Erstellt am: 8. 7. 2015 - 10:33 Uhr
Gefangen in der Zeitschleife
Die Vergangenheit lässt uns nicht los. Je krisengeschüttelter das Hier und Jetzt wirkt, desto stärker sehnt sich eine Generation nach der anderen nach jenen vermeintlich unschuldigen Momenten der eigenen Jugend. Nach den Achzigerjahren etwa oder den Neunzigern. Als man, auch wenn die Welt draußen vielleicht ebenso knapp vor dem Zerbröseln war, noch intensiver zu spüren glaubte, analoge Sensationen aufsaugte oder sich von den Vorboten des Digitalen berauschen ließ.
Weil immer mehr dem vergangenen Teenagekick nachlaufen, dem juvenilen Fieber, der vermeintlich besten Zeit im Leben, spielen viele Clubs nur mehr verstaubte Oldies, feiern alternde Rockstars unentwegt Comebacks, kehren Fernsehserien aus früheren Dekaden wieder. Vor allem das kommerzielle Kino lebt und zehrt bekanntlich zum überwiegenden Teil von den good old times.
Sequels, Prequels, Remakes und Reboots bedienen nostalgische Sehnsüchte und versuchen gleichzeitig neue Zielgruppen zu generieren. Wir rennen wieder panisch vor Dinosauriern aus dem "Jurassic Park" weg, fürchten uns vor denselben Poltergeistern wie als Kinder, träumen von einer Wiederbegegnung mit vertrauten "Star Wars"-Gesichtern. Es ist, als ob die popkulturelle Historie die Gegenwart in einer eisernen Umklammerung hält.
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Todesmaschine, Beschützer, "Gouvernator"
Ein weiterer "Terminator"-Reboot passt zunächst auch inhaltlich zu diesen Tendenzen. Denn in der von James Cameron kreierten Reihe lenkt die Vergangenheit maßgeblich die Zukunft. Im ersten Teil schickte der Meisterregisseur einen Killerroboter aus dem Jahr 2029 ins Los Angeles von 1984, auf die Jagd nach einer jungen Frau namens Sarah Connor. Ein heldenhafter Soldat namens Kyle Reese, der ebenfalls via Zeitreise in der Stadt der Engel landet, erklärt der naiven Kellnerin: "Du sollst getötet werden, weil dein noch ungeborener Sohn eines Tages die Menschheit im kommenden Krieg gegen die Maschinen anführen wird."
In der atemberaubenden Fortsetzung "Terminator 2: Judgement Day" erweiterte Cameron seinen Technoir-Thriller zu einer postapokalyptischen Vision, die noch immer im Genrekino ihresgleichen sucht. Und er verwandelte die Todesmaschine in einen mächtigen Beschützer von Mutter Sarah und Kind John. Und den Cyborg-Darsteller Arnold Schwarzenegger in den größten Superstar der frühen 90er.
Die steirische Populärikone kämpfte sich noch durch ein durchaus passables weiteres Sequel. Bald nach "Terminator 3: Rise of The Machines" wurde Schwarzenegger aber zum kalifornischen Gouverneur gewählt, und der grottenschlechte vierte Beitrag zur Saga musste mit einer Computeranimation von ihm auskommen. Wenigstens eines muss man "Terminator: Salvation" aber zugute halten: Der mit Christian Bale auf Autopilot agierende Film versuchte innerhalb der Mythologie wenigstens andere Wege zu gehen, wohl zwangsläufig, um das Fehlen der Titelfigur zu kaschieren.
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Der Druck auf den Reset-Knopf
Jetzt ist Arnold himself wieder back, gleich in drei maschinellen Versionen seiner zentralen Rolle. "Terminator: Genisys" gibt sich hemmungsloser als alle anderen Blockbuster derzeit dem eigenen Erbe hin, indem er zur Ausgangsposition zurückkehrt, ins LA von 1984, in jene Nacht, in der James Camerons Originalfilm seinen Ausgang nimmt. Auf durchaus irritierende Weise stellt Regisseur Alan Taylor vertraute Szenen nach, nur um dann nochmal auf den Reset-Knopf zu drücken.
Wie schon J. J. Abrams bei seinen "Star Trek"-Reboots, setzt der ehemalige TV-Serienprofi auf neue Timelines, neue Verdrehungen, neue Konstellationen. Wenn Kyle Reese diesmal in LA landet, um die unbefangene Sarah Connor zu retten, trifft er eine militante Kämpferin, die bereits im Waffeneinsatz gegen die Terminatoren geschult ist. Als ihr Lehrer fungiert der fürsorgliche T-800 aus "Judgement Day", den die Terroristin für die gute Sache liebevoll Pops nennt.
Einige krude Erklärungsversuche später beamen sich Kyle (der farblose Australier Jai Courtney tritt in die Fußstapfen des rauen Michael Biehn) und Sarah (Emilia Clarke, in "Game of Thrones" eine göttliche Erscheinung, wirkt fast zu liebenswürdig, um Linda Hamiltons Vorbild gerecht zu werden) ins Jahr 2017, wieder muss ein Judgement Day verhindert werden. Dort wartet nicht nur bereits der mittlerweile weißhaarige Surrogat-Vater Arnold (auch Cyborgs altern) aus den Achtzigern, sondern ein gewisser John Connor höchstpersönlich.
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Banales selbstreferentielles Geplänkel
Wem von dieser kleinen Inhaltsangabe, die man auch aus den Trailern erahnen kann, ein wenig der Kopf raucht: Es zahlt sich keine Sekunde aus, über das Zeitreise-Wirrwarr in "Terminator: Genisys" nachzudenken. Für Alan Taylor und die Produzenten des Films ist der ganze paradoxe Hokuspokus leider bloß ein Vorwand, um die Zitatemaschinerie anzuwerfen.
Anstatt all die bekannten Figuren subversiv weiterzudenken, wie es etwa die TV-Serie "Hannibal" mit dem Personal aus Thomas Harris’ Killeruniversum macht, anstatt dem Urplot zeitgemäße Ebenen zu verpassen, wie "Mad Max: Fury Road", der das apokalyptische Männerkino der 80er feminisiert, bleibt es in Terminator-Land beim banalen, selbstreferentiellen Geplänkel. Ein bisschen Kritik an sozialen Medien und Smartphones hier, ein paar Geschlechterrollenwitze da. Das absurde Szenario für einen Kommentar über den Retrokult an sich zu nutzen, auf diese Metaidee kommt Taylor keinen Augenblick lang.
Überhaupt wirkt der ganze Film, abgesehen von wenigen charmanten Szenen, ungemein ambitionslos. Nutzte James Cameron das Genre für grundlegende Gedanken zu Familie, Teamgeist und Hi-Tech-Bedrohungen, hat man bei "Terminator: Genisys" das Gefühl, hier remixt ein tollpatschiger DJ eines der legendärsten Alben der 80er. Oder man sieht einer Gruppe junger Rollenspieler dabei zu, wie sie gemeinsam mit dem treuherzigen Papa Arnie die Geniestreiche von Cameron nachstellen.
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Das wirklich Fatale an diesem Blockbuster, der selbst wie seine Charaktere in einer Zeitschleife steckt, ist: Hier beschädigt die Gegenwart tatsächlich rückwirkend die Vergangenheit. Denn wenn am Ende von "Terminator: Genisys" der melancholische Originalscore von Brad Fiedel ertönt, dann bleibt vor allem Wehmut über das postmoderne Verramschen eines grandiosen Kinomythos zurück.