Erstellt am: 23. 7. 2015 - 15:17 Uhr
Toilett-Artikel
Es gibt zahlreiche Ankündigungs-Arten für den Toilettenbesuch. In feudalen Zirkeln "entschuldigt man sich kurz" oder "macht sich frisch", in etwas roheren Kreisen geht man scheißen, Kichermädchen besuchen die Pipibox, besonders Verklemmte müssen "mal schnell wo hin" und mancheiner steht einfach auf und eilt wortlos zum nicht immer stillen Ort. Man kann auch einfach sagen: "Ich geh schnell aufs Klo." Niemand wird davon einen Herzkaspar bekommen oder schreien: "Igitt! Diese Bilder!"
Tatsächlich igitt sind viele jener Bilder, die in Restaurants die Herren- und Damentoiletten kennzeichnen sollen. Zusehends bröckelt auch eine der letzten Bastionen des angenehm Unoriginellen. Kündigten seit Generationen ein Herr mit Gehstock und Zylinder sowie eine Dame im wallenden Sonntagskleid die geschlechterspezifischen Häusln an, begeistern sich immer mehr Wirte für zwei neue Genres in der Klo-Beschriftung: Die witzige und die unverständliche.
Gar nicht witzig finden es Damen, wenn sie von Herren beim Sich-Frisch-Machen ertappt werden, doch das geschieht zuweilen ohne voyeuristische Absicht, wenn die unverständliche Toiletten-Beschilderung in die Irre führt.
mc
Ein Kaffeehaus am Schottentor deutet auf den Häusltüren mit Mosaiksteinen eine männliche und eine weibliche Silhouette an, die sich nur bei genauem Studium unterscheiden, dabei aber keine Rückschlüsse darauf zulassen, welche denn nun gemeint ist.
Ein beliebtes Tanzlokal kennzeichnete die Toiletten für kurze Zeit mit einer Bierflasche, die ausgeleert wird (Damen) und einer zweiten, die ebenfalls ausgeleert wird, allerdings etwas angewinkelt (Herren). Entweder die Spaß- oder die Verwirrungspolizei hat hier glücklicherweise schnell eingegriffen.
Bei einem Japaner in München stand ich einmal ratlos vor Tor eins, Tor zwei und Tor drei, weil "Mann", "Frau" und wahrscheinlich "Rollstuhlfahrer" mit landestypischen Logogrammen dargestellt wurden. Da haben es die Schlitzohren mit der Authentizität am Abort heftig übertrieben.
Im Web entscheidet die Überschrift über Leben und Tod*
Wobei Lokale mit Behindertentoiletten grundsätzlich ein Garant für unoriginelle Klo-Piktogramme sind: Ein Comic-Herr mit schmerzverzerrtem Gesicht und eine Comic-Dame, die genießerisch Wasser lässt, gehen sich pc-technisch noch halbwegs aus. Doch beim Rollstuhl-Symbol wandelt man lieber auf bewährten Pfaden. Ein karrikierter Behinderter, der sich mit Haltegriffen quält oder nicht zur Spülung langt, ist den Gastronomen dann doch zu heiß. Also werden, den Stilbruch vermeidend, beim Vorhandensein einer Behindertentoilette immer alle drei WCs konservativ beschriftet.
mc
Damit habe ich alles gesagt, was ich schon immer über Toiletten sagen wollte. Wie ich deren Besuch für gewöhnlich gestalte, soll hier nicht weiter erörtert werden. Nicht, weil ein Bericht über meine Vorlieben beim Stuhlgang allzu viele anrüchige Details beinhalten würde - weder jodle, speise, noch töpfere ich am Klo. Vielmehr berührt es kein wirkliches Tabu mehr, den Kot zu erörtern. Charmante Därme in Hausbibliotheken, Mittagspausengespräche zum Thema "Falter oder Knüller?", Stuhl-Täfelchen im Körperoptimierungs-TV oder offene Toiletten in Luxushotels - ein Tabu ist das Detailgeschehen am Häusl schon längst nicht mehr.
Offene Toiletten in Luxushotels?
Ja. Ich dufte im Rahmen meiner Existenz bisher dreimal in Fünf-Sterne-Hotels übernachten. In gleich zwei davon waren Dusche und WC nur durch einen Plexiglas-Streifen vom Schlafbereich getrennt, im Doppelzimmer wohlgemerkt. Unten sah man die Schenkel des Scheißenden respektive Duschenden, oben weite Teile des Rumpfes. Meine Idee von Luxus ist es nicht, sich Klozeiten ausmachen zu müssen. Ich vermute aber, dass meine Erfahrungen nicht repräsentativ sind und nicht wirklich zwei Drittel aller teuren Hotels mit zu viel Intim-Transparenz aufwarten.
Man könnte einwenden, dass zwar ein nicht abgetrenntes Klo akustisch wie olfaktorisch kein innenarchitektonischer Burner sein mag, dass eine partiell einsehbare Dusche nun aber kein allzu gewichtiges Problem beim Flittern oder bei Geschäftsreisen darstellen muss. Ich widerspreche: Die Körpersäuberung ist ein größeres Tabu als die Scheißerei. Man schämt sich zwar nicht dafür, wenn man sich täglich wäscht, gibt aber auch kaum Details der Badezimmer-Routine preis.
Gewalt, Tiere, Prominenz, eine Prise Erotik und kindliche Verniedlichungen: Das ist das beste Gemisch, aus dem sich eine Überschrift formen lässt*
Das wurde mir bewusst, als sich kürzlich eine heitere Runde bei Herrn und Frau Wurm einfand. Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf kamen, aber irgendwann erwähnte Herr Wurm, dass er keinen Duschvorhang besitze.
Daraufhin gingen wir ins Badezimmer und sahen seine Aussage bestätigt. Kein Duschvorhang! Und schon führte er im Detail vor, wie sein morgendliches Waschritual aussieht. Die Verrenkung, die er halb sitzend, halb liegend demonstrierte, um seinen Body andeutungsweise zu reinigen, erschienen den anwesenden Freunden des stehenden Brausens grotesk! Wie ein Käfer wand er sich in der Badewanne, um den fiktiven Wasserstrahl an die privaten sowie öffentlichen Stellen seines Körper zu führen.
Schließlich zeigte er uns noch, wie es nach dem ungemein umständlichen Duschen für gewöhnlich weitergeht. Er trocknet den Körper gründlich, die Haare aber nur ein bisschen, und kämmt sich dann beim Zähneputzen permanent sein Haupt. Kämmen und putzen, für Herrn Wurm eine untrennbare Bewegungskombination.
Die Leserschaft ist nun bestimmt sehr gespannt, wie denn Frau Wurm ihre Körperpflege vollzieht. Ich will es verraten: Sie badet. Immer. Täglich. Mit großer Leidenschaft.
Tägliches Baden! Eine Horrorvorstellung!
Wannenbäder sind wie Strandurlaube: Man freut sich drauf und ist dann bitter enttäuscht. Meinem aufgeschwemmten Körper stundenlang beim Aufgeschwemmtsein zuzusehen, um dann einen Kreislaufzusammenbruch zu erleiden, ist nicht meine Idee von Wellness. Außerdem weiß ich nie, was ich in der Badewanne tun soll. Lesen? Handyspielen? Viel zu groß ist meine Angst vor einem Kreislaufzusammenbruch - ich könnte das Bewusstsein verlieren und Buch oder Handy im Wasser zerstören. Nachdenken? Geht nicht, weil das Treiben in der heißen Seifensuppe den Scharfsinn dimmt. Zu zweit baden? Überschätzt! Sex in der Badewanne: Forget it.
Nein, Duschen heißt das Gebot!
mc
Auch ich führte den Wurms mein Duschritual vor. Es ist leider kein dramaturgischer Kracher, höchstens ein Tischfeuerwerk. Interessant ist nur ein Detail: In meiner Kindheit war an den Fliesen der nassen Kabine keine Aufhängemöglichkeit für den Duschkopf installiert. Also musste man ihn selbst über sein Haupt halten. Heute habe ich sehr wohl die Möglichkeit, freihändig zu duschen, habe mir jedoch die Angewohnheit beibehalten, eine Hand permanent leicht angewinkelt nach oben zu strecken, ungefähr so wie der eine Inder aus dem Guinness-Buch der Rekorde, der das schon seit Jahrzehnten macht. Das habe ich bei besagter Wasch-Konferenz im Hause Wurm glaube ich zum ersten Mal jemandem erzählt.
Menschen screenen Überschriften sehr oft und nehmen dabei nur das erste und die letzten drei Worte wahr. Mit sechs Wörtern hast du gute Chancen, dass deine ganze Headline gelesen wird*
In den letzten Wochen würze ich jede weitere Unterhaltung mit der Frage nach den Dusch-Details. Stets wurde die Stimmung kraft meiner geschickten Moderation gehoben, weil kaum jemand darüber spricht, aber jeder schnell erkennt, wie interessant das Thema ist.
Das Ergebnis meiner Recherche lautet, dass die meisten Befragten sehr festgefahrene, zuweilen höchst ungewöhnliche Morgenroutinen im Bad vollziehen.
Manche legen sich das Gewand zuvor schon auf die Waschmaschine, manche wählen es erst danach nackt aus. Die Zähne werden vor, nach und auch während des Duschens geputzt. Viele duschen sehr lange, bis zu dreißig Minuten, andere nur ganz kurz und am Ende eiskalt, um das müde Herz zu stimulieren. Eine Befragte nimmt ihren Kaffee ins Badezimmer mit, eine hört immer, seit Jahren, die selben fünf Songs. Für das Polieren der Perlen in der Leibesmitte nützen die einen die blanken Hände, manche einen Waschlappen, andere wieder den Sportstrahl, sofern ihr Duschkopf über dieses empfehlenswerte Feature verfügt. Ein kürzlich Interviewter macht "es" äußerst seltsam: Er streckt zuerst nur den Schädel in die Wanne und wäscht sich die Frisur, trocknet die Haare, steigt dann erst zur Gänze rein und wäscht gesondert den Restkörper. Seine Begründung lautete, dass er das Gefühl nicht erträgt, dass Haar-Verunreinigungen auf den Körper gepült werden. Eine andere Dusch-Gesprächspartnerin muss zwanghaft die Türe ihres Badezimmers absperren, obwohl sie alleine wohnt. Gleich zwei Einvernommene gaben an, sehr gerne ausführlich vom Duschstrahl zu trinken.
Am ärgsten trieb es in dieser Hinsicht eine liebe Kollegin, die sich eine Zeit lang mit dem Duschstrahl hingebungsvoll und ausführlich das Zahnfleisch massierte, bis es ihr schließlich zu fad wurde. Stichwort Reizabstumpfung.
Diskretion ist die tragende Säule meines Schaffens, deshalb würde ich natürlich nie erwähnen, welche Kollegin mir diese pikante Info zugesteckt hat. Dennoch sei mir der Hinweis erlaubt, dass die Morningshow- und Connected-Koryphäe einen Nachnamen mit nur drei Buchstaben hat, von denen gleich zwei ein E sind. Mehr verrate ich aber wirklich nicht.
Reizwort Seife: Während etliche nur die Achseln und ihre Liebeswerkzeuge einseifen, gönnen Einzelne dem ganzen Körper eine Lasur. Niemand aus meinem Befragungs-Sample benutzt diese seltsamen Einseif-Schwämme.
Nur ganz wenige seifen ihre Füße gesondert ein, so zum Beispiel Herr Wurm, der mich erst auf mein neues Umfragehobby brachte, dessen Ergebnisse hier zu Gänze auszuführen und mit bunten Balkendiagrammen auszuwerten den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würden, der gefühlsmäßig nun ohnehin schon eine unzumutbare Länge zu erreichen droht, weshalb ich ihn jäh beende, leider ohne Schlusspointe, aber mit der Anregung an die Leser, doch öfter mal aus dem Badezimmerkästchen zu plaudern!
P.S.
Beim Gewinnspiel Theaterbesuch mit Marc haben Anna und Dalida gewonnen. Sie waren auch die einzigen Teilnehmerinnen. Im September werde ich also gleich zwei Theaterbesuche absolvieren und wie gewohnt in Schönschrift darüber berichten.