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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

24. 6. 2015 - 17:32

Wolf Alice veröffentlicht endlich ihr Debutalbum

Eines der meisterwarteten britischen Alben des Jahres ist nun da: "My Love Is Cool", das Album-Debut von Wolf Alice. Brit-Rock vom Feinsten, voller Einflüsse und Bezugspunkte und doch so frisch.

Das Wölfische in Musik, Literatur und Film verspricht Gefährliches. Der Wolf als wilde Kreatur - die mehr als nur das Rottkäppchen fressen will. Wolf Alice ist Rotkäppchen und Wolf zugleich. Eine Rockerin im Mädchenkleid, wohl mit dem Courtney-Love-Poster von 1992 an der Wand, im alten Kinderzimmer zuhause in London. Nicht ganz, denn Ellie Rowsell ist als Jahrgang 1992 zu jung für ein Kinderzimmer mit Courtney an der Wand, es sei denn, sie hat Hole, L7 und die Babes In Toyland weit nach deren Zeit bzw. Zenit für sich entdeckt und an die Wand geklebt. Hat sie wohl. Und dann ist sie zu einem Joanna-Newsom-Konzert gegangen.

Fairytale Monster

Albumcover Wolf Alice 2015

Caroline/Universal

"My Love Is Cool" von Wolf Alice

"If fear is in the mind, then my mind lives in fear as deep in this voice as vast as the dirty British sea." (Wolf Alice - "Turn To Dust")

Ihren Künstlernamen hat Ellie Rowsell von der britischen Schriftstellerin Angela Carter, einer Shortstory der Feministin Carter und wahrscheinlich deren Werwolf-Geschichte "The Company Of Wolves", die Anfang der 80er Jahre verfilmt wurde: Ein Mädchen träumt davon, dass es mit den Eltern in einem Märchenwald lebt. Dann wird die Schwester von einem Wolf getötet, der Wolf schließlich erlegt... Das "Alice" in Wolf Alice weckt natürlich Assoziationen mit Alice im Wunderland und dem Übersinnlichen im Märchen. Dass Wolf Alice - ein Quartett eigentlich, aber wen interessieren die drei Männer um Ellie Roswell ehrlich gesagt schon weiter - als Folk-Duo begannen, macht Sinn, auch die glockenhelle, glasklare Stimme von Rowsell könnte aus der Folkwelt kommen.


"Fluffy", einer der ersten Songs von Wolf Alice, wurde für das Album jetzt neu eingespielt.

Wolf Alice traten vor gut zwei Jahren erstmals in England auf die Bildfläche. Da war Ellie Rowsell gerade einmal 20 Jahre alt. Die britische Popmusikpresse grub Erinnerungen an Musikerinnen wie Fluffy oder Shampoo aus, englische Frauen, die in den 90er Jahren Musik machten und damit teils geschätzt und teils belächelt wurden, nicht nur von den männlichen Popmusik-Journalisten und Sendungsmachern.

Auch der Name Elastica wird hervorgeholt, Justine Frischmanns Britpop-Band, der neben Sleeper und Catatonia einzigen von einer Frau angeführten bekannten Band im Großbritannien der 90er Jahre. Das Einzige, das Ellie Rowesell mit ihnen gemein hat, ist wohl das Englisch-Sein, ein gewisser britischer Klang in der Stimme und den Worten. Allein schon deswegen sind Wolf Alice keine neuen Hole oder Babes In Toyland, aber auch keine US-Goth-Pop/Rockbands wie Evanescence oder Paramore.

Wolf Alice

JennFive

Wolf Alice sind: Ellie Rowsell, Theo Ellis, Joff Oddie und Joel Amey.

Und ja, eh klar, "gefährlich" sind Wolf Alice auch nicht, aber Ellie Rowsell und Co gelingt es trotz so vieler Vergleiche und Referenzpunkte frisch zu klingen, eine spannende neue Band aus Großbritannien zu sein. Und wenn man sich schon im Märchenhaften bewegt, die Fantasy-Welt berührt, dann kommt man auch um Siouxsie Sioux nicht herum, die Ikone der dunklen britischen Popmusik, deren Echo man auch ganz dezent hin und wieder im Album von Wolf Alice zu vernehmen glaubt, nebst z.B. den Pixies ("You're A Germ") oder Metric ("Silk").

Schluss aber jetzt wirklich mit den Vergleichen, ok, einer geht noch: Erinnert sich jemand noch an die Sundays? Harriet Wheeler und David Gavurian aus London, die in den 90er Jahren britischen Gitarrenpop spielten, der gleichzeitig aber international klang, und diese Dosis Hexlein-Gewürz drin hatte, das Ellie Rowsell im kleinen Stadtgärtchen ebenfalls zu züchten scheint. Ich wette, Ellie Rowsell hat eine Sundays-Platte zuhause stehen.

If you like this, try these:

Metric, Veruca Salt, Throwing Muses, Blood Red Shoes, The Sundays, All About Eve, Sumercamp, Chairlift.

Einmal fast wie Lana Del Rey, dann wieder Karen O von den Yeah Yeah Yeahs, findet der englische New Musical Express im Review zum Wolf-Alice-Album: "'My Love Is Cool' is the Epitome of the pan-cultural 21st Century rock album." Hm, könnte stimmen so. Die anfängliche Kritik, dass Wolf Alice eine Art Kinderkram machen, die Teenies anzieht, die ist jedenfalls nun mit komplexen Songs wie "Turn To Dust", "Lisbon" oder "Silk" - samt interessantem Hip-Hop-Rhythmus - vom Tisch. Und auf Wolken gehen wollen wir doch hin und wieder alle mal, egal, wie alt wir sind:

"There's paths where I get scared and a path to tread lightly with the clouds beneath my feet", heißt es in "Turn To Dust". Unser gothic summer kann kommen - schnell das schwarze Seidenwesterl um die Schultern, weil es wird kühl abends am Fluss, wo wir sitzen und der Sehnsucht verfallen.

Meine persönlichen Lieblinge am Album: Die poppige und gleichzeitig melancholische Single "Bros", das Indie-meets-Disco artige "Freazy", welches inmitten des ambitionierten Schaffens von Wolf Alice so leicht wie ein Spinnennetz erscheint, und das zart elektronisch wummernde und an Joanna Newsom erinnernde "Turn To Dust", in dem Ellie Rowsell eindringlich auffordert: "Keep your beady eyes on me to make sure I don't turn to dust".

Das Debutalbum von Wolf Alice ist zusammen mit dem englischen Produzenten Mike Crossey entstanden. Mike Crossey war bereits mit KünstlerInnen wie den Arctic Monkeys, Foals oder Blood Red Shoes im Aufnahmestudio.