Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "All is full of love"

Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

12. 7. 2015 - 13:57

All is full of love

Björk in Perfektion am Pohoda Festival

Es beginnt ganz ruhig. Pünktlich um 20.00 geht ein fünfzehnköpfiges Streichensemble in Stellung, Manu Delago und ein Elektroniker - ist es The Haxan Cloak mit weniger Bart? - nehmen an Schlagzeug und Laptop Platz, kurz darauf betritt Björk die große Bühne des Pohoda Festivals. Sie trägt ein lila Kleid mit Schärpe und eine glitzernde Maske über dem Gesicht. Sie wird sie das ganze Konzert über nicht abnehmen, aber Tee und Wein nippen durch den Freiraum, der ihr zum Atmen bleibt, das geht.

Björk beim Pohoda Festival

Tibor Bachraty / Pohoda Festival

Mehr Fotos vom Konzert gibt es hier.

Björks aktuelles Album "Vulnicura", erschienen vor wenigen Monaten, ist eine ihrer besten Arbeiten. In unendlicher Ruhe und Sanftheit verhandelt sie darauf das Zerbrechen einer Liebe und lotet die Tiefen und Uneindeutigkeiten menschlicher Gefühle aus. Am Ende geht es um so einfache Fragen, wie sie etwa "Stonemilker" stellt, die erste Albumsingle und gleichzeitig Eröffnungsnummer der Nacht:

Who is open
And who has shut up
And if one feels closed
How does one stay open?

Björk rudert mit den Armen und wiegt sich wie ein Grashalm im Wind, die Streicher halten auf magische Weise einen überirdischen Takt. Auf der Leinwand paaren sich riesige Insekten und hinter der Bühne geht die Sonne in Rosa und Violett unter.

Blumen beim Björk Konzert am Pohoda Festival

Martina Mlčúchová / Pohoda Festival

Björk singt "Family", ein Schlüsselstück auf "Vulnicura", und mit einem Mal werfen die Besucher hunderte Blumen in Richtung Bühne. Es ist eine der liebevollen, kleinen Aktionen, die sich das Pohoda Festival ausgedacht hat und die so viele Besucher hier zu jahrelang regelmäßigen Gästen und Freunden machen.

Danach wird es elektronischer. Björk zeigt mit alten Songs wie "Army of me" oder "Where is the line?", wie unglaublich visionär sie bereits vor zwanzig und zehn Jahren gearbeitet hat. Ein Raunen geht durch die Menge, und wer eingangs noch Zweifel hatte, ob Björk all die Wunderlichkeiten ihrer Musik in eine wenn auch ebenso wunderliche, aber eben auch mitreißende Liveshow übersetzen würde können, ist nun überzeugt. Das Publikum am Pohoda Festival ist, ähnlich wie bisweilen in Österreich, ein eher zurückhaltendes, allerdings muss man gerade hier aber auch ständig versuchen, überall hinzuhorchen, dem avantgardistischen Songwriting zu folgen und im gleichen Atemzug zu verarbeiten, was da zwischen Blumen, Feuer, Riesenbjörks auf der Leinwand und der kleinen herumhopsenden Björk vor den weißen Streichern überhaupt gerade passiert.

Björk mit Feuer beim Pohoda Festival

Miro Hudak

Am Ende steht die Jahrhundertnummer "Hyper-Ballad", es schießen Feuerbälle über die Bühne, während am Himmel ein Feuerwerk aufgeht. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass eine Welt, in der eine so eigensinnige und bahnbrechende Frau zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart zählt, vielleicht doch noch nicht völlig verloren sein kann. Man muss kein Björk-Fan sein, damit einem am Ende dieses Konzerts endgültig das Herz überfließt, man müsste im Gegenteil aber eines aus Stein besitzen, damit das nicht passiert.

What is it that I have
That makes me feel your pain
Like milking a stone

Feuerwerk bei Hyperballad

Tibor Bachraty / Pohoda Festival

"I go through all this before you wake up, so I can feel happier, to be safe up here with you"