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Sophie Strohmeier Philadelphia

Film, Film, Film

2. 7. 2015 - 16:33

Sie schlugen und sie küssten sich

"Les Combattants" ist die typische Sommer-Rom-Com mit apokalyptischem Setting.

Kinotipps!

fm4.orf.at/film

Sommer in der Aquitaine: Arnaud (Kevin Azaïs), ein junger Tischler, hat gerade seinen Vater zu Grabe getragen, da begegnet er am Strand Madeleine (ursuper: Adèle Haenel), die ihn prompt beim Wettringen aufs Kreuz legt. Arnaud ist so begeistert, dass er gar nicht merkt, was mit ihm geschieht. Madeleine stellt Arnauds Virilität komplett in Frage: nicht nur schlägt sie ihn beim Ringen, sie taucht mit Ziegelsteinen, führt einsilbige Unterhaltungen, hält nichts von herzigen Haustieren, schafft es beim ersten Anlauf, eine Flasche mit den Zähnen zu öffnen und trinkt - in einer besonders eloquent gespielten Szene - pure, selbstgemachte Smoothies aus nichts als roher Forelle, so als wäre das der köstlichste Café au lait. Innerhalb kürzester Zeit ist Arnaud unsterblich verliebt. Madeleine hingegen denkt an nichts, als ihr bevorstehendes Army-Trainingslager. Werden diese zwei unterschiedlichen Seelen noch zueinander finden? fragt der Film leider viel zu schnell. Ja, werden sie das denn?

Die Hauptfiguren von Les Combattants, gespielt von Azais und Haenel

Haut et Court

Madeleine (Adèle Haenel) und Arnaud (Kevin Azais) beim Rückzug ins Paradies

Unberechenbares Klima und Tomboys

Madeleines regelrechter Fanatismus für Überlebenstraining, Militärcodes und "Be-Preparedness" ist gekoppelt an eine verzweifelte Gefasstheit angesichts einer drohenden Zukunft, von der uns der Zeitgeist ständig einredet, dass sie unmittelbar in eine Apokalypse münden wird. Das Schönste am Film ist eben diese absurde Zivilisationsflucht, die die Figuren begehen, sowie Madeleines aufrichtige Ernsthaftigkeit, die auf nichts als Phoniness von der Obrigkeit stößt. Der Glaube der Jugend an ihre eigenen Ressourcen und an den Traum von authentischem Survival-Expertentum und Würde scheitert also an einer älteren Generation fauler Säcke.

Dazu kommt, dass der Films in einem unbehaglichen Heute situiert ist: Immer wieder dienen Bilder von Waldbränden als deutliche Metaphern einer leidenden Umwelt, die nur die aller-toughesten überleben werden. Es ist nie ganz klar, wie ernst sich der Film selbst nimmt, und deshalb hat die drohende Apokalypse etwas Bös-Humorvolles.

Haenel und Azais in einem Still aus Les Combattants

Haut et Court

Sommerliche Rom Com

Ein bisschen wie ein Krieg der Knöpfe mit geschlechtsreifen Helden, bietet Les Combattants (mit seinem ziemlich nervigen deutschen Titel Liebe auf den ersten Schlag) die idealen Voraussetzungen für einen netten Sommerfilm: die Kulisse der Landschaften der Aquitaine, die lauen Sommerregen, in denen Adèle Haenel immer irgendwie besonders hübsch aussieht, und die idyllische Vorstellung des totalen Waldrückzugs.

Arnauds und Madeleines Liebesgeschichte jedoch hat - vermutlich einem uralten Dekret der Kulturgeschichte gemäß - etwas von jener veralteten Dramaturgie, in der ein Typ wirklich sehr, sehr hart zu arbeiten hat, jegliche Signale der Ablehnung seitens der Typin missachtet, nur um dann die junge Frau, wie ein gezähmtes Raubtier irgendwie doch rumzukriegen und ihr dann so richtig zu "mansplainen", wie es mit dem guten Leben so ist.

Gegen dieses Dekret habe ich eigentlich nichts, denn nichts ist mir lieber als eine gute Screwball-Comedy; dafür ist Les Combattants dann aber doch zu naturalistisch und man hat dabei das Gefühl, der Film stellt sich mit seiner Auflösung selber einen Haxen.

Adèle Haenel

Haut et Court

Adèle Haenel als Urtier Madeleine

Ab 3.Juli 2015 kann man "Les Combattants" im Kino sehen, wenn man schon nicht selber lieber Zelten gehen mag.

Bei den heurigen Césars erntete Les Combattants gleich mehrere Trophäen, darunter bestes Spielfilm-Debüt und den César du meilleur espoir masculin (ergo Rollendebüt) für Kevin Azaïs; die 26-jährige Adèle Haenel - nominiert neben Binoche, Cotillard und Deneuve - erhielt vollkommen verdient für ihre Darstellung dieses Urtieres die Trophäe für die beste Schauspielerin (im Vorjahr gewann sie in der Kategorie beste Nebendarstellerin für den Film Suzanne).

Wem Haenel noch kein Begriff ist, der sollte sich unbedingt ihr Quasi-Debüt (und ein weiterer guter "Sommerfilm") Naissance des Pieuvres (2007) anschauen; abgesehen davon war sie im verschnörkelten L’Apollonide (2011) zu sehen, sowie heuer in André Téchinés L’Homme qu’on aimait trop. Demnächst wird sie übrigens im bestimmt sehr surrealen Guy Maddin Film The Forbidden Room erscheinen - das Ganze klingt schon ziemlich deftig. Einstweilen kann man sich aber an Haenels tapferer und irrer Madeleine in Les Combattants erfreuen.