Erstellt am: 29. 6. 2015 - 19:19 Uhr
Der gefährliche Weg nach Europa
George Bush will Waffen finden und Ajar will Gerechtigkeit und Vergeltung. Der Kurde kommt aus Kirkuk, der Stadt des Erdöls. Unter Saddam wird er als Kurde diskriminiert. Araber kriegen höhere Löhne, zahlen weniger Mieter und haben die besseren Ärzte. Als er hört, dass die Amerikaner Saddam absetzen, macht er mit. Hauptsache den Diktator stürzen und sich rächen.
„Ich war auch dabei. Sie hatten mich angesteckt. […] Was waren schon die paar Sachen gegen all die Jahre. Wir gingen in die Häuser der Araber und nahmen die Dinge, die uns gehörten.“
Luftschacht Verlag
Doch bald ändert sich die Lage und auch Ajar wird selbst zum Verfolgten. Der Krieg destabilisiert das ganze Land. In den Wirren des Kriegs setzen sich die Stärkeren, also die Bewaffneten durch. Für Leute wie Ajar wird es Daheim gefährlich.
Alles im Kontext
Ajar ist eine/r der sechs ProtagonistInnen in Christoph Milers „Nowhere Men“. Bevor sie von ihrer gefährlichen Reise nach Europa erzählen, erinnern sie sich daran, wie es daheim war. Es wird schnell klar: die einzelnen Schicksale sind Teile von globalen Ereignisströmen.
Miler hat in Dorbirn und Zürich Design studiert. Entstanden ist das Buch aus seiner Masterarbeit. Designelemente ziehen sich durch das ganze Buch, dass schwarz-weiß gehalten ist. Im Mittelpunkt stehen aber immer die persönlichen Erzählungen.
"Mein Ziel war es, die Geschichten möglichst authentisch und nah zu erzählen und gleichzeitig die Leute hinterfragen zu lassen, in wie weit wir mit diesen Geschichten zu tun haben." sagt Miler.
Miler verknüpft die einzelnen Erzählungen mit Fotos, Grafiken und Statistiken. In der Geschichte der Näherin Devi taucht plötzlich die Werbung einer großen Modekette auf. Bidemi, der aus Nigeria stammt erzählt, wie als Bauer gearbeitet hat. Als Illustration gibt es ein Foto von eines Hot-Dog-Wettessen.
Radio FM4
Eine seltene Intimität
Miler hat seine GesrpächspartnerInnen als freiwilliger Helfer in der Flüchtlingsarbeit kennengelernt. Er hat sie auf Behördenwegen und in ihrer Freizeit begleitet. Und er hat mit ihnen über eineinhalb Jahre hinweg mit ihnen über die Gründe ihrer Flucht und den gefährlichen Weg nach Europa geredet. Das war nicht immer einfach: "Beim Erzählen steigen die Emotionen und Erinnerungen wieder hoch. Das hat teilweise echt mitgenommen."
Es sind direkte, ungeschönte Geschichten, die Miler gesammelt hat und das ist auch die Stärke von "Nowhere Men".
In den skizzenhaften Erinnerungen von Ajar, Devi, Joao, Sissoko, Bidemi und Gulisa entsteht eine seltene Intimität und es zeigt sich, wie in Vergessenheit geratene dramatische Ereignisse wie der Irak-Krieg oder die eingestürzte Textilfabrik in Bangladesch noch heute das Leben von Millionen Menschen bewegen.