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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

5. 7. 2015 - 09:07

Ich gehe nicht gern ins Theater

Mit Gewinnspiel!

Oscar Wilde hat einmal etwas sehr Kluges geschrieben. Was heißt einmal? Oscar Wilde ist andauernd etwas Kluges aus der Feder geflossen, deshalb sind seine knackigen Sprücherl auch heute noch auf Kalendern unter herbstlichen Landschaftsbildern oder auf Facebook-Titelbildern zu finden.
Soooo super sind seine ganzen Sentenzen aber auch wieder nicht.

“Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht.”

Klingt ganz gut, aber… Naja. Das hätt ich auch hinbekommen.

“Männer können analysiert, Frauen nur angebetet werden.”

Herr Wilde hat zuweilen schon einen ziemlichen Holler dahergeredet. Das mache ich auch, aber ich werde leider nie zitiert. Wurscht, zitier ich mich halt selbst:

  • Zweitausend Worte sagen oft mehr als tausend Worte.
  • Männer sind wie Klos - Meistens weiß und mit Brille.
  • Das A und das O sind das A und O des Alphabets.
  • Astrologie - nichts als Widdersprüche und Waage-Aussagen!
  • Scheidung - Soll in den besten Ehen vorkommen.
  • Im Flex vergeht die Zeit wie im Fluc.

mc

Diese Fotografie des Autors mit einer ihm unbekannten Besucherin eines Trabrennens trägt den Titel "Begierde & Gier".

Wenn jemandem fad ist, kann er meine schönen Sinnsprüche ja verbreiten, vielleicht steht mein Fluc-Satz in hundert Jahren ebenfalls auf Kalendern unter herbstlichen Landschaften. Aber eher nicht. Eher nicht wird auch meine alte Idee einer Sammlung von Zitat-B-Seiten großer Denker einschlagen, beispielsweise

  • “Was heißt Kleinigkeit!? Ich hab einen Scheißhunger, ich brauch was Gscheites und sicher keine Kleinigkeit.” (Albert Camus)
  • “Du auch. Und träum was Schönes.” (Goethe)
  • “Theater ist ur fad.” (Oscar Wilde)

Darüber wollte ich eigentlich schreiben! Wie bin ich bloß auf diese überlange Einleitung gekommen? Ah genau: Ich wollte einen Aufsatz mal ganz klassisch mit einem Oscar Wilde-Zitat einleiten, aber zum Theater hat der alte Sprücheklopfer leider nie etwas Erbauliches geäußert. Das habe ich allerdings auch nicht vor, vielmehr möchte ich meine Vorurteile dem Theater gegenüber zu “Papier” bringen. Es ist nämlich so:

Mein Freundeskreis rekrutiert sich glücklicherweise nicht hauptsächlich aus Werbetreibenden, Künstlern und Fernsehfritzen, jedoch sehr wohl aus kulturell interessierten Boys and Girls. Manche haben berstende Bücherregale, andere sind Musikexperten, nicht wenige begeisterte Cineasten. Bloß ins Theater geht niemand. Ich kenne wirklich kaum Menschen unter sechzig, die regelmäßig und gerne ins Theater gehen. Ich selbst bin da keine Ausnahme, denn ich habe zahlreiche

Theater-Vorurteile,

die ungerecht und überholt sein mögen, aber wie sagte Oscar Wilde einst so schön? “Vorurteile sind wie Herpes oder gefälschte Armbanduhren - man wird sie schwer wieder los.” Eines seiner besten Zitate!

Das Theater ist eine abgekapselte bis inzestiöse, von selbstverliebten Soziopathen bevölkerte Welt, die durch Förderungen erhalten wird und sich durch Abonnements von überparfümierten Neunzigjährigen legitimiert sieht.
Die meisten Theaterbesucher meinen, einer kulturellen Elite anzugehören, wenn sie sich drei Stunden lang zu Tode langweilen, aber in der Pause mit Schampus und Lachsfisch im Maul zu Protokoll geben, die Inszenierung sei sehr interessant.

Dargeboten werden entweder alte Stücke, die von größenwahnsinnigen Regisseuren mit einem in den Sechzigern verhafteten Modernisierungsbegriff inszeniert werden, oder neue Stücke, die mittels qualvoll gekünstelter Sprache, verkrampftem Gegenwartsbezug und Beamer am eigenen Anspruch, zu kritisieren oder gar zu schockieren, schon im Keim scheitern. Die Hauptsache ist, dass die Stücke nicht lustig sind. Lustig in jenem Sinn, dass man über einen Gag auf der Bühne lachen muss, darf es bloß nicht werden im Theater, das wäre ja primitiv - Gelacht wird dann, wenn es zu lachen gilt, weil sich die Josefstadt-Omas dann triumphierend zunicken können - “Harhar, wir haben es VERSTANDEN!”

mc

So richtig viel versteht man leider nicht im Theater. Viele Stücke so fad, dass man nach zehn Minuten nicht mehr aufpasst, andere sind trotz des Vorhandenseins eines Dramaturgen dramaturgische Katastrophen, oft versteht man auch einfach die Schauspieler nicht.

Das schlimmste am Theater sind sowieso die Schauspieler. Die schlimmsten unter den Schauspielern sind die Jungschauspieler. Jahrelang lernen sie in ihren sündteuren Ausbildungen ausschließlich, wie man möglichst unnatürlich spricht, an unpassenden Stellen schreit, sich auszieht, sich mit irgendetwas beschmiert oder sich gleichzeitig unnatürlich schreiend und entkleidend beschmiert. Durch das dauernde Herumplärren verlernen sie, privat halbwegs normal zu sprechen und fragen die Gäste in den Hipster-Beisln, wo sie heimlich “nebenbei” arbeiten, in gespreiztem Theaterdeutsch nach den Getränkewünschen. Wenn sie kein Bier zapfen, gehen sie ihrem Gewerbe im Off-Theater nach, nur scheinbar freiwillig, weil sie nämlich im On-Theater keine Jobs bekommen.

Das Off-Theater ist genauso entsetzlich wie das handelsübliche, will sich aber zwanghaft davon abgrenzen, indem die wenigen Zuschauer keinen Schampus trinken dürfen und am Boden sitzen müssen und indem die Stücke, die in irgendwelchen Garagen oder Yogastudios dargeboten werden, noch ein Eitzerl “experimenteller” sind. “Experimentell” ist das meistmissbrauchte Adjektiv am Theater, weil ja seit Ewigkeiten mit den immergleichen Stilmitteln “experimentiert” wird, ohne sich zur Einsicht durchringen zu können, dass dem Experiment auch die Möglichkeit des Scheiterns innewohnt.

mc

Ich glaube, die Leserschaft wünscht sich eine kleine Verschnaufspause in Form einer wirklich köstllichen Theateranekdote:

Es ist schon eine Weile her, dass ich mit dem Otti Schenk auf der Bühne stand. In Bregenz haben wir den König Ottokar gegeben. Bei der Dernière sage ich den Satz “Nun, wir kommen schon! Wo sind die Pferde?”. Da schaut mich der Otti zuerst schelmisch an, zeigt dann ins Publikum und sagt doch tatsächlich: “Die Pferde? Ich weiß nicht. Aber ein paar Esel sind sehr wohl da.” Ich sags Ihnen, ich bin fast zusammengebrochen vor Lachen. Das Publikum hat gejohlt und minutenlang applaudiert! Der Otti ist einfach der Größte!

Merksatz: Theateranektoten sind noch öder als Theaterstücke.

mc

Mir ist bewusst, dass ich soeben aufs Übelste (auch nicht mehr ganz taufrische) Klischees zitiert habe, auf denen meine Vorurteile aber nun einmal fußen, Vorurteile, die sich bei all meinen bisherigen Versuchen, ob freiwillig oder als Mitgeschleppter, leider leider immer nur bestätigt haben, obwohl ich sie nur zu gerne aufgeben würde.

Deshalb sei hiermit das

mc

ausgerufen.

Man schlage mir per Mail oder im Forum samt gschmeidiger Kurzargumentation ein Theaterstück vor, das im Herbst in Wien aufgeführt wird.

Dieses Stück "darf" der/die Gewinner/in dann mit mir besuchen. Ich zahle die Karten und ein (!) Getränk nach Wahl (!) in der Pause.

Ob die Darbietung meine Theater-Vorurteile bestätigt oder nicht, ob es gelingt, eine späte Begeisterung für das Theater in mir zu wecken oder ob der Abend gar ein katastrophaler Reinfall wird, das erfährt die Leserschaft hernach in Form eines gewohnt geilen Erlebnisaufsatzes samt Handy-Beweisbildern!

Es wäre fahrlässig, sich die einmalige (!) Chance entgehen zu lassen, mit dem dreisten Filou vom coolen Radiosender im feinsten Zwirn einen unvergesslichen Abend im Theater verbringen zu dürfen!

Wer gewinnt, entscheide ich nach Gefühl und Tagesverfassung. Bestechung ist möglich. Wenn gar niemand mitspielt, bin ich beleidigt und rede nie wieder was mit euch!!!

(Oder doch? Eigentlich habe ich doch keine Lust auf diese Aktion, komme ich gerade drauf. Aber meine Backspace-Taste ist leider kaputt, jetzt steht alles schon da und es ist leider zu spät für einen Rückzieher. Super.)