Erstellt am: 25. 6. 2015 - 14:31 Uhr
Und lass uns brennen
Andreas Dorau ist ein Besucher in den Zonen. In seinem bislang über dreißig Jahre langen, wild verzweigten Schaffen als Künstler, vielleicht wollen wir es gar "Karriere" nennen, hat der deutsche Alleskönner oder Allesausprobierer so ziemlich viel ausgetestet: Musik, Kunst, Film, Dorau war da und dort durchaus bis ziemlich erfolgreich, hat danebengegriffen und sich verhoben, ist missverstanden worden.
Gerne wird behauptet, dass irgendetwas das "etwas andere" irgendetwas sei – bei der kürzlich erschienenen Biografie von Andreas Dorau stimmt das nun wirklich. "Ärger mit der Unsterblichkeit" heißt das Buch schön arrogant, geschrieben hat es Dorau gemeinsam mit dem erprobten Autor und Freund Sven Regener. Dorau hat erzählt, Regener formschön auf die Seite gebracht.
Charlotte Goltermann
Zwar führt das Buch die "Unsterblichkeit" schon im Titel, tatsächlich ist dann nach knappen 180 Seiten auch schon wieder Schluss und auch sonst bemüht sich "Ärger mit der Unsterblichkeit" nicht um den gewichtigen, weihevollen Ton einer hochtrabenden Künstlerexistenz. Tiefgründige Einblicke in eine unverbildete Jugend, die feinen Ofengerüche aus Omas Küche, Midlife-Crisis, Scheidungen, tiefschürfende Beziehungskrisen – all das, womit man oft in tausendseitigen Schinken gequält wird, fehlt hier.
Galiani Berlin
"Ich wollte einen abendfüllenden Kinderfilm machen, der hieß "Der beste Hund der Welt". Darin ging es um einen Jungen, der mit seinem Vater in ein Dorf zog, in dem alle anderen Kinder richtige Hunde hatten, nur unser Junge nicht, der hatte einen Holzhund auf Rädern. Deshalb lachten alle über ihn, aber am Ende rettete dieser Holzhund das ganze Dorf."
Absurde Kunstfilme, Avantgarde-Opern, dadaistischer Schlagerpop, toller Techno-Pop über rätselhaften Alltag. "Ärger mit der Unsterblichkeit" ist eine schlanke Anekdotensammlung. Geschichtchen, oft nicht mehr als 2, 3 Seiten lang, auch kaum chronologisch geordnet, erzählen von einem abenteuerlichen Lebenslauf.
Am Anfang, gleich im ersten Kapitel, wird die ungeliebte Geschichte abgearbeitet und aus dem Weg geräumt, die bis heute noch als prominentester Eintrag in der Biografie Andreas Doraus prangt: Der Song "Fred vom Jupiter" - der Hit, den Dorau abgesehen von finanziellen Annehmlichkeiten wohl bis heute ein bisschen hasst.
Das Stück, das Dorau 1981 noch als Teenager geradezu passiert ist und den jungen Mann in die verachtete Welt von angeschlagerter und fast schon volksmusikalischer Neuer Deutscher Welle geführt hat. Dabei war Andreas Dorau doch ideologisch und menschlich der Aktionismus-Musik und der deutschen Variante von Postpunk von Gruppen wie Der Plan oder Palais Schaumburg klar näher.
Was man in Musikerbiografien immer gerne lesen will, findet sich hier zuhauf, wenn auch oft mit einem leisen melancholischen, sich selbst anzweifelnden Unterton. Wann fliegt denn der Fernseher aus dem Fenster? Partys, Alkohol, misslungene Konzerte und missglückte Fanbesuche bei Dieter Bohlen und Bryan Ferry. Nochmal Alkohol. Gemeinsam mit seinem langjährigen Produktionspartner Tommi Eckart versucht sich Dorau wenig erfolgreich an der Miterfindung von Techno in Deutschland und verstört auch Fans mit seiner Kunst.
Die Geschichte von Andreas Dorau ist sehr oft eine Geschichte des Scheiterns, dabei wird dieses inflationär gebrauchte Wort in "Ärger mit der Unsterblichkeit" nicht überstrapaziert oder groß mit kathartischer Bedeutung beladen. Dinge passieren eben, es geht weiter. Gleichzeitig gesteht sich Dorau netterweise auch Gefühlsregungen wie Neid und Missgunst ein, beispielsweise wenn unliebsame Kollegen wie die Gruppe Rammstein deutlich erfolgreicher sind, als man das selbst je hinbekommen würde.
In Rage getrunken schmeißt Dorau dann auch schon mal einen mannshohen Kunststoff-Hinkelstein, der der Band als Promo-Gimmick dienen soll, aus dem Fenster. Und dann kommt irgendwann wie aus dem Nichts auch für Dorau der Überraschungshit: Mit dem Song "Girls in Love" landete er in Frankreich in den echten, richtigen Popcharts und in den dazugehörigen durchkaraokisierten Fernsehchart-Shows. Das waren die späten Neunziger.
"Ärger mit der Unsterblichkeit" ist ein rasantes Buch, in dem Skurriles geschieht, das die Skurrilität in Anführungszeichen aber nicht übertreibt. Ein nüchterner Blick auf das Auf und Ab eines Künstlerdaseins. Oft geht es auch gar nicht um die Kunst und die Mühlen der Musik, sondern um Doraus Sympathie für Tiere oder seine Versuche den Wehrdienst zu verweigern. Ein sprunghafter Abriss ohne große Dramaturgie, voller Leerstellen und voller Höhepunkte.
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"Als der Film fertig war, führte ich ihn als Abschlussarbeit bei der Filmhochschule vor. Die Prüfer verließen am Ende wortlos das Kino und haben mit mir nie über das Werk gesprochen."