Erstellt am: 21. 6. 2015 - 14:53 Uhr
Das große Ich-bin-ich
Freiheit. Raus aus den Zwängen. Sich nicht in die Form quetschen lassen, in der es sich leichter durch den Alltag und die durchformatierte Leben gleiten ließe. Dabei gingen jedoch die Reibung und die Spannung verloren. Es prickelt, wenn etwas nicht zusammenpasst.
Es ist eines der beliebtesten und, ja, auch nach schon hundertfacher Abklopfung des Themas, schönsten Motive in jeder Kunst. Jugendliches und später dann schon ein bisschen erwachsen gewordenes Aufbegehren. Selten wird es öde. Wir hören nicht auf, uns selbst als Unikat zu modellieren. Wir wollen anders sein, anders als die ganzen Leute in ihren Büros, anders als Du, Du blöde Welt. Ganz besonders als Du.
Emmett Kelly, The Cairo Gang
Und so nennt sich das neue Lied des Projekts The Cairo Gang auch gleich ganz unverblümt und selbstsicher als Selbsthilfesinnspruch: "Be What You Are". The Cairo Gang ist das Unternehmen des US-amerikanischen Musikers und Songwriter Emmett Kelly, der schon häufig mit dem großen Lebensbegreifer Will Oldham zusammengearbeitet hat und ein Album seiner eigenen Band vor ein paar Jahren programmatisch "Tiny Rebels" genannt. Die winzigen Aufstände und Revolutionen, gegen DIE, auch gegen uns selbst, in uns drinnen toben kleine Erdbeben.
"Don tell me that you're sorry / Don’t tell me that you want to change", heißt es gleich zu Beginn dieses gerade mal zwei Minuten langen Liedchens, und weiter: "If you know what you want to be, Be what you are". Bei allem Lob der Faulheit und des Müßiggangs muss dann schon auch mal im Sinne der Gemütshygiene gesagt werden, wer und was man ist und will. Auch zu sich selbst. Wir wissen wer wir sind.
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Es rumpelt und poltert freundlich in diesem Lied, die Gitarre klirrt und singt und jingle-janglet, alles gerade so, als wäre eine verschollen geglaubte Kollaboration der Beatles und der Byrds auf einem mythischen Dachboden gefunden worden. Man kann auch die Person sein, die man will, wenn man sich ganz klar auf etablierte Muster bezieht und muss sich nicht immer in Zwangsoriginalität üben.
Sich als Rebell ohne Grund und Außenseiter zu inszenieren bringt jedoch auch Spaß und massiert das Verlangen nach Individualität: "I want to find myself in stranger places, I want to be the only one around that don’t belong here", singt also Emmett Kelly. Ein kleine Hymne für die Kaputten, die Danebensteher, die Spinner und Idioten, also für alle, voller Licht und Hoffnung. Wir sind raus. Und wir sind stolz darauf.