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30. 6. 2015 - 16:19

Griechenland, Bitcoin und die Krise

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter auf CCC– herabgestuft. Griechische Banken erlauben ihren Kunden nur tägliche Abhebungen bis maximal 60 Euro. Gleichzeitig steigt der Bitcoin-Kurs rapide an. Zufall?

Der Preis der Kryptowährung Bitcoin ist innerhalb einer Woche um fast 30 Euro auf ca. 236 Euro gestiegen. Weil das auch schon während der zypriotischen Finanzkrise vor eineinhalb Jahren geschehen ist, stellt sich die Frage: Flüchten die Bankkunden krisengebeutelter EU-Mitgliedsstaaten tatsächlich in Bitcoin? Steigt der Preis also deshalb, weil griechische Sparer vermehrt Bitcoins anlegen? Oder ist der Kursanstieg eine Folge der Erwartungen von Händlern und Spekulanten weltweit, die sagen: „Aha, dieses Land ist in Schwierigkeiten, also wird der Bitcoin-Kurs bald steigen“?

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Coindesk

Beides sei der Fall, sagt Paul Klanschek. Er ist einer der Betreiber des in Wien ansässigen und international erfolgreichen Bitcoin-Exchange Coinimal. „Man sieht etwa, dass bei der Google-Suche in Griechenland das Interesse an Bitcoin in den letzten Wochen stark angestiegen ist. Das Problem ist aber, dass seit ein paar Tagen die Kapitalkontrolle in Griechenland aktiv ist. Das heißt, die Griechen haben überhaupt keine Zahlungsmöglichkeiten bei europäischen Exchanges mehr, um Bitcoins zu kaufen. Aber in anderen Ländern, in denen die Griechenland-Krise gesehen wird, probieren viele Menschen jetzt, in Bitcoin reinzugehen, weil sie denken, dass der Kurs durch die Krise steigen wird.“

Christoph Weiss, FM4

Paul Klanschek und Eric Demuth

Eric Demuth, ebenfalls von Coinimal, hat sich die aktuellen Userzahlen angesehen: „Wir können sehen, dass wir im Juni mehr griechische User hatten als beispielsweise aus Frankreich und Spanien zusammen.“

Und der Nutzen?

In manchen US-Städten wie San Francisco oder im niederländischen Arnheim kann man beim Friseur, im Café oder im Supermarkt mit Bitcoin bezahlen. In Athen ist das kaum möglich. Was kann also ein Grieche mit Bitcoin anfangen? Interessant, sagt Paul Klanschek, sei die Kryptowährung derzeit vor allem für griechische Unternehmer, denen sonst wegen der strengen Kapitalkontrollen Verluste drohen: „Es stellt sich heraus, dass einige Händler im Ausland Bitcoins aus Griechenland annehmen, um dann trotzdem die Importe nach Griechenland zu schicken.“

Auslandsgriechen benützen die Kryptowährung wiederum, um Geld nach Hause zu schicken. Eine Bitcoin-Transaktion funktioniert weltweit, gratis, in Sekundenschnelle und ohne Bank: „Über Localbitcoins kann man ja Bitcoin auch schnell wieder in Euro tauschen. Das heißt also: Wenn man jemandem in Athen Geld schicken will, dann kann man das in Bitcoin schicken. Würde man es in Euro schicken, könnte es der Empfänger ja vielleicht nicht mehr abheben.“

Coinimal

Der Bitcoin-ATM im Café Gretel

Klanschek und Demuth haben Anfang des Jahrs den Bitcoin-Exchange Coinimal gegründet, um Kauf und Verkauf von Kryptogeld einfacher und schneller zu machen. Das Portal bietet mehr und schnellere Zahlungsmöglichkeiten als andere Exchanges, darunter auch Sofortbanking und Neteller. Die Überweisung gekaufter Bitcoins erfolgt außerdem direkt aus dem Bestand von Coinimal, man muss also nicht warten, bis man einen anderen User findet, der Bitcoins verkaufen will. Mit diesem Konzept ist Coinimal innerhalb kurzer Zeit im In- und Ausland zu einem der beliebtesten Exchanges geworden.

Mitte Juni haben die umtriebigen Jungunternehmer auch einen der ersten Bitcoin-ATMs Österreichs in Betrieb genommen – also einen Automaten, an dem man Bitcoins kaufen kann. Das Gerät steht im Café Gretel in der Wiener Mariahilferstraße 92. Das Lokal habe lange Öffnungszeiten, sagt Demuth, das sei ihm wichtig gewesen. „Wien hat einen Bitcoin-ATM gebraucht. Bisher hat es kaum Möglichkeiten gegeben, mit Bargeld Bitcoins zu kaufen.“ Nun gibt es auch diese Möglichkeit – und sie werde schon nach eineinhalb Wochen weit mehr genützt als erwartet.

Edit 1: Bitcoin-Nodes in Griechenland verdoppelt

Vor vier Tagen gab es in Griechenland nur 14 Full Nodes im Bitcoin-Netzwerk. Jetzt sind es 28.

Edit 2: Kein PayPal mehr

Griechen sind derzeit auch von der Benützung des Bezahldienstes PayPal ausgeschlossen