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Riem Higazi

Cultural mash-ups, political slip-ups, and other things that make me go hmmm.

23. 6. 2015 - 19:16

Süßer Gruß aus der bitteren Küche

Es werden Zettel an Asylwerber verteilt, auf denen steht: "NO WAY! You will not make Europa your home."

Asylum seeker Traiskirchen

APA/ROBERT JAEGER

Ein Asylwerber am Montag, 22. Juni 2015, im Zeltlager des Flüchtlingslagers Traiskirchen.

Auf Facebook kursiert ein Foto, das ich hier allerdings nicht zeigen werde, weil nicht herauszufinden war, von wem es stammt. Es ist drauf: ein freundlicher Grinser, ein Packerl Schnitten* und ein Zettel. Ein junger Mann, sitzend auf einer Bank, bekommt den Zettel von einem anderen jungen Mann überreicht. Der Stehende sieht so aus, als würde er nur ganz freundlich ein bisschen Hilfe anbieten. Doch der Stehende will niemandem helfen - außer sich selbst dabei, sich machtvoller zu fühlen. Auf dem Zettel steht, "No Way! You will not make Europa your home."

Was ist hier los? Mag sein, dass der eine oder die andere ein Problem mit der aktuellen Asylpolitik hat. Aber jemanden, der gerade einem Krieg entflohen ist und womöglich Familienmitglieder und Freunde im mediterranen Megagrab verloren hat, dafür verantwortlich zu machen? Ich empfinde das als Hohn.

Es ist mir unverständlich, wie Menschen auf der Straße stehen können und Vorbeifahrende bitten, sie sollen doch mit dem Kopf nicken oder gar Hupen, wenn sie damit einverstanden sind. Barmherzigkeit ist out. Stolz darauf zu sein, wie ignorant und selbstgefällig man ist, scheint hingegen in zu sein.

Vor ein paar Tagen war ich im zweiten Bezirk in Wien mit einem Freund spazieren und essen. Er hat festgestellt, dass ich nicht so gesprächig bin wie sonst. Ich traute mich gar nicht zu sagen, worüber ich nachgedacht habe. Zu erklären, was mir die Sprache verschlagen hat. Ich dachte über Nachbarn nach, die anderen Nachbarn vielleicht ins Gesicht gegrinst haben, während sie sich gleichzeitig dachten: "Du gehörst hier nicht her, du hast es nicht verdient, hier zu leben. Bald bist du weg und wo du hinkommst ist mir Wurst."

Ich habe überlegt, ob passiv-aggressives Verhalten nicht fast hässlicher ist als der pure Hass. Ghettos werden etabliert, aber sie bekommen andere Namen. Die Verhetzung einer Minderheit trifft auf einen süßen Gruß aus der bitteren Küche der Ignoranz.

Mein Freund zupfte mich an der Schulter, um mich aus meiner Gedankenwelt zu holen. Ich wollte es nicht besprechen. Darüber reden scheint für mich keinen Sinn zu machen. Ich habe ihn angeschaut und die Schulter hochgezogen. "Ich weiß nicht." Und dann habe ich angefangen, Fendrich zu singen. Believe me, ich war echt schockiert, dass ich es überhaupt so genau konnte.

I kenn' die Leut',
I kenn' die Ratten,
Die Dummheit, die
Zum Himmel schreit,
I steh' zu dir,
Bei Licht und Schatten,
Jederzeit.
Da kann ma' machen was ma' wü,
Da bin i her, da g'hör' I hi',
[...]
I am from Austria.

Schnitten-Reaktion

* FM4 hat die Firma Manner darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Schnitten mit den "NO WAY!"-Flyern verteilt werden. Dieses E-Mail bekamen wir als Reaktion von der PR-Abteilung heute Nachmittag:

"Wir haben diese Fotos noch nicht gesehen, vielen Dank für die Weiterleitung. Manner verurteilt das und bedauert, dass Produkte unseres Hauses für eine derartige Aktion missbraucht werden. Unsere Produkte verbinden Menschen in über 50 Ländern der Welt - und das nun schon seit 125 Jahren. Wir bedauern sehr, dass wir darauf keinen Einfluss nehmen können – aber distanzieren uns von dieser Aktion gänzlich."