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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 6. 2015 - 13:32

The daily Blumenau. Friday Edition, 26-06-15.

Der Boulevard, Virtuelles, die Länder und Onkel Steed.

#demokratiepolitik #machtpolitik #föderalismus #männerbilder #frauenbilder

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Virtuelle/Reale Welten und die Boulevard-Politik

Es war ein Gutes am gestern brachial gescheiterten Asyl-Gipfel; was nichts daran ändert, dass die von allen Seiten bewusst inszenierte Nicht-Einigung eine nationale Schande oder ein Desaster darstellt. Dass nämlich in zumindest einer Hinsicht mit offenen Karten gespielt wird. Und es war wieder VP-Chef Mitterlehner, der den schon zuletzt spürbaren Philosophie-Wechsel aktiv anritt.

Seine Kritik erschöpft sich nämlich nicht im Abtausch von Populismen, sondern setzt auf der Meta-Ebene auf: der Vizekanzler wollte den Knackpunkt des Scheiterns der Verhandlungen offenlegen, das Faymann-Spiel über eine seiner beliebten Banden im Boulevard, diesmal war's die Kronen-Zeitung.

Apropos: das Selbstbild der Kronen-Zeitung hat sich selten schöner gezeigt als in der heutigen Jeanne-Kolumne. Der Altstar erinnert sich da an sein völliges Versagen als Jungreporter, als er - Anlass war ein Queen-Besuch - seinen Bericht mit einer grundfalschen Schlagzeile durch-telefonierte. Weder seine damaligen Chefs noch der heutige Senior-Reporter fanden/finden da etwas dabei; es gibt ein Verständnis-Problem zur Falsch-Berichterstattung. Und es zeigt sich ein Journalismus, der nicht die Realität abbilden muss, sondern der beschreibt, was passieren sollte, wenn es nach dem eigenen Weltbild geht.

Natürlich ist diese Kommunikation eine avancierte, die der üblichen Polit-Kommunikation, die übers rein Affirmative kaum hinausgeht, keine Konkurrenz machen wird können. Nachdem aber zu bemerken war, dass auch die sogenannte Zivilgesellschaft, also die 10 oder 15% der Menschen, die sich überhaupt noch für politische und soziale Zusammenhänge interessieren, gar nicht mehr selbstständig verknüpfen kann, und Offensichtliches nicht mehr sieht, dient dieser Vorstoß offenbar der Bewusstmachung innerhalb dieses Segments. Fakt ist: wenn ein unentdeckt bleiben wollender Zusammenhang nicht offen angesprochen wird, dann wird er unsichtbar. Zunächst für jene, die eh nicht genauer hinschauen wollen, schlussendlich aber für alle.

Reinhold Mitterlehner hebt die Zeigefinger nach oben. Werner Faymann steht daneben

APA/ROLAND SCHLAGER

Interessant an der Mitterlehnerschen Wortwahl ist auch die Verwendung des Gegensatz-Paares virtuelle und reale Welt, in der er seinen Kontrahenten/Partner und sich selber sieht. Wenn Mitterlehner es schafft diese Begriffe auf mehreren Ebenen zu setzen (etwa im Bereich der Realwirtschaft und ihrem virtuellem Gegenstück, der Finanzwirtschaft) könnte er den populistischen Billig-Angeboten das Monopol auf das "wirkliche Leben", die "berechtigten Sorgen" und all die anderen Schein-Themen streitig machen.

Und noch was: gesetzt den Fall es würde so etwas wie eine langfristige Strategie-Setzung innerhalb der Regierungs-Parteien geben - ab jetzt wäre die softe Eröffnung eines großen Diskurses möglich.
Denn das offensichtliche Herumeiern der Länder in der Asyl-Frage, das Hin- und Hergeschiebe der Bezirke und der daraus entstehende naserümpfende öffentliche Blick auf die Verhinderer würde eine große Debatte über die Sinnhaftigkeit einer Verzettelung auf vielen, zu vielen verschiedenen Verwaltungs-Ebenen aufmachen. Die de-facto-Pleite in Kärnten, die Zockereien in Salzburg und anderswo und das erpressische Dauerpatt zwischen Bund und Ländern sind weitere Dosenöffner für das, was internationale Experten (oder auch heimische, Stichwort: Österreich-Konvent) bei einem Blick auf die hiesigen Strukturen (die Hände über dem Kopf zusammenschlagend vor lauter Unglauben) seit einiger Zeit an Reformen einfordern: die Abschaffung zumindest einer Ebene über den Gemeinden, die drastische Reduktion der politischen Macht der Länder bis hin zur Zusammenlegung in Groß-Regionen (wie es im Osten ja eh schon passiert).

Der tote Onkel und das neue Männerbild

John Steed ist gestorben. Also natürlich sein Darsteller, Patrick Macnee. Er war der Melonen-Träger in "The Avengers", nicht in der späten Verfilmung, sondern in der Sixties-Fernsehreihe. Steed nahm in "Mit Schirm, Charme und Melone", dieser auch durchaus britisch-schwarzhumorigen, in ihren besten Tagen vom Swinging London und dem Carnaby-Gebrauchs-LSD zum leicht irren Action-Spaß hochgepushten Serie der Frühzeit des Farbfernsehens, eine wichtige Rolle ein. Sein in all seiner Überkandideltheit zurückgenommener Stil bereitete (hierzulande) den Verständnis-Pfad für Monty Python, sein Charakter war die ironische Variante von später nachfolgenden schon zerrisseneren Helden wie Patrick McGoohans Prisoner, der Nummer 6, oder dem UFO-abwehrenden Commander Straker.

Apropos Avengers, The Prisoner oder UFO: wie man sieht ist die Bedeutung von TV-Serien als Impulsgeber in die Mitte der Gesellschaft kein neues Vorrecht unserer Tage.

John Steed konnte es sich leisten der Welt mit einem süffisant-positiven Let's-see-Zugang und auch den unsinnigsten Zeitgenossen mit Neugier und Aufmerksamkeit zu begegnen - er hatte eine Partnerin, die ihn in kritischen Situationen rauszuhauen verstand: Emma Peel, dargestellt von der catsuitartig in schwarzes Leder gekleideten Diana Rigg. Miss Peel, eine Modesty Blaise mit Augenzwinkern, war ebenso wehrhaft wie katzengewandt, ebenso witzsprühend wie humorlos.

Ich hab' keine Stricherllisten geführt, aber der Film/TV-Klassiker "starker Mann rettet schwache Frau" hatte in dieser Partnerschaft wenig Platz. Mitten in einer Gesellschaft mit ganz klar aufgeteilten Geschlechterrollen schenkten Steed und Peel einander nichts, und standen einander in nichts nach.

Weil die Emma Peel-Figur nun nicht nur gewandt und gewitzt, sondern auch so sexy war, dass sie Stammgast in feuchten Teenager-Träumen sein musste, kam diese Arbeitsteilung auch bei den Buben an. Und in dieser Welt stand die Steed-Figur für ein brauchbares neues Männerbild: einer, der eine starke Frau neben sich nicht nur erdulden und ertragen konnte, sondern es auch spürbar lässig und lustvoll empfand, so arbeiten zu können. Ein lässiger Onkel also. Das Steed/Peel bzw. Macnee/Rigg-Spiel ließ keinen anderen Schluss zu - es machte merklich zu viel Spaß. Steed war also der Mann, der froh war in seiner klassischen Männerarbeit (ein Agent sein, mehr Mann geht ja nicht) von einer adäquat engagierten Frau entlastet zu werden, sich verlassen zu können, und auch einen Partner für die an klassische Screwball-Comedies gemahnenden Dialoge zu haben, in denen sexuelle Anspielungen auf Teasing-Niveau beide Geschlechter am erotischen Surren halten.

Die Figur des Steed hat mich mehr beeinflusst als es mir damals bewusst war. Danke, Macnee.