Erstellt am: 30. 6. 2015 - 19:46 Uhr
Alternativlos?
- Im Rahmen der Kredite an Griechenland haben weder Österreich noch Deutschland bisher einen Cent bezahlt. Im Gegenteil: Die Zinseinnahmen der Republik betrugen laut Auskunft des Finanzministeriums bis Ende 2014 insgesamt 101,73 Mio. Euro
Die Situation in Griechenland spitzt sich zu: Heute Abend läuft die Kreditvereinbarung mit den EU-Geldgebern aus. Gleichzeitig wird eine 1,6-Milliarden-Zahlung an den Internationalen Währungsfonds fällig. Seit Februar akzeptiert die Europäische Zentralbank keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für Bankkredite. Mit immer weniger Aussichten auf eine Einigung über die Bedingungen für eine Weiterführung des Kreditprogramms geraten die griechischen Banken in immer größere Bedrängnis. Zuletzt hat die Europäische Zentralbank die Notfalls-Liquiditätshilfen zwar nicht vollends eingestellt. Die Griechen mussten dennoch Kapitalverkehrskontrollen einführen und Bankfeiertage verordnen, um zu verhindern, dass der Geldkreislauf durch Panikbehebungen völlig zum Erliegen kommt.
Was bisher geschah
Seit August 2014 hat der griechische Staat kein Geld mehr aus den EU-Krediten erhalten, weil es schon mit der alten Regierung unter Antonis Samaras von der konservativen Nea Demokratia keine Einigung über weitere Sparmaßnahmen gegeben hatte. Seitdem hat Athen sämtliche Ausgaben und Zinszahlungen (Kapital muss erst ab 2020 getilgt werden) aus den laufenden Einnahmen bezahlt - bei 25 Prozent Arbeitslosigkeit ein schmerzhafter Kraftakt. Weil es in fünf Monaten Verhandlungen zu keiner Einigung mit den Gläubigern kam, hat die griechische Regierung eine Volksabstimmung über die EU-Sparauflagen anberaumt.
Theodoros Paraskevopoulos ist formell Angestellter der Fraktion Syriza im Parlament. Seit Jahren begleitet er den jetzigen Premierminister zu wichtigen Terminen im In- und Ausland. Er ist praktisch tätig als Koordinator zwischen Fraktion und Regierung und Vertrauter des engsten Kreises um den griechischen Premierminister.
Was anschließend geschieht, ist unklar. Führende EU-Politiker und die griechische Opposition haben die Abstimmung zum Entscheid über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone erklärt. Dem entgegnet die griechische Regierung mit Verweis auf die fehlende rechtliche Grundlage für einen "Rauswurf" aus dem gemeinsamen Währungsraum, "our membership is not negotiable" und kündigt rechtliche Konsequenzen für den Fall, dass man Griechenland die Liquidität vollends kappt, an (mehr dazu hier). Im Interview nimmt Theodoros Paraskevopoulos, wirtschaftlicher Berater von SYRIZA, zur aktuellen Situation Stellung.
flickr.com/9731367@N02/
Johanna Jaufer: Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman hat das letzte Angebot an Alexis Tsipras einen "Reverse Corleone" genannt, ein Angebot, das er nicht annehmen konnte.
Theodoros Paraskevopoulos: Die griechische Regierung konnte den Vorschlag der Partner aus zwei Gründen nicht annehmen. Der eine betrifft die Form: Am Montag hatte die griechische Regierung einen Vorschlag vorgelegt, der von vielen Seiten gelobt und positiv aufgenommen wurde - es sah nach einer schnellen Einigung aus. Am Donnerstag aber wurde der griechische Vorschlag wieder abgelehnt und ein "Gegenvorschlag" in Form eines Ultimatums vorgelegt. Kein unabhängiger Staat kann ein Ultimatum annehmen. Zweitens zum Inhalt: Mit diesem ultimativen Vorschlag soll die griechische Regierung verpflichtet werden, bestimmte Maßnahmen - etwa im Arbeitsrecht die Wiederherstellung des Rechts auf Kollektivvertragsverhandlungen - nicht vorzunehmen. Das ginge dann nur, wenn die Institutionen zustimmen.
Das würde als "unilateral move" betrachtet werden?
Ja. Außerdem wurde der Vorschlag der Regierung abgelehnt, Privatisierungen vorzunehmen, aber mit der Verpflichtung des Käufers, Investitionen zu tätigen und das griechische Arbeitsrecht zu achten. Ohne dem kann der Käufer machen, was er will. Dann wurden noch mehr Kürzungen bei den Pensionen gefordert. Die griechische Regierung wollte die Altersgrenze sowieso erhöhen - aber stufenweise. So, dass etwa Menschen, die in diesem Jahr in Pension gehen, nicht davon betroffen sind. Denn man kann schlecht einem Menschen, der erwartet, dass er im November in Pension geht, sagen: "Übrigens, du hast doch noch zwei Jahre". Weiters ging es darum, wie die Erlöse aus den Privatisierungen verwendet werden. Die Troika will, dass diese Erlöse voll und ganz für die Schuldentilgung verwendet werden. Die griechische Regierung will, dass ein Teil für öffentliche Investitionen verwendet wird und für die Unterstützung der sozialen Sicherungssysteme.
How to organize a spontaneous pro–Troika demonstration https://t.co/A9XaetjEzS
— Migeru (@MigeruBlogger) 30. Juni 2015
Ein wichtiger Punkt war auch die wieder revidierten Vorstellungen, was die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft...
Das ist richtig. Es gibt in Griechenland eine Sonderregelung für die Inseln.
Zur Erklärung: Viele Leute, die auf Inseln leben, sind abhängig von der Versorgung per Schiff.
Genau. Diese Sonderregelung beruht auf einem Beschluss des Europäischen Rates, der für alle Inselgebiete Europas gilt. Das größte Inselgebiet Europas ist eben die Ägäis. Dorthin muss alles mit dem Schiff transportiert werden und die BewohnerInnen sind natürlich nur per Schiff oder Flugzeug mit dem Zentrum am Festland verbunden. Deswegen war die Mehrwertsteuer für diese Gebiete um 30 Prozent gesenkt worden. Im Vorschlag von Griechenland waren Maßnahmen enthalten, die zwar eine Angleichung der Mehrwertsteuer mit dem übrigen Griechenland vorsehen - die Menschen dort dennoch (für ihre außergewöhnlich hohen Lebenshaltungskosten, Anm.) entschädigen. Aber das wollen sie nicht.
Das war etwas, worauf man sich bereits geeinigt hatte und das dann wieder in Frage gestellt wurde?
Ja.
- EU–Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Dezember: "Ich denke, die Griechen wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Euro–Zone bedeuten würde"
Das Wahl- und Regierungsprogramm von Alexis Tsipras sah sowohl der unbedingte Verbleib in der Eurozone als auch ein unbedingtes Ende der Sparpolitik vor. Nach fünf Monaten Verhandlungen musste er feststellen, dass das nicht durchzusetzen ist. Am Sonntag wird für oder gegen die EU-Vorschläge unter Weiterführung der Sparpolitik abgestimmt. Dass es soweit kommt, war doch von Anfang an klar - ich denke an die Äußerungen von Kommissionspräsident Juncker, der vor den Wahlen im Jänner offen vor einem "falschen Wahlergebnis" gewarnt hatte.
Ja, aber inzwischen waren die Verhandlungen fortgeschritten. Es gab sehr harte Verhandlungen, und es schien so, als ob die Regierung mit großen Abweichungen vom Wahlprogramm und der programmatischen Regierungserklärung zu einer Einigung kommen könnte. Eine schmerzhafte, aber tragfähige Einigung. Ich bin der Meinung, dass die Ablehnung aus politischen Gründen erfolgt. Das hat keine wirtschaftlichen oder finanzpolitischen Ursachen. Das ist reine Machtpolitik.
@kanekos69 Suspending ELA and forcing imposition of capital controls effectively suspended Greece's Euro membership.
— Frances Coppola (@Frances_Coppola) 30. Juni 2015
- Ashoka Moody, Ex-Bailout-Chef des IWF für Irland: "Syriza sollte die Forschungsabteilung des IWF als Sprecher engagieren"
Viele Vorschläge der EU-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds stehen in großem Widerspruch zu den Erkenntnissen der hauseigenen Forschungsabteilung des IWF (siehe rechts).
Ja. Und das andere, das die Regierung erreichen wollte, war eine verbindliche Zusage, dass die öffentlichen Schulden von 350 Milliarden Euro, die ja nicht bedient werden können, geregelt werden. Das bedeutet nicht unbedingt einen Schuldenschnitt. Wir halten den Schuldenschnitt für die richtige Maßnahme, aber wir wären auch für eine lange Streckung und eine Festverzinsung auf heutigem Niveau. Die Verzinsung der Schulden ist derzeit nicht fix, sondern hängt vom Zinssatz der Zentralbank ab. Und der wird ja über kurz oder lang wieder erhöht. Das ist für uns sehr wichtig, damit wir wissen, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Es ist nicht wahr, was oft behauptet wird: dass den Griechen in der Frage der Schulden an sich schon sehr weit entgegengekommen worden wäre. Denn abgesehen von den Tilgungsraten und den Zinsen muss Griechenland nach dem Stand der Gespräche vor der SYRIZA-Regierung im ersten Jahr drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst bezahlen - im zweiten Jahr 4,5 Prozent und dann jährlich mehr. In den jetzigen Verhandlungen wurde das auf ein Prozent für das erste und 2 Prozent im zweiten Jahr gesenkt - trotzdem ist das eine sehr große Belastung: die Zins- und Ratenzahlungen kommen jeweils hinzu. All das konnte die griechische Regierung nicht annehmen. Der Ministerpräsident hat deshalb dem Kabinett vorgeschlagen, ein Referendum durchzuführen. Allerdings hat der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Regierungschef gesagt: Sollten unsere Partner sich auf einen vernünftigen Vorschlag einigen, den wir annehmen können, werden wir der Bevölkerung empfehlen mit "Ja" zu stimmen.
Wenn es dazu käme, säße man aber automatisch mit der Opposition in einem Boot. Ex–Premier Samaras empfiehlt den Menschen, am Sonntag mit "Ja" zu stimmen.
Nicht ganz. Denn keine Partei im Parlament hat den Vorschlag der EU gebilligt. Keine. Deswegen erklärt die Opposition das Referendum zur Abstimmung über den Verbleib im Euro. Weil sie dem vorliegenden Vorschlag selbst ja nicht zuzustimmen wagen. Ich glaube, es ist auch sehr schädlich für Europa und die EU, wenn behauptet wird, dass eine Mehrheit gegen den EU-Vorschlag eine Mehrheit gegen den Euro bedeutet. Wir rechnen damit, dass mit über 60 Prozent "Nein" gestimmt wird.
A Member State's expulsion from the EU or #EMU would be legally next to impossible #Greece @EU_Commission http://t.co/ApLWqrkGNw
— Danuta Huebner (@danutahuebner) 30. Juni 2015
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) haben sich gestern an die Öffentlichkeit gewandt. Merkel sagte, das EU-Angebot war großzügig, sie möchte keine Spekulationen über die Zeit nach dem Referendum in den Raum stellen. Für eine Verlängerung des jetzigen Kreditprogramms um ein paar Tage habe es keine rechtliche Basis gegeben (das hatte Griechenland erbeten, um in Ruhe abstimmen zu können, Anm.). Sigmar Gabriel sagte, ein "Nein" bedeute ein Ende der Verhandlungen, ein "Nein" wäre eine Entscheidung für den Austritt aus der Eurozone. Aber dafür gibt es ja auch keine rechtliche Basis.
Nein. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage - es sei denn, Griechenland will auch aus der EU austreten. Ich merke, dass Gabriel sich schärfer aufspielen will, als seine Chefin. Ich frage mich, ob er sich die Konsequenzen auch für seine Partei überlegt hat, wenn er sich so sehr an die am weitesten rechts stehenden politischen Kräfte in Deutschland anlehnt.
Martin Schulz, EU-Parlaments-Präsident, hat dasselbe gesagt.
Ja. Martin Schulz und Sigmar Gabriel konkurrieren ja um die Führung der SPD. Insofern kann ich das gut verstehen.
Die Europäische Zentralbank hat ja die Notfallliquidität für die griechischen Banken (nicht erhöht, aber), aber formal aufrechterhalten. Wenn aber heute Abend das laufende Abkommen über das EU–Kreditabkommen endet: Kann die Zentralbank dann, selbst wenn sie möchte, die Banken überhaupt weiterhin am Leben erhalten, wenn sie doch dann keinen Auftrag mehr dazu hätte?
Sie ist verpflichtet, es zu tun, weil die Aufgabe der Zentralbank ist, das Bankensystem aufrecht zu erhalten. Wenn sie das nicht täte, würde sie gegen ihre eigenen Statuten verstoßen. Ich will nicht sagen, dass sie es nicht tun wird. Wir sind gewohnt, dass Europäische Institutionen gegen Europäisches Recht verstoßen. Alleine die Existenz der Eurogruppe verstößt gegen Europäisches Recht. Aber das wäre ein Schritt weiter im Aufreißen eines Grabens, den wir nicht aufreißen sollten.
Namhafte Europaforscher sagen, dass mit den Troika-Instrumenten eine "Flucht" aus dem EU-Recht begangen wurde, man sich absichtlich in Form völkerrechtlicher und bilateraler Verträge auf einen Modus verständigt hätte, der der demokratischen Kontrolle durch die EU-Institutionen, das EU-Parlament etc., völlig entzogen ist. Im Rahmen des letzten Treffens der "Eurogruppe" (Gremium der Euro-Finanzminister) kam es zu einer Situation, in der die angesprochene Konfliktlinie förmlich greifbar wurde: Griechenlands Finanzminister Varoufakis wollte dem geplanten Statement der Eurogruppe nicht zustimmen, das dann ohne seine Zustimmung veröffentlicht wurde. Er hat sich an den juristischen Dienst des EU-Rates gewandt und gefragt, ob es möglich ist, ausnahmsweise nicht-einstimmige Erklärungen zu beschließen und die Antwort war eindeutig: "Die Eurogruppe ist eine informelle Gruppe und deshalb nicht an Regulative oder Verträge gebunden. Auch wenn Einstimmigkeit bisher üblich war, ist der Eurogruppen-Präsident nicht an explizite Regeln gebunden." Das ist die erste Situation wo so offen zu Tage tritt, dass weitreichende Entscheidungen informell und ohne rechtlichen Rahmen getroffen werden.
- Antwort der Europäischen Kommission auf eine Anfrage griechischer EU-Parlamentarier bezüglich der MoU ("Memoranda of Understanding", Spar- und Kreditabkommen zwischen EU und Griechenland)
Nein, die erste Situation war die Antwort der EU-Kommission auf eine Anfrage im EU-Parlament zur EU-Grundrechtecharta. Sie sagten ganz klar: diese gilt für die Sparprogramme in Griechenland nicht, weil es sich um bilaterale (zwischenstaatliche) Verträge handelt und nicht um einen Vertrag mit der Europäischen Union. Deshalb kann die Grundrechtecharta der Europäischen Union nicht angewandt werden.
The excellent @WhelanKarl on why #ECB ELA status quo is effectively same as making most #Greece banks stayed closed https://t.co/K4v86IU65s
— Ryan Heath (@PoliticoRyan) 28. Juni 2015
Wie kam es denn dazu? Auch wenn sie nicht auf EU-rechtlichem Boden operieren, haben die Euro-Länder all die Instrumente der Troika ja einmal beschlossen.
Weil das nicht anders geht. Man kann so ein Programm nicht mit demokratischen Mitteln durchziehen. Das geht nicht, weil die Menschen sich ja dagegen wehren. Man muss also einen Umweg finden - und ein Umweg ist ein nicht-demokratischer Umweg. Deshalb haben sie auch zugestimmt - weil sie das wollten: die Möglichkeit, an der Demokratie vorbei zu arbeiten. Es geht dabei ja nicht nur um die Eurogruppe. Die ist ja informell, das ist richtig; und die entscheidet ohne Vollmacht und ohne Transparenz. Aber der Europäische Rat entscheidet auch ohne Transparenz. Weiß jemand in Österreich, was der österreichische Kanzler dort sagt? Oder wofür er stimmt? Keiner. Ich will damit nicht sagen, dass er etwas falsches sagt, aber das Problem ist, dass die BürgerInnen wissen müssen, was ihr Vertreter tut.
Erklärt sich aus dieser Situation auch der mediale Gegenwind, der der griechischen Regierung entgegen weht, sobald sie ihre Vorschläge publiziert und kommuniziert?
Das ist nicht so ganz einfach. Die griechische Regierung hat von Anfang an vorgeschlagen, dass die Vorschläge aller Seiten öffentlich gemacht werden sollen. Das wurde abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass die Gespräche vertraulich sind. Am nächsten Tag haben die Troika-Verhandler der Presse wahlweise Auszüge von Redebeiträgen und Vorschlägen der Presse zugespielt. Daraufhin hat die griechische Regierung reagiert, indem sie alles veröffentlicht hat.
Die Finanzanalystin Frances Coppola hat zuletzt festgestellt, dass wohl die BBC–Vorabmeldung Sonntag früh ("EZB plant, Liquidität zu kappen") den Bankrun deutlich angeheizt hat. Abends hat die EZB die Liquidität nicht gekappt, Kapitalkontrollen (maximal 60 Euro/Tag beim Bankomat behebbar) waren aber bereits "alternativlos". Wie sehr sind Medien hier am Geschehen selbst beteiligt?
Die schlimmste Form der Zensur ist, wenn man die Schere im Kopf hat. Ich glaube nicht, dass all diese Journalisten instruiert werden. Aber entweder haben sie Angst, oder sie passen sich so weit an, dass sie auch glauben, was sie sagen. Das meine ich mit eingebauter Zensurschere. Ich kenne die Lage in Österreich diesbezüglich nicht ganz so genau, obwohl ich einen wohltuenden Unterschied zwischen den Gesprächen mit österreichischen und deutschen Journalisten empfinde. Aber ich meine, dass in Deutschland - mit sehr guten und rühmlichen Ausnahmen - es so scheint, als würde ein Teil der Presse - die Springer-Presse - die Linie ausgeben, und sich die anderen Medien dieser Linie anpassen. Ich glaube nicht, dass die Springer-Presse mit der Regierung abstimmt, was sie sagt oder schreibt. Ich glaube eher, dass sie eine Stimmung in der Bevölkerung erzeugen, diese Stimmung pflegen und davon profitieren. Das bringt etwa auch Sigmar Gabriel dazu, das hat er ja im SPD-Parteivorstand zu sagen, "dem Volk nach dem Mund zu reden, das müssen wir machen". Und sie hoffen, dass dadurch auch den Parteien keine andere Wahl bleibt, als sich so zu benehmen - ob sie es wollen oder nicht.
It is 100% accurate @yanisvaroufakis not personally insulted at Riga #eurogroup. Words "gambler", "amateur", "time–waster" never uttered
— Peter Spiegel (@SpiegelPeter) 21. Mai 2015
Zur Episode nach dem Euro-Gipfel in Riga, wo tagelang die Schlagzeilen voll waren mit "Berichten" darüber, dass die anderen Minister Varoufakis einen Spieler, Zocker etc. genannt hätten: Interessanterweise erst Wochen später - dafür dann aber sehr überzeugt - schrieb Peter Spiegel (Brüssel–Bürochef der Financial Times), das sei alles nicht wahr. Dass Herr Spiegel das nicht früher kommuniziert hat, hat mich gewundert. Hat das auch mit den Arbeitsumständen und Abhängigkeiten in der Branche selbst zu tun, die ein Ausscheren aus den üblichen Gepflogenheiten erschweren, weil man dann vielleicht zukünftig nicht mehr mit Informationen versorgt wird?
Das kann sein. Aber es gibt wie gesagt Journalisten, die ihre Arbeit machen - gewissenhaft machen. Natürlich hat der Druck etwas damit zu tun, dass sie die Schere im Kopf haben. Aber sie müssen ja nicht. Und es gibt genug Beispiele dafür, dass sie es tatsächlich nicht müssen. Ich meine damit nicht allein Journalisten, die nicht konservativ eingestellt sind. Ich habe gestern im deutschen Fernsehen in einer reinen Propaganda-Sendung, dem "Brennpunkt"; die Stellungnahme der Vertreterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Athen gesehen - das ist eine konservative Person - die war ausgewogen, hat ihre Meinung gesagt. Aber so, dass man Argumente hörte, und nicht Geschrei.