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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

26. 6. 2015 - 16:00

Brachen pflegen

In Innsbruck wird die temporäre Nutzung eines "Un-Ortes" mit dem Grand Motel Festival gefeiert. Mit dabei sind etwa Yarah Bravo und Monobrother. Dieses Wochenede!

Grand Motel Festival

mit Yarah Bravo, Pollyester, Aloa Input, Monobrother und Thing Kong
Beginn: 13:00
im Motel Innsbruck, Grassmayr Str. 23

Eingeklemmt zwischen Südring und Bahnstrecke liegt in Innsbruck ein Grundstück, dass wohl niemanden von den tausenden Menschen je aufgefallen ist, die täglich über die Olympiabrücke daran vorbeibrausen. Ein Lager, ein Schuppen, ein Parkplatz: Um darin Potential zu erkennen, muss man wohl einen geographisch geschulten Blick haben, doch genau mit einem solchen sind Paul Klumpner und Vinzenz Mell durch die Stadt gegangen, auf der Suche nach Brachflächen.

Eine Lagerhalle mit großer Parkfläche

Motel

Die Geschichte des Ortes hat das Projekt "Ver-ortete Geschichte(n) recherchiert.

Die beiden Bayern sind vor über zehn Jahre für das Geographie-Studium nach Innsbruck gekommen, hier quasi hängengeblieben und tragen seit einiger Zeit aktiv zum Kulturleben der Stadt bei. Mit ihrem Kulturverein Brache, den sie gemeinsam mit Hannes Baumann gegründet haben, suchen sie gezielt nach leerstehenden Gebäuden und Flächen, um diese zu bespielen. In Innsbruck, einer Stadt, in der Platz in den letzten Jahren immer knapper geworden ist, ist das gar nicht so einfach. In der Grassmayrstraße sind sie schließlich fündig geworden. Über 1000m², um sich auszubreiten.

Motell Inn

Motel haben sie ihr Projekt getauft, ein unmöglich zu googelnder Name in einer Stadt, in der hunderte Tourismusbetriebe ihre Online-Einträge auf "Motel Innsbruck" optimiert haben. Doch das zweigeschossige Gebäude und die große Parkfläche davor hätten sie einfach an ein klassisches US-amerikanisches Motel erinnert, sagt Paul. Und Vinzenz ergänzt, dass alles, was in Innsbruck jenseits des Südrings liege, periphere Lage sei und somit irgendwie ein "Un-Ort". Ein Ort, an dem man nur durchreist, was auch wieder zu einem Motel passt.

Leute auf einem Hof

Renaud Dietsch

Seit August 2014 bespielen sie das Motel, mit Diskussionsrunden zu Urbanismus und Stadtentwicklung, Parties und Ausstellungen. Geht es nach ihnen, soll das Motel eine Plattform für verschiedenste Kulturschaffende und Initiativen in Innsbruck werden. Alternative Konzepte zu Wirtschaft oder Arbeit sollen hier Raum finden. Mit Krater Fajan hat sich ein Kollektiv aus Architekturstudierenden eingemietet, das den Raum weiterdenkt, die Kooperation zum Fruchtgenuss, Innsbrucks erste Food Coop, hat hier ihr Lager und ein Elektrotüftler betreibt eine Art Repair-Café.

Bühnenkonstruktion

MOtel

Erst im heurigen Sommer ergeben sich allerdings die Gelegenheiten, das Areal richtig zu nutzen, da sie über die kalten Monate vor allem mit den baulichen Mängeln zu kämpfen hatten, sagen Paul und Vinzenz. Jetzt gibt es auch die Gelegenheit, ihre Nachbarschaft aktiver einzubinden. Seit kurzem ist eine Boccia-Bahn fertig, eine Sandkiste ist am Entstehen und es gibt Tischtennis-Tische. Kreatives Chaos dominiert.

Dass Kreative eine Vorhut der Gentrifizierung sein können, indem sie verfügbaren Raum, der vielleicht nicht mehr den Ansprüchen genügt, bespielen und damit aufwerten, ist ihnen bewusst und wird auch aktiv thematisiert. Andererseits ist Gentrifizierung an diesem konkreten Ort wohl auch ausgeschlossen, denn ihr Projekt hat ein Ablaufdatum. Die Stadt Innsbruck hat sich das Gelände gesichert, um eine Zubringerstraße zu errichten, wahrscheinlich schon im nächsten Jahr.

Grand Motel Festival

Paul, Vinzenz und Hannes wollen die Zeit bis zum Abriss noch möglichst intensiv nutzen. Das Highlight des Sommers stellt dabei zweifellos das Grand Motel Festival dar, das diesen Samstag, den 27. Juni stattfindet. Dafür haben sie sich Acts aus Deutschland und Österreich eingeladen: Yarah Bravo, Pollyester, Aloa Input, Monobrother und Thing Kong. Im Gegensatz zu anderen Festivals werden sie alle noch bei Tageslicht spielen, denn das Grand Motel Festival ist eine Nachmittags- und Abendveranstaltung. Wegen der NachbarInnen ist um 22:00 Schluss. Dafür gibt's am Gelände den ganzen Tag über genug zu tun und zu sehen. Innsbrucker Lokale machen Streetfood, es wird einen Markt geben und mit der Pink Gallery eröffnet ein Ausstellungsraum in einem der Gebäude.

Ein Spritzenwagen vor einer Bühne

Motel

Im Herbst soll es noch ein "Ost Wilten Open" geben, wo mehrere Kulturinitiativen südlich des Südrings sich präsentieren und ein Stadtteilfest auf die Beine stellen wollen. Was danach kommt, ist ungewiss. Vielleicht findet sich für den Verein Brache ein neuer Ort mit ähnlichem Potential.