Erstellt am: 29. 6. 2015 - 18:23 Uhr
Übers Wochenende zu einem Festival in Slowenien
Matjaz Rust / Flow Festival
FM4 Festivalradio
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Das Flow Festival kommt eigentlich aus Helsinki, Finnland, aber anscheinend wollte es sich, wie so viele andere Festivals, aus- und verbreiten und startete einen Ableger in Ljubljana. Weil Kollegin Natalie Brunner unbedingt zu diesem Festival wollte, packten wir unsere Sachen und machten uns bereit für den Wochenendtrip nach Slowenien: Adventure Time in unerforschtem Terrain.
Matjaz Rust / Flow Festival
Am ersten Flow-Abend sind wir noch voller Elan, Motivation, Drive und was es sonst noch so an Motivational-Speaker-Worten gibt. Das legt sich, als ich sehe, dass die Akkreditierungsschlange viel länger ist als die für die normale Bändchenausgabe.
Ist das ein Event, zu dem irgendwelche Firmen irgendwelche Firmenfreunde hinschicken und man sich das ganze Festival über fragt, ob hier überhaupt jemand wegen der Musik ist? Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Aber unbegründet, einerseits weil uns auf der Sponsorenwand hinterm Eingang ein rührend deplazierter Playboyhase entgegenstrahlt und andererseits weil das gesamte Festivalareal, das in einer ehemaligen Tabakfabrik mit Gulag-Optik stattfindet, wie eine super nette Gartenparty aufgemacht ist und nicht wie eine Selbstbeweihräucherungsveranstaltung unserer Corporate Overlords. Eine angenehme, logofreie Zone tut sich vor uns auf. Erst jetzt wird mir klar, wie angenehm eine von der visuellen Umweltverschmutzung Markenlogos befreite Zone ist.
Und das Essensangebot: Avocado Burger, Thai Springrolls, Kokostorten mit Himbeer-Zartbitter-Schokomousse sind doch mehr einer positiven Grundstimmung zuträglich als Dukatenchips und Brot mit Senf.
Trüffelpommes sind zwar seit dem New York Times Interview, das Lynn Hirschberg mit M.I.A geführt hat (sie sagt, sie sei eine Revolutionärin und schiebt sich dazu Trüffelpommes in den Mund) übel beleumundet, aber sie wirken jedesmal, wenn die Stimmung unserer Exkursionsgruppe sinkt.
Die Besucherzahl ist - sagen wir mal - überschaubar, man musste sich weder für Leckeien, noch fürs Aufs-Klo-Gehen danach anstellen.
Matjaz Rust / Flow Festival
Den ersten Act, dem wir Aufmerksamkeit widmen, ist DJ Koze, der ein Set spielt, wie er es wohl schon vor zehn Jahren gespielt hat. Was aber ja nicht unbedingt schlecht ist, ich schaue auch noch immer fast täglich die selben Simpsonsfolgen von vor zehn Jahren und sie sind perfectly cromulent.
DJ Kozes aktueller Release ist ein Mixtape in der DJ Kicks-Serie von K7.
Wäre ich von neurotischem Kategoriesierungswahn besessen, würde ich das ganze "Zirkushouse" nennen. Versierte FestivalbesucherInnen, die bereits das Lighthouse Festival miterlebt haben, äußern sogar den Verdacht, dass das Set auffällige Ähnlichkeit mit der akkustischen Darbietung am Strand von Kroatien habe, nehmen die Unterstellung aber sofort wieder zurück, aus Angst, man könne sie zitieren.
Matjaz Rust / Flow Festival
Matjaz Rust / Flow Festival
Am Samstag steht Apokalypse auf dem Programm: Der Regen prasselt gnadenlos auf uns herab und es wird plötzlich um 15 Grad kälter. Uns kann das nicht davon abhalten, unseren Respekt für Run the Jewels in der ersten Reihe durch persönliche Anwesenheit gepaart mit ambitioniertem Tanz- und Schrei-Einsatz unter Beweis zu stellen. El-P und Killer Mike lassen sich keine Verstimmung wegen des hauptsächlich aus Damen bestehenden, aber doch sehr kleinen Grüppchens Unerschrockener anmerken. Nach einem "We are the Champions"-Prolog und der kurzen Info, dass die vom Flughafen in Ljubljana ziemliche Ungustln seien, geht es los. Es ist so gut, dass ich "RuntheJewels RuntheJewels RuntheJewels" noch immer im Kopf habe. Das wirklich Einzige, das bei ihrem Auftritt unangenehm auffällt, ist, dass auf den großen Monitoren links und rechts der Bühne immer nur El-P zu sehen ist. Denken die Flow-Kameraleute, Killer Mike wäre der Hype Man?
Natalie Brunner
Am nächsten und letzten Tag wartet das Flow mit Caribou, Róisín Murphy und etwas weniger apokalyptischem Wetter auf. Nachdem wir am Meer etwas Sonne tanken, geht es mit Caribou fast genauso sonnig weiter. Zum auf bunten Bänken sitzen und von ganz weit hinten zuschauen ist dsa Konzert ideal.
Róisín Murphy trägt Gelassenheit, Reflexion und möglicherweise auch ein Quäntchen Trauer mit sich herum. Von der Euphorie der Moloko-Anfangstage ist nur mehr wenig zu spüren. Róisín ist kein "Pure Pleasure Seaker" mehr, sondern eine Diva, die eine Aura der Gloomyness umgibt, an Leidenschaft hat sie nichts verloren.
Matjaz Rust / Flow Festival
Nach drei Tagen Flow mit einer (klein-)familiären Stimmung kann ich eigentlich nur eines sagen: nett. Aber nicht so ein "nett", wie andere zu furchtbaren Dingen "interessant" oder "das ist auch eine Meinung" sagen, sondern einfach nett wie wirklich ein guter Grund für eine Exkursion.