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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

3. 7. 2015 - 18:58

Jedem Landeshauptmann sein Geheimdienst

Thomas Lohninger von AKVorrat über das neue Staatsschutzgesetz.

Am Dienstag hat der Ministerrat das neue Staatsschutzgesetz entworfen, das im März oder im Juli 2016 in Kraft treten soll. Eventuell wird es noch vor den parlamentarischen Sommerferien beschlossen.

An der aktuellen Gesetzesfassung wurde schon Kritik laut: Mehr als 8000 Personen haben auf Staatsschutz.at eine vom Arbeitskreis Vorratsdaten (AK Vorrat) gestartete Petition gegen das Gesetz unterschrieben. Damit soll das Staatsschutzgesetz zurück an den Start geschickt werden.

Thomas Lohninger

AK Vorrat

Thomas Lohninger, Datenschützer von AK Vorrat, weiß mehr über das neue Staatsschutzgesetz.

FM4: Was kritisiert der AK Vorrat am neuen Staatsschutzgesetz?

Thomas Lohninger: Mit diesem Gesetz würden wir die selben Fehler machen, die wir aufgrund der Erkenntnisse von Edward Snowden diskutieren. Nämlich, dass man unkontrollierbare Geheimdienste schafft, die nach innen gerichtet sind, die die eigene Bevölkerung ausspionieren und die keiner Kontrolle unterliegen.

Wozu befähigt das neue Staatsschutzgesetz die Geheimdienste? Was verändert dieses Gesetz genau?

Thomas Lohninger: Die wirkliche Änderung, die mit diesem Gesetz kommt ist, dass die zehn Staatsschutzbehörden zukünftig neue Überwachungskompetenzen bekommen. Gleichzeitig wird der Rechtsschutz und die Transparenz in diesen Behörden abgebaut. Es gibt den neuen Straftatbestand des "Verfassungsgefährdenden Angriffes", der fasst zirka hundert Straftaten zusammen. Wenn die religiös oder weltanschaulich motiviert sind, dann sind wir auf einmal im Bereich des Terrorismus, dann ist das ein "Verfassungsgefährdender Angriff".

Aufgrund dieses "Verfassungsgefährdenden Angriffs" kann der Staatschutz tätig werden und kann Personen, auch unverdächtige, die für die Bewertung des "verfassungsgefährdenden Angriffs" ins Raster des Staatschutzes kommen, überwachen. Über diese Personen kann der Staatsschutz Daten sammeln, und zwar fünf Jahre lang, aus allen öffentlichen und privaten Quellen. Das heißt: der Staatsschutz kann von jeder Behörde und zu jedem Internetprovider in Österreich Daten über eine Person anfordern und diese Daten fünf Jahre lang behalten.

Das geht weg von der üblichen Polizeiarbeit. Normalerweise beginnt Ermittlungstätigkeit mit einem Verdacht, man sammelt Indizien und beginnt zu ermitteln. Im neuen Staatsschutzgesetz gibt es nur abstrakte Risikoszenarien. Wenn eine Gruppe, wie vielleicht die NoWKR-Gruppe als terroristisch und verfassungsgefährdend eingestuft wird, wird ein Verfahren eingeleitet und man kann von allen, die mit derartigen Gruppen, etwa über Soziale Medien wie Facebook in Kontakt treten, etwa weil sie an einer Demonstration teilnehmen oder mit jemanden befreundet sind, Daten sammeln.

Was hat es mit der sogenannten "Gefährderdatenbank" auf sich?

Thomas Lohninger: In der Gefährderdatenbank wären künftig all diese Daten gesammelt und können mit anderen Geheimdiensten ausgetausht werden. Das sind Daten, die aus Österreich an die us-amerikanische NSA, an den britischen GCHQ und an den deutschen BND weiter gereicht werden. Und damit wird auch der Datenschutz von möglicherweise hunderttausenden Leuten in Österreich ausgehebelt.

Wir reden hier über Facebook, Instagram, Twitter, Mails, Browserverlauf, mein komplettes digitales Ich?

Thomas Lohninger: Genau. Das betrifft die "Open-Source-Intelligence", wie das in Geheimdienst-Sprache heißt, also alle Daten, die man im Internet öffentlich über eine Person findet, aber auch die privaten Daten, die in meinem Facebook-Profil als Nachricht gespeichert sind oder die mein Internet-Provider von mir gespeichert hat.
Die Vorratsdatenspeicherung in Österreich, die der Verfassungsgerichtshof aufgrund unserer Klage 2014 gekippt hat, hätte die Daten für ein halbes Jahr gespeichert. Mit dem neuen Staatsschutzgesetz werden die Daten fünf Jahre lang gespeichert – also zehnmal so lang. Das ist eine Größenordnung und ein Verfassungsbruch, den wir eigentlich so in Österreich noch nie gesehen haben.
Das Gesetz soll im Eilverfahren noch vor der Sommerpause beschlossen werden, obwohl es 17 kritische Stellungnahmen aus allen Teilen der Zivil-Gesellschaft gibt, von der Bischofskonferenz, von Amnesty International, von der Richtervereinigung, von Arbeiterkammer, Volksanwaltschaft, Wirtschaftskammer, von AKVorrat, von allen Organisationen, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Die Regierung will es trotzdem durchsetzen, Kanzler Faymann hat in der Pressestunde gesagt: "Das Staatsschutzgesetz ist ja unkritisch, denn darüber hat die Regierung nicht mal gestritten."

Brauch es künftig für die Überwachung noch einen richterlichen Beschluss?

Thomas Lohninger: Bisher war es so, dass man in Ermittlungsverfahren an vielen Stellen einen Richter und einen Staatsanwalt gebraucht hat. Externe Kontrolle von jemanden, der sich jeden Fall anschaut und dann das gelindeste Mittel an Überwachung anordnet, damit die Polizei ihre Arbeit machen kann. Das einzige Kontrollorgan ist der interne Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums, derzeit der Herr Burgstaller, der mit seinen zweieinhalb Mitarbeitern für das gesamte Bundesgebiet zuständig ist und für die ganze restliche Polizei. Er kümmert sich um jede einzelne Überwachungsanordnung. Und er alleine prüft, ob diese Überwachung legitim ist oder nicht. Und sogar diesem einen Rechtsschutzbeauftragten, dem einzigen Kontrollorgan, dem der Staatsschutz unterliegt, könnte der Staatsschutz künftig die Akteneinsicht verwehren, wenn er behauptet, dass Gefahr im Verzug ist.
Das heißt, bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann der Staatsschutz die eigene Kontrolle ausschalten. Parlamentarische Kontrolle gibt es in diesem Entwurf gar keine. Es ist eine Behörde, die, wie die Richtervereinigung in ihrer kritischen Stellungnahme schreibt, ein Inner Circle ist. Sie ist nach außen abgeriegelt, kann sich selbst jede Genehmigung erteilen, ist damit intransparent und hat viel zu viele Kompetenzen. Das ist eine tickende Zeitbombe für den nächsten Polizei-Skandal. Der AKVorrat hat mit der Seite staatsschutz.at eine Bürgerinitiative gestartet, um nochmals gegen das Gesetz zu mobilisieren. Es ist bei der Vorratsdatenspeicherung schon gelungen, jetzt muss es nochmals gelingen.

Warum überhaupt zehn neue Geheimdienste?

Thomas Lohninger: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesverteidigung ist eine der Behörden und dann gibt es noch die neun Landesämter für Verfassungsschutz. Und diese zehn würden zu Staatsschutzbehörden. Es gibt dabei eine österreichische Kuriosität: Die neun Landesämter sind nicht dem Bundesamt unterstellt, sondern den Landespolizeidirektionen. Das heißt, sie sind nicht weisungsgebunden. Sie agieren nicht koordiniert, sondern eher wie ein Huhn mit zehn Köpfen. Außerdem haben die neun Landesämter auch noch weitere Aufgabenbereiche, sie sind zum Beispiel auch dafür zuständig, das Ansehen des Landeshauptmanns zu schützen und haben eine explizite Informationspflicht. Sie müssen der Landesregierung auf Bedarf und auf Anfrage Informationen, die sie über Einzelpersonen und Gefährder erlangt haben, weiterleiten. Damit bekommt jeder Landeshauptmann seinen eigenen Geheimdienst.