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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

21. 6. 2015 - 18:30

Rüstungswettlauf um Laserwaffen

Die neuen Laserwaffen gegen Drohnen, Mörsergranaten, leichte Fahrzeuge oder Schnellboote sind umgebaute Schweißroboter aus der Autoindustrie.

Auf der Pariser Airshow, die am Sonntag zu Ende ging, wurde ein Prototyp einer europäischen Laserkanone präsentiert. Sie stammt vom deutschen Ableger des Lenkwaffenkonzerns MBDA, an dem die britische BAE Systems, die italienische Finmeccanica und die Airbus Group beteiligt sind. Dieses System ist mit 40 Kilowatt Leistung den bisher bekannten Prototypen der US-Rüstungsfirmen in etwa ebenbürtig.

Ein erster 30-KW-Laser ist seit November 2014 auf der USS Ponce am persischen Golf im Testeinsatz. Die Lasereinheiten all dieser Waffen kommen freilich nicht aus der militärischen Entwicklung, sondern aus der zivilen Welt und zwar aus der Autoproduktion. Von der Technik her sind es nämlich umgebaute Schweißroboter, von denen jeweils mehrere zu einer Waffeneinheit kombiniert werden.

Laserkanone auf der USS Ponce

US Navy

30 KW Laser auf der betagten USS Ponce, die bereits ausgemustert werden sollte, aber nun im persischen Golf vor Bahrain kreuzt.

Waffe der anderen Art

Der globale Wettlauf um die erste gefechtsfeldtaugliche Laserwaffe hat sich in den letzten Jahren intensiviert, denn diese neue Waffengattung ist fast mustergültig "disruptiv". Dieser Ausdruck bezeichnet im Militärjargon eine Kombination existierender und neuer oder weiterentwickelter Technologien, die das Potenzial haben, herkömmliche militärische Techniken und Methoden auf den Kopf zu stellen. Tatsächlich folgen diese Laserwerfer fundamental anderen Gesetzen als alle bisherigen Waffen, die konventionelle Projektile benützen.

Das in der USS Ponce eingesetzte System ist bereits eine stark verbesserte Variante des allerersdten Lasers auf der USS Dewey. Schiffsgestützte Lasern nützen etwas andere Wellenformen als Laser auf dem Lande, um die Dämpfung durch Wassertröpfchen möglichst gering zu halten

Im Fall der Laser sind weder "Munitionslager", Nachschub oder Logistik relevante Faktoren, "Munition" wird ja nicht mitgeführt, sondern live vor Ort aus Strom erzeugt. Die "Projektile" sind kurze Hochenergie-Impulse, "gefeuert" wird geräuschlos und nahe an Lichtgeschwindigkeit, dass Abschuss und Einschlag de facto gleichzeitig erfolgen. Von den noch relativ hohen Anschaffungskosten abgesehen, ist der Einsatz dieser Waffe konkurrenzlos billig, Experten gehen von Kosten zwischen ein und zwei Dollar pro "Projektil" aus.

Drohnen vom Himmel schweißen

Die erste Generation dieser Laserwaffen hat ausschließlich defensiven Charakter, schon jetzt können damit kleinere Drohnen, anfliegende Mörsergranaten oder leicht gepanzerte Fahrzeuge im Umkreis von zwei Kilometern zerstört werden. Die Zielerfassung musste nicht neu erfunden werden, sie folgt vielmehr dem seit Jahrzehnten üblichen Muster der Steuerung von Lenkwaffen wie etwa Raketenbwehrsystemen. Das Ziel wird erst von einem herkömmlichen Radar erfasst, die Koordinaten werden an dann an die Lasereinheit übermittelt.

Die Lasereinheit ders MBDA-Werfers

MBDA

Auch die Panzerabwehrrakete MILAN, mit denen die kurdischen Peschmerga gegen die IS-Terroristen ausgerüstet wurden, stammt von der MBDA-Tochter in Deutschland

Die leuchtet das Zielobjekt mit einem schwachen Laserbeam aus, der eigentliche Zielvorgang erfolgt dann über ein elektro-optisches System, das den Laser ausrichtet und ins Ziel leitet. Der Prototyp von MBDA benötigt für den gesamten Vorgang bis zum Abschuss/Treffer bereits weniger als 3,5 Sekunden, binnen fünf Jahren soll die Reichweite der Waffe auf fünf Kilometer steigen. In diesem Umkreis soll es für leichtgepanzerte Fahrzeuge, kleinere Schnellboote, Drohnen, vor allem aber für die auf allen Kriegsschauplätzen omnipräsenten Mörsergranaten kein Durchkommen mehr geben.

Gefechtsfelddemonstration

Die Ausschreibung der US Army sieht keinerlei Kostenersatz für eingereichte Laser-Demonstartoren vor, dafür stehen Preise von insgesamt fünf Millionen Dollar für die besten Projekte im Raum

Seit Anfang Februar läuft eine neue Ausschreibung der US Army für eine Live-Demonstration solcher Hochenergielaser auf der "White Sands Missile Range" im Bundesstaat New Mexico. Daraus geht klar hervor, für welche Einsatzzwecke diese Waffen derzeit gedacht sind und wie der generelle Stand der Technik ist. Bei dieser Live-Demonstration seien sowohl "dynamische kleinkalibrige Mörsergranaten" wie auch kleine, unbemannte Drohnen der Klassen I und II in "Szenarien von ansteigender Schwierigkeit" abzuwehren, heißt es in der Auschreibung.

Ausschreibung des Laser-Feldtests

Public Domain

Besonderen Wert wird bei dieser Vorführung, die noch im Lauf dieses Jahres stattfinden soll, auf laufende Positionswechsel bzw. Zielvorgaben gelegt und speziell auf die zeitlichen Beschränkungen hingewiesen. Hier wird also unter Bedingungen getestet, die jenen im Gefechtsfeld schon recht nahe kommen, ob diese mehrere Tonnen schweren Waffen "agil" genug sind, um in den asymmetrischen Kriegen des 21. Jahrhunderts eingesetzt zu werden. Die hauptsächlichen Fragezeichen sind: Wie lange dauert ein Kaltstartphase, also wie schnell ist die Waffe schussbereit? Wie schnell kann sie neupositioniert werden? Für welche Einsatzzwecke kann sie mit welcher Wellenform und Leistung optimiert werden?

Ein Beispiel für eine Technologie, die zwar wie vorgesehen funktioniert, aber dennoch nicht eingesetzt werden kann, ist das "Active Denial System" von Raytheon. Das sollte gebündelte Millitermeterwellen auf Angreifer abstrahlen, wurde in Afghanistan nie eingesetzt, da es 16 Stunden lang "vorgeheizt" werden musste

Ronald Reagan und die "Star Wars"

Die Antworten auf diese Fragen werden entscheidend ѕein, ob größere Stückzahlen produziert werden. Bereits in den Achtziger Jahren war ein Durchbruch beim Einsatz von Lasern in der Waffentechnik zu verzeichnen gewesen. In Folge schwadronierte der damalige US-Präsident Ronald Reagan schon von im All stationierten Laserwaffen gegen sowjetische Atomraketen. Der Durchbruch war aber nur vermeintlich. Zwar war es gelungen, chemische Laser mit einem Vielfachen der derzeitigen Leistung elektrisch gepumpter Laser zu konstruieren, die entsprechend durchschlagskräftig waren.

Da die Energie aber durch eine chemische Reaktion erzeugt wurde, benötigten diese Laser verschiedene Chemikalien, die ѕtändig nachgefüllt werden mussten und teils giftig, teils explosiv waren. Weil es für die eigene Truppe schlicht zu gefährlich war, wurde das Chemielaserkonzept von den US-Streitkräften in den Neunziger Jahren daher wieder verworfen.

Laserwaffensystem von Rheinmetall

Rheinmetall

Auf diesem Foto ist das volle Ausmaß einer solchen Anlage sichtbar. Das Gerät wird offenbar mit vier mal 400 Volt gespeist, die dann auf etwa 500.000 Volt hochtransformiert werden.

Seit der Jahrtausendwende hatte die DARPA, die Forschungsabteilung des US-Militärs, an einer Nachfolgetechnik getüftelt, die erst der Siegeszug der Schweißroboter in der Autoindustrie spruchreif machte. Es ist daher kein Zufall, dass der wohl größte europäische Konkurrent des MBDA-Konsortiums ebenfalls aus Deutschland kommt. Die Rüstungsfirma Rheinmetall hat einen Laserwerfer aus einer Batterie von Schweißrobotern konstruiert, allerdings wurden deutlich andere Aufgaben gestellt.

´Während die derzeitigen Tests allesamt darauf abzielen, Fahrzeuge, Boote oder kleine Flugobjekte in Brand zu setzen oder zur Detonation zu bringen, folgten die Tests von Rheinmetall einem anderen, vielseitigeren Kalkül. Ein relativ kleiner Kilowatt-Laser auf einem leichten Radpanzer genügte zur Minenräumung aus sicherer Entfernung. Mit einer 20-KW-Version aber wurden Funkanlagen, Radare und Optiken von beliebigen elektronischen Zielgeräten im Umkreis von zwei Kilometern "neutralisiert".

Schweissroboter der Firma Cloos Quirox mit bis zu 3 KW Leistung

Cloos-Quirox

Schweissroboter der Luxemburger Firma Cloos Quirox mit bis zu 3 KW Leistung.

Schweissroboter vs Messgeräte

Deshalb kann mit solchen Laserwerfern jede nur denkbare Waffengattungen auch in weiterem Umkreis angegriffen werden. Sämtliches modernes Kriegsgerät ist mittlerweile mit hochempfindlichen Sensoren nur so gespickt: Optoelektronische Zielvorrichtungen, HD-Kameras, Infrarotsensoren, wobei auch alle möglichen Schwachstromlasertechniken wie LIDAR zur Navigation bzw. Zielerfassung eingesetzt werden. Technisch gesehen schalten also laserbasierte Schweißroboter laser- und lichtbasierte Messgeräte aus, um es in der Begrifflichkeit der Zivilgesellschaft auszudrücken, aus der diese Technologien stammen (siehe Bild).

Was mögliche Kollateralschäden betrifft, so müssen Teilnehmer an der Demonstration auf der White Sands Missile Range ihre Laser Set-Ups im "Laser Clearing House" der US Army zertifizieren lassen. Dabei geht es um Richtungen und Elevationsgrade der Laserwaffen, die unbedingt vermieden werden müssen, um den zivilen Luftverkehr in weiterem Umkreis nicht zu gefährden.