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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

24. 6. 2015 - 13:25

Bleibt lieber still

Das Leben ist leider kein Musikvideo.

Erinnert ihr euch an das Video der Cardigans - "My favorite game"? Dort stellt die Sängerin Nina Persson einen Stein auf das Gaspedal ihres Cabrios und rast in einer wilden Todesfahrt auf den Highway. Wer nicht rechtzeitig ausweichen kann, wird umgefahren oder fliegt von der Straße. Am Ende findet sie selbst den Tod. Das Video wurde damals von MTV verboten und nur in der zensierten Version ausgestrahlt. Ich erinnerte mich daran, als ein psychisch Kranker in die Fußgängerzone von Graz raste und ziellos Passanten umfuhr. Das Leben ist leider kein Musikvideo. Man kann nicht einfach auf Stop drücken. Es gibt auch keine zensierte Version davon.

Menschen legen Blumen nieder in Graz

APA/ELMAR GUBISCH

Mit Akzent

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Aber wenigstens können wir versuchen, menschlich zu handeln und unsere Worte zu zensieren. Gleich nach dem Vorfall, ohne über entsprechende Informationen zu verfügen, kam eine Tageszeitung mit einem Artikel heraus, der von einem möglicherweise islamistisch motivierten Attentat berichtete. Der Versuch, mit der Tragödie in Graz ethnische Spannungen zu wecken, ist offensichtlich. Der Fahrer des grünen Geländewagens ist in Bosnien geboren, das heißt, er ist muslimisch. Es ist egal, dass die Beamten in Graz sofort jegliche religiös motivierte Handlungen der Amokfahrer verneinten. Die Zeitungsbombe wurde geworfen und viele der Leser werden sich daran erinnern.

Mit einer Nachricht über ein angeblich religiös motiviertes Attentat kam auch ein politischer Anführer in die sozialen Netzwerke. Die ausländerfeindliche Rhetorik wird aufrechterhalten, denn Angst und Hass bringen Wählerstimmen.

Es stellte sich heraus, dass einer der Toten in Graz muslimisch ist. Seine Frau, die er vor nur zwei Wochen geheiratet hat, liegt im Koma. Das getötete Kind ist aus Bulgarien. Es ging spazieren mit seinem Vater, mit seinem ersten Fahrrad. Es könnte auch aus Österreich oder aus Indien sein.

Vor dem Tod sind alle gleich. Journalisten und Politiker ebenso. Der Rest ist Stille.