel war, die auch irgendwie der Himmel ist. Das war mir alles zu viel, deshalb ging ich in den Wald, um Holz zu fällen.