Erstellt am: 8. 7. 2015 - 16:10 Uhr
Watchlist Prekär
Die Programmiererin, die auf Werkvertrag die Programme auf Bugs durchsucht. Der Grafiker, der regelmäßig für den Verlag layoutet. Die Cutterin, die die Nachrichtensendung schneidet. Das alles sind die Gesichter von so genannten prekären Arbeitsverhältnissen, die vor allem sehr junge und höher gebildete ArbeitnehmerInnen betreffen.
Die Abteilung work@flex, die in der Gewerkschaft GPA für freie DienstnehmerInnen zuständig ist, hat jetzt eine Watchlist Prekär online gestellt. Dort können sich DienstnehmerInnen informieren oder ihre Daten in einem anonymen online-Formular melden.
APA
Systematisch ausgebeutet
"Man kann nicht pauschalisieren, aber ich würde behaupten, ein großer Teil der freien DienstnehmerInnen sind Menschen, die systematisch ausgebeutet werden", sagt Veronika Kronberger von der Abteilung work@flex der Gewerkschaft GPA.
Die Seite Watchlist Prekär bietet Informationen für diese freien DienstnehmerInnen. Zum Beispiel: Was genau macht einen freien Dienstvertrag aus - und was unterscheidet ihn von einer echten Anstellung. Aber es geht auch darum, dass Betroffene aktiv werden: "Die Seite ist dafür da, dass diejenigen, die in die Scheinselbstständigkeit gezwungen werden, die sich ungerecht behandelt fühlen und sich eine soziale Absicherung wünschen, eine Möglichkeit haben, sich zu wehren."
Anonym an die GKK
Dafür gibt es auf der watchlist-prekaer.at ein Formular, das Betroffene ausfüllen können. Den eigenen Namen muss man nicht angeben, aber den der ArbeitgeberIn und das Dienstverhältnis. Dann gibt es eine Reihe von Fragen zu beantworten, wie:
- Ich habe/hatte fixe vorgegebene Arbeitszeiten.
- Ich habe/hatte einen eigenen Arbeitsplatz mit Schreibtisch und Computer.
- Ich muss/musste meinen Urlaub genehmigen lassen.
- Ich übernehme/übernahm Tätigkeiten von jemandem, der/die bspw. in Karenz ist/war.
Diese Indikatoren zeigen an, ob es sich bei dem Arbeitsverhältnis wirklich um einen freien Dienstvertrag oder eigentlich um Scheinselbstständigkeit handelt, oder nicht. Die GPA leitet die Daten an die jeweilige Gebietskrankenkassen und die Prüfungsabteilungen weiter. Und die sehen sich dann möglicherweise gemeinsam mit der Finanzpolizei die Buchhaltung, die Spesenabrechungen, vor allem aber die Sachkosten an. Denn freie MitarbeiterInnen werden über die Sachkosten und nicht über Personalkosten abgerechnet.
"Wenn die dann feststellen, das war ein verstecktes Arbeitsverhältnis, dann stellen sie rückwirkend an", erklärt Veronika Kronberger. "Betroffene haben dann Arbeitslosenanspruch und eine Kranken- und Pensionsversicherung. Und sie können dann die Gehaltsdifferenzen, die in der Regel sehr hoch sind, nachfordern."
Zahlen fehlen
Die GPA hofft, damit vielen Betroffenen helfen zu können und außerdem zu erfassen, wie viele solcher neuer Selbstständiger es in Österreich überhaupt gibt. Denn die sind weder bei der Wirtschaftskammer noch bei der Arbeiterkammer Mitglied - sondern nur über die SVA erfasst. Und die gibt keine Zahlen heraus.
Ein richtungsweisendes Urteil: Vier ehemalige AbfallberaterInnen haben auf Anstellung bei der Stadt Wien geklagt und gewonnen. Ihr Ziel haben sie trotzdem nicht erreicht. Was bedeutet das für andere Scheinselbstständige in Österreich?
Man weiß bisher, dass Scheinselbstständige oft sehr junge oder ältere ArbeitnehmerInnen sind. Also solche, die sich am Arbeitsmarkt besonders schwer tun. Oft sind sie überdurchschnittlich ausgebildet. Die Branchen sind nicht mehr nur der Journalismus und Kunst&Kultur. Mittlerweile kommt gibt es auch im Kranken- und Pflegebereich, in der Architektur oder in der IT solche Ein-Personen-Unternehmen, wo der/die UnternehmerIn eigentlich die Arbeit einer/s Angestellten macht. "Wir wissen auch, dass die Stundenhonorare in der Regel 25 Euro brutto nicht überschreiten. Das heißt, dass unter Konditionen gearbeitet wird, unter denen bei vergleichbarem Ausbildungsniveau niemals unselbstständig gearbeitet werden würde."
Im Endeffekt soll mit der Watchlist Prekär freien MitarbeiterInnen - so sie das denn unfreiwillig sind - schnell und anonym geholfen werden, sagt Veronika Kronberger: "Wir reden hier von Betrug, von einer Verletzung des Arbeitsrechts und davon, dass keine Anzeige notwendig ist. Somit müssen sich Betroffene auch nicht exponieren, was für sie besonders wichtig ist. Weil die natürlich nicht ihren schlecht bezahlten Arbeitsplatz aufs Spiel setzen wollen, wenn sie dann gar keinen haben."