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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

23. 6. 2015 - 14:43

Mehrheimisch statt einheimisch

Ist Integration eine Bringschuld? Wir diskutieren in FM4 Auf Laut am Dienstag, den 23. Juni ab 21 Uhr.

FM4 Auf Laut

    Der Grüne Bundesrat Efgani Dönmez plädierte in der Wiener Zeitung dafür, dass Burkaträgerinnen keine Sozialleistungen bekommen sollen. "Warum soll die Gesellschaft Menschen finanziell unterstützen, die sich ins Abseits stellen?" Er wurde schnell von der Partei zurückgepfiffen und scharf kritisiert. Es war ein unglücklicher Vorstoß und ein Beispiel dafür, wie schwer sich politische Parteien - abseits des ganz rechten Spektrums - mit dem Thema Integration tun. Zu heikel ist das Thema, seit einst Jörg Haiders FPÖ mit einer politischen Kampagne unter dem Begriff "Ausländer" diesen eine Generalschuld zugeteilt hat.

    Der politische Diskurs ist deshalb in exklusiven Ecken hängen geblieben und hat den Mainstream nicht oder mit nur gefährlichem Halbwissen erreicht. In der aktuellen öffentlichen Diskussion gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen AsylwerberInnen, Kriegsflüchtlingen und MigrantInnen. Aber wie sollen in dem Mischmasch aus Emotionen, Projektionen und Unwissenheit Strategien gefunden werden, die ein multikulturelles Zusammenleben möglich machen?

    Tafel mit dem Wort "Integration"

    APA/dpa/Armin Weigel

    Nein, danke! Ich war schon integriert.

    "Deutschland wollte eigentlich nie die Integration. Am Anfang waren die Ausländer billige Arbeitskräfte. Später wurden sie für politische Zwecke benutzt. Aber jetzt sind die Jugendlichen erwachsen. Sie haben keine Lust mehr. Sie möchten nichts mehr davon hören, dass man sie noch immer nicht als gleichwertige Menschen akzeptiert, in einem Land, in dem ihre Familien seit drei Generationen leben. Integration? Nein, danke, ich will nicht mehr; denn ich war schon integriert!", schreibt ein 36-Jähriger in der von Jakob Augstein verlegten deutschen Wochenzeitung "der Freitag". Daran möchte ich die Frage anhängen: Wann verliert man eigentlich den Zusatz "Migrationshintergrund" oder ist der ein lebenslanger Begleiter?

    Integration ist kein harmonischer Prozess

    Auf der anderen Straßenseite, gegenüber den MigrantInnen, stehen die Modernisierungsverlierer, vornehmlich männlich, schlecht ausgebildet, die sich um die Verdrängung vom Arbeitsmarkt fürchten. Sie wollen, zu Recht, dass man ihre Sorgen ernst nimmt. Aber kann man diese Sorgen vor einem sozialen Abstieg mit einem Zuwanderungsstopp lösen?

    "Wir stecken in dieser Entweder-Oder-Debatte seit langem fest", meint Kenan Güngör in einem Interview im profil. "Der Vielfaltsdiskurs ist ja eine Gegenbewegung auf den Gehässigkeitsdiskurs." Der Soziologe lebt seit 2007 in Wien und entwickelt mit think-difference Integrationsleitbilder. "Es fehlt an Ernsthaftigkeit in der Sache und an Besonnenheit im Umgang mit Integration. Das ist kein harmonischer Prozess. Wir haben immense Fortschritte gemacht, aber Probleme gehören auch dazu. Wir sind nicht mit der Integration gescheitert, sondern mit unserem Bild davon. Ich gehe ja nicht vor die Tür und integriere mich mal für eine halbe Stunde, sondern es passiert, indem ich mein Leben bewältige. Dafür brauche ich Arbeit, eine Wohnung und Freunde."

    Esra und Ariane zu Gast in FM4 Auf Laut

    FM4 Auf Laut

    Am Dienstag, den 23. Juni, sind von 21 bis 22 Uhr Musikerin Esra und Kulturwissenschafterin Ariane Sadjed bei Elisabeth Scharang Scharang zu Gast. Sie diskutieren mit euch über Integration in Österreich. Im Anschluss gibt es die Sendung für 7 Tage on Demand.

    Die Musikerin Esra von der Rapformation Esrap ist in Ottakring aufgewachsen, und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen in die Schule gekommen. Sie hat die Hauptschule absolviert, sich durch das Gymnasium gekämpft, heute studiert sie. 2014 hat Esrap den FM4 Protestsongcontest gewonnen. Sieht Esra sich als ein Beispiel für gelungene Integration? Oder ist die Grundlage ihrer Identität, ihrer Musik, ihrer Weltsicht die Abgrenzung von der Mehrheitsbevölkerung? Wer ist die "Mehrheit" in Esras Augen und wofür steht sie?

    Esrap und das Fight Rap Camp auf der Bühne des Rabenhof-Theaters

    Christian Stipkovits / Radio FM4

    Ariane Sadjed ist Kulturwissenschafterin und Lehrbeauftragte am Institut für europäische Ethnologie an der Universität Wien. Ihr Vater kam aus dem Iran nach Österreich und ihre Mutter ist Österreicherin.
    Für Ariane geht es bei Integration nicht nur um kulturelle Faktoren, sondern es zählt vor allem der sozio-ökonomische Hintergrund. "Warum sich die Situation zum Beispiel im 10. Bezirk in Wien derart zuspitzt, liegt am Bildungsstand und ökonomischen Hintergrund der Bewohner und Bewohnerinnen. Multikulti funktioniert in stabilen sozialen Schichten gut und in anderen scheitert es. Ein Akademiker aus der Türkei hat wahrscheinlich mehr mit einer österreichischen Akademikerin gemeinsam als mit einem Arbeitsmigranten."

    Können Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Religion friedlich miteinander leben? Wir diskutieren heute Abend ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut darüber und wir wollen eure Erfahrungen und Meinungen dazu hören.

    Ruft uns ab 21 Uhr an unter 0800 226 996 oder schreibt an fm4@orf.at.

    Im Anschluss gibt es die Sendung für 7 Tage on Demand.