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Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

24. 6. 2015 - 16:50

"Bahrain ist immer noch mein Land"

Der Zwergstaat Bahrain taucht nur selten in den Nachrichten auf. Er ist er einer der düstersten Orte wenn es um Meinungsfreiheit geht. Der Blogger Ali Abdulemam hat das am eigenen Leib erlebt.

Die Heimat von Ali Abdulemam, das Königreich Bahrain finden wohl die wenigsten gleich auf Anhieb auf einer Landkarte. Bahrain ist ein Zwergstaat und besteht aus 33 Inseln im Persischen Golf. Die Nachbarn sind Katar und Saudi Arabien. Etwas mehr als eine Million Menschen leben dort. Seit 1783 ist eine Familie an der Macht, der Khalifa Klan. Zeitungen, TV- und Radiosender gehören entweder der Königsfamilie oder werden von ihr kontrolliert. Aktuell sitzen mehrere Aktivisten, Journalisten und Fotografen hinter Gittern, weil sie in sozialen Medien über Proteste und Folter berichtet haben.

"Bahrain Online"

Und trotzdem: Bahrain sei immer noch sein Land, aber er könne dorthin nicht mehr zurück, sagt der Blogger und Programmierer Ali Abdulemam. Ihm drohen in seiner Heimat 15 Jahre Gefängnis. Anfang des Jahres wurde ihm sowie anderen 70 Aktivisten sogar die Staatsbürgerschaft entzogen. Erfahren hat es der 36-jährige über den Kurznachrichtendienst Whats App. Seit 2013 lebt Ali Abdulemam mit seiner Frau und seinen drei Kindern im politischen Asyl in London.

Protestmarsch

CC BY SA 3.0 von Lewa'a Alnasr

CC BY SA 3.0 (bearbeitet); Ali Abdulemam (Mitte) bei einem Protestmarsch für Demokratie 2011

1998 hat der damals Neunzehnjährige Bahrain Online gegründet - eine Plattform, auf der man sich, anonym, Gedanken, über die heimische Politik machen kann. "Ich kann mich noch gut an die Nacht erinnern, als ich die Webseite erstellt habe. Ich hab mich ein bisschen mit dem Netz gespielt, hab diese Seite gebaut, aber niemandem groß was davon erzählt." Am nächsten Morgen waren bereits fünf Nutzer registriert, die Geschichten gepostet hatten.

Zensoren lesen mit

Innerhalb kürzester Zeit wird "Bahrain Online" zur meist besuchten Webseite im Land, mit bis zu 200.000 Zugriffen pro Tag. Das erste freie Informationsportal, auf dem man sich über politische Reformideen austauschen und über Korruptionsaffären informieren konnte. Gerade die Opposition und NGOs nutzen die Plattform.

"Soziale Medien wie Twitter und Facebook und die Möglichkeit selbst zum Sender zu werden, kamen ja erst Mitte der Nullerjahre". Mit Bahrain Online waren die Menschen in Bahrain viel früher dran. Auf der Plattform konnte man sich über die aktuellen Ereignisse rund um die Uhr informieren. "Wenn etwas auf der Straße los war und man darüber Bescheid wissen wollte, ging man auf die Webseite. Ich weiß von einigen Ministern im aktuellen Kabinett, die sich auf Bahrain Online informieren. Einer sagte mir sogar einmal, ich lese keine inländischen Zeitungen, nur Bahrain Online. Und er ist der, der dafür verantwortlich ist, dass die Seite geblockt wird", erzählt Ali.

Haft und Folter

Ende 2010 wird Ali Abdulemam verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, über seine Webseite falsche Informationen zu verbreiten. Knapp ein halbes Jahr ist er im Gefängnis, wird dort verhört und gefoltert. "Sie haben mich eigentlich nur zu einem einzigen Artikel befragt, den ich unter meinem Namen veröffentlicht habe. Ich habe darin den Rücktritt von Chalifa gefordert. Er ist seit 1971 Premierminister, also seit fast 45 Jahren. Er wurde nicht gewählt, sondern auf unbestimmte Zeit von seinem Bruder eingesetzt. Wir haben derzeit keine Möglichkeit ihn abzusetzen."

Ali Abdulemam im Anzug bei einer Konferenz

CC BY 2.0 von flickr.com/websummit/

Ali Abdulemam 2014

Mit seiner Inhaftierung verliert Ali Abdulemam seinen Job als Programmierer bei der staatlichen Fluglinie Gulf Air. Im Februar 2011 brechen in Bahrain als verspätete Reaktion auf den arabischen Frühling blutige Proteste aus. Zur selben Zeit wird der Blogger aus der Haft entlassen. Ali taucht fast 2 Jahre unter, bevor ihm 2013 auf abenteuerliche Weise die Flucht nach London gelingt. In Abwesenheit wurde er von einem Gericht wegen Verschwörung gegen den König zu 15 Jahren Haft verurteilt. Für die Meinungsfreiheit in seinem Land kämpft Ali Abdulemam weiterhin unter anderem als Mitglied der Aktivistengruppe Bahrain Watch und NGO Bahrain Center for Human Rights.