Erstellt am: 11. 7. 2015 - 09:17 Uhr
Sommer in Wiesen: Harvest Of Art
Im Sommer nach Wiesen im Nordburgenland zu fahren, das ist für einige von uns ein liebgewonnenes Ritual. Unzählige Bands gesehen an der wohl legendärsten Festival-Location in Österreich, aber jedes Mal wieder gerne dort, vor allem seit es das Harvest Of Art Festival gibt, ein Tages-Festival mit Bands und Songs im Mittelpunkt, das durch seinen entspannten Vibe perfekt ist für alle unter uns, die schon auf all zu vielen Festivals waren in ihrem Leben, aber auch passend für EinsteigerInnen, denen Hektik und schiere Größe anderer Musikfestivals vielleicht etwas zu viel sind. Der Rahmen ist also ein nahezu perfekter, das Wetter dieses Mal ebenso - keine Gluthitze mehr, sondern ein richtig angenehmer sonniger Tag, und am Abend da wird's am Land ja angenehm kühl, also Westerl einpacken, Sonnenbrille, Wasserflasche, viel Freude im Herzen und los geht's.
Inner Tongue am Harvest of Art Festival
Und doch erwisch ich nur das Ende vom Auftritt von Inner Tongue. Der junge Österreicher, den eine geheimnisvolle Aura umgibt, eröffnet das Harvest Of Art um halb drei Uhr nachmittags. Sein Sound, hochprofessionell und leidenschaftlich, Indiepop und Elektronik, mit kompletter Band. Sehr schön, sagt FM4-Redakteurin Nina Hochrainer, die Inner Tongue zum Interview trifft, als ich noch im Stau auf der Autobahn von Wien ins Burgenland stecke. Inner Tongue passte gut als Eröffnungs-Act, mit noch nicht vielen Menschen vor der Bühne, wie das eben ist zur frühen Stunde eines Festivaltages. Dennoch nehmen Besucherinnen schon aktiv Notiz von diesem jungen Mann, den wir ruhig "Ausnahmetalent" nennen dürfen.
Aus Österreich kommt Inner Tongue, irgendwo aus der Provinz, wo genau, das möchte er nicht verraten, auch seinen Namen nicht, weil das schlicht und einfach nicht wichtig ist. Eine Vision hat Inner Tongue, dieser Mann mit dem Prinz-Eisenherz-Haarschnitt, und er war damit schon auf Tour in Deutschland - eingeladen von Konstantin Gropper und seiner Band Get Well Soon. Solche "Fürsprecher" zementieren den noch jungen Ruf dieses Musikers, der in London und New York aufgenommen hat, im Dunstkreis von MGMT etc. Aber lassen wir das Name-Dropping, Inner Tongue stehen für sich und eine gute Zukunft.
Als nächster Künstler am diesjährigen Harvest Of Art betritt ein gewisser Nathaniel Rateliff die nachmittägliche Bühne. Nathaniel ist ein sympathischer Singer/Songwriter, der Jack White zu seinen Bewunderern zählt, und in Denver, Colorado, also in der Stille der Rocky Mountains, lebt, wo es dennoch eine gewisse Urbanität gibt. Ein perfektes Umfeld für den Mann mit Rauschebart, Hut und den vielen Tattoos. Nathaniel Rateliff spielt am Harvest Of Art ganz alleine, ohne Band - im Gegensatz zu Inner Tongue, der live eine Band hat. Nathaniel Radliffes Konzert war nett. Aber wenn man streng ist, ganz so viel ist nicht hängen geblieben von seinem Auftritt. Aber für ein first time in Österreich hat das schon gepasst.
Nathaniel Rateliff am Harvest of Art Festival
Curtis Harding am Harvest of Art Festival
Bühne frei für Curtis Harding. Auch dieser US-Musiker ist noch kein household name. Eigentlich wollte Curtis, der aus Atlanta, Georgia, im tiefen Süden der USA kommt, ja Meeresforscher werden, Ozeanologe, aber dann ist er doch Musiker geworden. Gute Entscheidung. Langsam füllt sich nun die Fläche vor der Harvest-Of-Art-Bühne, während dieser old-school Soul-Shouter einen guten Anheizer macht: zwei Gitarren, Bass, Drums und Stimme. Könnte Brit-Star Paul Weller - der kürzlich in der Wiener Staatsoper war - gefallen. Manchmal klingt Curtis wie Paul, was wohl daher kommt, dass Weller ein großer Fan des alten US-Soul ist, aus dem auch Curtis Harding schöpft. Covers spielt dieser Mann auch, etwa "Ain't No Sunshine", einen alten Soul-Klassiker von Bill Withers. Curtis Harding schüttelt noch das Tamburin und verabschiedet sich. Hübsch.
Nada Surf am Harvest of Art Festival
Kurz nach 18.00 betreten Nada Surf dann die Bühne. Das Powerpop-Trio aus New York ist ja nun ein Quartett, was ihnen gut steht. Die "power" im Gitarrenpop verstärkt sich dadurch. Doug Gillard ist dieser vierte Mann, der Nada Surf komplett macht. Doug - an der Lead-Gitarre - spielte etwa bei den US-Indierock-Heroen Guided By Voices. Nada Surfs letztes Album liegt schon ein paar Jahre zurück und bekam etwa in Großbritannien tolle Kritiken. Nach all den Jahren - die Band gibt es seit Mitte der 90er Jahre - sind Spielfreude, Sound, und die Songs an sich nach wie vor intakt. Die Dreadlocks von Bassist Daniel Lorca bändigt ein festes Tuch, Drummer Ira Elliott wirkt fröhlich backstage vor dem Konzert, während Daniel Lorca ebendort kurz am Bass sich einstimmt und grummelt, "Wir haben ewig nimmer zusammen gespielt". Egal, diese drei Freunde und Musiker finden unmittelbar wieder zusammen, sobald sie eine Bühne betreten. "We haven't been on a stage together in a long time", meint Sänger/Gitarrist Matt Caws: "Thanks for coming for our return!" Intelligenter Indierock forever. Matt Caws, zuletzt solo und zusammen mit der US-Musikerin Juliana Hatfield (Blake Babies) auf Tour, genießt diese Nada Surf Reunion sichtlich, während Daniel Lorcas Bass wummert und der in Weiß gekleidete gebürtige Spanier - der Rockstar in der Band - so tut, als ob er das Instrument nie zur Seite gelegt hätte: "Happy Kid" vom 2002er Album "Let Go" steht an.
Applaus für Nada Surf. "Thank you, friends", meint Matt Caws. Ja, Freunde sind wir Indierock-Afficionados und diese Band ja längst geworden. Matt: "I like playing music". Dan: "I like being in Austria." Es folgt "Jules And Jim" vom letzten Nada-Surf-Album: "I get lost in my mind when you go to sleep", singt Matt Caws, dieser Alternative-Pop-Intellektuelle aus New York. Perfekte Musik für den Sonnenuntergang, der nimmer gar so weit weg ist. Nada Surf, das steht für ewig währende, herzerwärmende Lieder. "Always Love" - barfuß tanzen vor der Bühne, auch wenn man vielleicht von dieser Band noch nie etwas gehört hat. Wer schönen Gitarrenpop liebt, muss Nada Surf lieben. Neue Songs gab es am Harvest Of Art noch keine zu hören, aber ein neues Album der Band ist in Sicht. "Popular", jenen Hit, dem Nada Surf ihre Karriere verdanken, hängen sie natürlich noch hinten dran ans Set, und "Fuck it, let's have a party!" heißt es dann noch. Der Abend ist hiermit offiziell eröffnet.
Aber, so sagt Freund K., auch LiebhaberInnen der alternativen Musik, brauchen eine Art "Bierzelt". Damit ist die nächste Band am Harvest Of Art gemeint, Wanda, eine der beiden österreichischen Überflieger-Bands am Festival - neben den Headlinern Bilderbuch. Tststs, sag ich zu Freund K., wenn das ein Bierzelt ist, dann ist's ein gutes, auch wenn eure Autorin hier bisher nicht ganz auf Wanda reingekippt ist - was keineswegs die Schuld dieser Band ist - hat das Publikum dann bestens im Griff. Funktioniert toll, Respekt für Wanda, die die Bühne betreten und sogleich eine gewisse Star-Aura versprühen, so wie einst, ja, sagen wir mal, Oasis die Bühne betreten haben. Was für ein weit hergeholtes Bild, kann man nun sagen, nein, gar nicht so weit hergeholt. Da ist etwas in der Musik von Wanda, ihrem Spielen, das etwas hat, ein gewisses Etwas, das man braucht, um als Band zu reüssieren. Applaus und ran an die Bühne!
Wanda am Harvest of Art Festival
Ich warte auf Belle And Sebastian, die gleich nach Nada Surf vielleicht besser gepasst hätten als nach Wanda. Aber anyway, jetzt sind sie dran: Belle & Sebastian aus Schottland. Stuart Murdoch und sein leidenschaftlich verehrtes Art-Pop-Kollektiv.
Sonne, Umarmungen, Hängematten
Belle And Sebastian spielen samt Streichern - aus Österreich. Weitere Strings und auch Bläser kommen via Keyboard daher. Ich hab, Schande über mich, Belle And Sebastian live bisher nie gesehen - es hat sich einfach nie ergeben -, und darum hab ich jetzt auch gar keinen Vergleich ihre heutige Live-Show betreffend, obwohl der Moment, als ich diese Band vor 15 Jahren das erste Mal im britischen Radio hörte - mit dem Song "Lazy Line Painter Jane" - für immer und ewig einer meiner zärtlichsten und wertvollsten Musikmomente sein wird.
Die Belle And Sebastian Show ist längst in Gang, ich aber vertratsche mich hinter der Bühne – so etwas passiert hin und wieder bei Festivals -, und steige erst ein bei "Funny Little Frog". Sehr hübsch kommt der Song "Lord Anthony" herüber, gefolgt vom ebenfalls superhübschen "My Wandering Days". Nach einem alten Song aus dem Jahr 96 fragt jemand im Publikum, nein, nein, winkt Stuart Murdoch ab, haben wir nicht im Programm. Dieser Indie-Pop Minstrel mit Hut und weißer Hose singt in "Wandering Days" von einem circus boy, der sich melancholisch fühlt. Belle And Sebastian haben einen guten Drive, einen guten Groove hier am Harvest Of Art, aber sie strahlen auch etwas Märchenhaftes aus. Sehr schön. "Let's have a Dance!", meint Stuart Murdoch, denn, so sagt er, wer weiß, wann Belle And Sebastian wieder in Österreich spielen werden. "Simple Things" steht an. Applaus für den Belle-Klassiker "The Boy With The Arab Strap". Stuart Murdoch - mittlerweile am E-Piano sitzend - auf der Bühne nun umgeben von tanzenden Menschen aus dem Publikum. Noch schöner. Aber alle guten Dinge haben ein Ende, so auch dieses Konzert. Mit den Worten "It's been a beautiful night for us here!" verabschiedet sich Stuart Murdoch.
Einen Song haben Belle And Sebastian noch: "Sleep The Clock Around", wieder ein Klassiker der schottischen Band. "Hopefully, it doesn't put you in a sleepy mood!", meint der Belle-Mastermind noch. Ach was, wer ist hier sleepy, verträumt vielleicht an diesem Juli-Abend, aber gleich werfen wir ja eine "Machin" an. Bilderbuch, die Headliner dieses Abends, schüttet das Harvest-Of-Art-Füllhorn ja noch aus über uns.
Wanda oder Bilderbuch? Blöde Frage. Wie einst diese Frage "Blur oder Oasis?". Ich muss mich dennoch entscheiden und sag "Bilderbuch!", schon allein deswegen, weil ich die Band vor etwa sieben Jahren bei einem kleinen Festival in Golling bei Salzburg erstmals live gesehen habe: "Hallo, ich bin der Maurice", sagte damals ein junger Mann, "und unsere Band heißt Bilderbuch". Der Rest, ja, der ist inzwischen Geschichte. Habt ihr heute schon einen Soft Drink konsumiert? Einer Messe beigewohnt? Lassen wir uns von Bilderbuch doch mit dem Käscher fangen. Rockmusik am Höhepunkt der Zeit mit einem hervorragenden Gefühl, was Dramaturgie betrifft. Viel wurde zuletzt gesagt über Bilderbuch, ich hab dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Schauen wir uns also einfach die Bilder an vom Bilderbuch-Auftritt am Harvest Of Art!