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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

9. 7. 2015 - 15:40

"Ich halte das für rechtswidrig"

Anny Knapp von der Asylkoordination über die Idee, Flüchtlinge aus dem überfüllten Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen in der Slowakei unterzubringen.

Gestern haben Unwetter die große Hitzeperiode in Österreich fürs Erste beendet. Die absurde Meldung zum Tag kam dazu aus Traiskirchen: Beim überfüllten Erstaufnahmenzentrum wurden Postbusse aufgestellt. Da sollten die Flüchtlinge, die draußen schlafen, sich bei Gewitter und Regen hineinflüchten. Weil im Haus kein Platz mehr ist.

Dann hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigt, 500 Flüchtlinge aus Traiskirchen sollen in Gabčíkovo, in einem Gebäude der Technischen Universität Bratislava, 30 Kilometer vor der österreichischen Grenze untergebracht werden. Sie habe sich mit ihrem slowakischen Kollegen Robert Kalinak auf ein entsprechendes bilaterales Abkommen geeinigt. Die Flüchtlinge sollen in der Slowakei wohnen, ihre Verfahren werden in Österreich abgewickelt.

Lage des geplanten Ausnahmezentrums für Flüchtlinge in der Slowakei

APA

Widerspricht dem Asylrecht?

"Diese Idee der Innenministerin ist wohl der sommerlichen Hitze geschuldet", sagt Anny Knapp von der Asylkoordination. So ein Vorgehen würde das Asylrecht nicht vorsehen. Bei einem laufenden Verfahren hätten AsylwerberInnen eine Mitwirkungspflicht. Außerdem müssten sie die Möglichkeit haben, Rechtsberatung in Anspruch nehmen zu können, vor allem wenn ein negativer Bescheid droht. "Die Verfahrensgarantien einerseits, andererseits die Mitwirkungspflichten werden die exterritorial untergebrachten Personen kaum erfüllen können. Wenn, dann müssten sie hin- und hergekarrt werden, was einen zusätzlichen Aufwand mit sich bringt." Abgesehen davon wird ein Asylverfahren eingestellt, wenn der/die Asylsuchende freiwillig das Land verlässt.

Illegal in der Slowakei

Die andere Frage ist, was für einen Aufenthaltstitel die Flüchtlinge überhaupt in der Slowakei hätten: "Ihr Asylverfahren läuft ja in Österreich, das heißt, sie können in der Slowakei nicht als Asylsuchende registriert werden. Über ein Aufenthaltsrecht verfügen sie aber auch nicht", sagt Anny Knapp. Das heißt, sie würden sich illegal in der Slowakei aufhalten und dürften sich nicht frei im Land bewegen - was einer Internierung gleichkäme, so die Asylkoordination in einer Aussendung.

Slowakei ist billiger

Auch sonst hat die Ankündigung, Asylsuchende in der Slowakei unterzubringen, Kritik ausgelöst. "Für Österreich ist das unterm Strich billiger", hat Inneministerin Johanna Mikl-Leitner heute gesagt. Diese Aussage hat Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt im Ö1-Mittagsjournal als "erbärmlich und grotesk" bezeichnet. Und Alev Korun von den Grünen kritisiert die dahinterstehende neoliberale Logik: „Dass alles ständig billiger werden muss, macht also nun auch vor Menschenrechten nicht Halt"

Das vorgesehene Gebäude in der Slowakei

APA/BMI

Das vorgesehene Gebäude in der Slowakei (Archivbild)

Bilaterale Abkommen statt EU-Quoten

Die Innenministerin hat die Maßnahme, die Flüchtlinge in der Slowakei unterzubringen, als Alternative zur fehlenden EU-Verteilungsquote dargestellt: "Unser Ziel ist eine fixe und faire Quote für alle 28 Mitgliedsstaaten. Bis dahin geht es darum, dass unsere Nachbarstaaten mehr Verantwortung übernehmen, in Form von bilateralen Abkommen." Und das betrifft nicht nur die Slowakei: Tschechien will zum Beispiel ab September 1.100 Asylsuchende von Griechenland und Italien übernehmen. Und später noch einmal 400 Flüchtlinge aus Lagern in Jordanien und Kurdistan.

Für Anny Knapp von der Asylkoordination sind EU-Quoten und das bilaterale Abkommen mit der Slowakei zwei völlig verschiedene Dinge: Bei einer EU-Quote würden die Länder das gesamte Verfahren der Flüchtlinge übernehmen und bei sich abwickeln (oder einfach die Betreuung schon anerkannter Flüchtlinge übernehmen). "Das ist aber etwas anderes, als der jetzige Vorschlag. Da sollen ja in Österreich neu angekommene Flüchtlinge exterritorial untergebracht werden. Also entweder hat das Ministerium nur Teile kommuniziert, und deswegen klingt der Vorschlag so absurd und rechtswidrig, oder es ist noch nicht mehr dahinter."

Heute Nachmittag treffen sich die Österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihr slowakischer Kollege Robert Kalinak bei einem informellen Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg, wo sie sich auch über die Details dieses Plans abstimmen wollen.