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Johanna Jaufer

Revival of the fittest... aber das war noch nicht alles.

22. 6. 2015 - 02:34

Meet the Greeks

Ein Picknick am Wiener Heldenplatz vereint Griechenland, Spanien und Österreich mitten in Wien. Eine proeuropäische Anti-Eurogruppe sozusagen. Mühsam? Gar nicht.

"Montag abend treffen sich die EU-Regierungschefs zum Griechenland-Sondergipfel."

Ein Satz, der nach fünf Jahren Krise kaum eine Griechin dieser Welt in Aufregung versetzen würde, ist Melina überzeugt:

"There is no panic. At least from my experience and that of my people in Greece. There is no panic, but they are fully prepared to take whatever is decided. And hopefully, what is decided, is to their benefit." Was so ein wünschenswerter Ausgang sein könnte, darüber scheiden sich auch beim sonntäglichen Griechenland-Solidaritäts-Picknick die Geister. Sollte es zum Bruch mit der Eurozone kommen, wären viele Junge bereit, nach Griechenland zurückzugehen, um Freunde und Familie zu unterstützen. Mehr als 150.000 GriechInnen haben nämlich in den letzten Jahren das Land verlassen. Die 33jährige Biologin Melina ist eine von ihnen. Schon die letzten zehn Jahre über seien die Forschungsbudgets geschrumpft und vielen schließlich nichts anderes übrig geblieben, als gen Norden zu ziehen, erzählt sie.

GriechInnen

ORF Radio FM4 | Johanna Jaufer

Wie Melina ist Giorgos an einer Wiener Universität beschäftigt. Er ist Spezialist für Mikroelektronik und Biotechnologie. Auch in seinem Fall hat die Finanzlage ein Weiterarbeiten in Griechenland verunmöglicht. Giorgos arbeitet neben seiner Forschungstätigkeit daran, den ÖsterreicherInnen die griechische Lage näherzubringen. Dafür hat er mit Freundinnen die Gruppe Solidarity4all Vienna auf die Beine gestellt. Die heutige Aktion beinhaltet Reden, Konzert, Spendensammlung und den Verkauf von Produkten der besetzten, selbstorganisierten Seifen-Fabrik Vio.Me. Mitorganisiert haben AktivistInnen von "Griechenland entscheidet", griechische Kulturvereine und - GriechInnen.

Demonstration

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Plan B

Wie er das Vorgehen der amtierenden Links-Regierung von Alexis Tsipras einschätzt, kann Giorgos nicht eindeutig benennen. Auch wenn sich die öffentliche Meinung gerade zu drehen scheint (immer mehr GriechInnen sind bereit, ein konsequentes Festhalten an den "roten Linien" in Sachen Pensionen, Steuern und Budgetziele mitzutragen, auch wenn das zum Bruch mit den Gläubigern führen könnte): Nach den geschlagenen Parlamentswahlen Ende Jänner habe Tsipras' SYRIZA-Partei kein Mandat für einen Euro-Ausstieg gehabt.

Leute

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Verhandlungsbedingungen

Egal wie man dazu inhaltlich stehen mag: Nachdem SYRIZA mit dem Versprechen "Schuldenerleichterung und Aufweichung des Kürzungsregimes innerhalb der Eurozone" die Wahlen gewonnen hatte, hat an Verhandlungen kein Weg vorbeigeführt - was nun einmal bedeutet, sich auf die Gepflogenheiten der EU-Institutionen zwangsläufig ein Stück weit einzulassen. Ein Resultat dieses mittlerweile fünfmonatigen Prozesses ist, dass manche wie Giorgos nicht genau wissen, wie es um die - vertraulich geführten - Verhandlungen im Detail steht - und welche Alternativen die Regierung für den Ernstfall vorsieht: denn wenn man im Angesicht schneidenden Gegenwinds den diplomatischen Mount Everest besteigt, muss insofern ein Plan B zumindest medial so lange außen vor bleiben, wie er nicht unmittelbar benötigt wird. Wir werden also tatsächlich allerfrühestens Montag Abend wissen können, wie es in Athen weitergeht.

GriechInnen

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Ein europäisches Problem

Marta ist hier, weil sie sich den GriechInnen nicht einfach nur verbunden fühlt. Die Spanierin ist vielmehr davon überzeugt, dass die Probleme der Menschen in Europa gemeinsam gelöst werden müssen und Griechenland daher nicht als isolierte Problemzone betrachtet werden kann. Marta hat ihre Heimat wie Melina und Giorgos verlassen, weil dort keine Jobs mehr zu finden waren. Mit der Organisation Marea Granate Viena versucht sie, SpanierInnen in Wien Mut zu machen und die Diskussion über die europäische Krise zu befördern: "Seit der Finanzkrise 2008 sind Junge, Ältere sowie ganze Familien ausgewandert." Diese Leute füllen in Nord- und Mitteleuropa jene Lücken, die in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt entstanden waren.

Demo

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Die Folgen

Ein Beispiel: Sparkurs und Wirtschaftseinbruch hatten in Griechenland bis Ende Jänner fast drei Millionen Unversicherte hervorgebracht. Tausende ÄrztInnen waren ohne Job, obwohl sie in den Spitälern und Ordinationen eigentlich dringend benötigt würden - allein, es fehlt das Geld. Fast 3.000 Ärztinnen und Ärzte aus Griechenland arbeiten mittlerweile in Deutschland. Ergebnis: die vom griechischen Staat somit umsonst ausgebildeten Mediziner entschärfen ausschließlich den deutschen Ärztemangel. Für Marta nimmt die Katastrophe damit überhaupt erst ihren Lauf: "Wir würden eigentlich gerne in unsere Heimat zurückgehen, um dort zu arbeiten". Eigentlich hätten sie und andere Betroffene sich an der Uni jahrelang angestrengt, um einmal im eigenen Land einen annehmbaren Job zu finden: "Es war ja gar nicht unser Plan auszuwandern. Viele Menschen haben das dann trotzdem getan - aus der Not heraus."

GriechInnen

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