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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 7. 2015 - 15:15

The daily Blumenau. Friday Edition, 10-07-15.

Zeit für den sportlich gerade so erfolgreichen ÖFB gesellschaftspolitisch endlich aus den kurzen Hosen herauszuwachsen?

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Eine rein sportliche Nachlese zur U19-EM (unter Bezugnahme auf die U20-WM und die U17-EM) erfolgt nach dem Turnier. Da ist nämlich einiges aufgelaufen.

Es war durchaus ungerecht, das Remis gegen die griechischen Gastgeber gestern Abend: die österreichische U19 bot nämlich eine durchaus ansprechende Leistung, dominierte dieses Gruppenspiel bei der Altersklassen-Euro und hätte einen guten Schritt in Richtung Semifinale machen können. So kam neben einigem Unvermögen im Finalisieren der Torchancen auch Pech (Holztreffer, ein reguläres, aber aberkanntes Tor) dazu.

Obwohl: Pech gibt es bekanntlich keines.
Maximal schlechtes Karma.
Und für das hatten die 18-Jährigen bereits vor Anpiff gesorgt: von einer Heimat ausschließlich großer Söhne sangen die jugendlichen Teamspieler, tonal schön falsch und inhaltlich auch ganz falsch. Und schon auch so, dass man sich ein bisserl genieren musste für eine Repräsentanz, die es nicht schafft, eine gesellschaftliche Realität umzusetzen.

Nun lässt sich das nicht ein paar Jung-Kickern zum Vorwurf machen. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, einer Gruppe von angehenden Hoffnungsträgern oder zukünftigen Profis bei langen Zugfahrts-Gesprächen zu folgen, der weiß: das gesellschaftliche oder gar politische Bewusstsein dieser Elite-Gruppe übersteigt im Regelfall nicht das eines Himbeerstrauchs. Wie auch: wer sich mit 12, 13 oder 14 auf den Weg in eine Profifußball-Karriere macht, ordnet einmal all sein Denken diesem Ziel unter. Selbst Kicker wie Peter Hackmair (einst U20-WM-Vierter) wurden diesbezüglich erst gegen Ende oder nach ihrer Karriere denkfit.

Mitzudenken haben jene, in deren Obhut sich die Jungen befinden, Betreuer, Coaches und andere Verantwortliche, in den Akademien, den Vereinen und letztlich dann (wenn's um die nationale Repräsentanz, die internationale Vertretung geht) im ÖFB. Dort wird die Philosophie vorgegeben, dort werden die Standards gesetzt, dort wird reguliert. Darauf wird dann (Stichwort: Disziplin) auch gerne hingewiesen, wenn es sich um alte Männerrituale handelt - im gesellschaftlichen Bereich, für den der ÖFB als nationaler Trägerverband eine definitive Verpflichtung hat, hingegen wird es gern schwammig.

Lieber bunkert man sich hinter einem offen homophoben Coach ein, als sich seiner Verantwortung auch in diesem Bereich zu stellen. Mitgetragene Kampagnen erweisen sich allzu oft als Sonntagsreden ohne praktische Umsetzungs-Anbindung. Da kommen dann öffentliche Gesten populistischer Trittbrettfahrer, die sich mit Gleichheitsgrundsätzen so schwer tun, dass sie sich in eine kindliche Fantasiewelt (und in ihre eigenen Volksschulzeiten) zurückziehen, durchaus recht.

Um somit aufs Hymnen-Beispiel zurück zu kommen: der ÖFB vertritt nicht nur die Auswahlmannschaften der Buben und Männer aller Altersklassen, sondern auch die der Mädchen und Frauen. Er richtet nicht nur den Cup-Bewerb der Herren aus, sondern auch den der Frauen; und auch die Meisterschaft. Seine neun Landesverbände unterrichten und bilden Buben wie Mädchen aus. Der ÖFB vertritt alle fußballspielenden Österreicherinnen und Österreicher.

Der ÖFB traut sich aber nicht, sich dazu zu bekennen.
In der Frage der Hymne druckst die Führung herum, "überlässt" die Handhabung dem Einzelnen.

Ein derartiges gesellschaftliches Drückebergertum steht Verbänden von demokratiefernen Nationen sicher gut an. Für ein westliches Industrieland mit klaren Gleichstellungs-Gesetzen ist es eine Schande. Die Schweizer Nachbarn etwa oder der DFB (in gesellschaftlichen Fragen immer Vorreiter) hätten sich längst darum gekümmert, dass die österreichischen Vertreterinnen und Vertreter bei jedem internationalen Auftritt die großen Töchter und Söhne besingen.
Justament.
Um ein Zeichen zu setzen, auch für die ÖFB-Fußballerinnen, aktuell die Nummer 14 in Europa mit guten Chancen für eine Turnierteilnahme 2017.

Denn gerade in Zeiten der sportlichen Stärke der Herren und der großen Zufriedenheit mit den Fortschritten der letzten Jahre, aber auch in Hinblick darauf, dass sich die Ära der alten Herren, die ein Problem mit zeitgemäßen Anforderungen haben, dem Ende neigt, ist eine solche Geste auch ein Zeichen innerer Stärke.

Der ÖFB kann es sich nämlich ab jetzt leisten, ganz wie der DFB schon seit Jahren, mutig vorzugehen und Fakten zu schaffen, anstatt ängstlich auf die Reaktionen des Boulevards und der Populisten zu schielen. Die Zeit ist reif gesellschaftspolitisch endlich aus den kurzen Hosen heraus zu wachsen.