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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

20. 6. 2015 - 12:47

Gute Laune, so mittel

Der zweite Tag beim Urban Art Forms Festival in Wiesen.

Wie so oft ist auch dieses Jahr beim Urban Art Forms die von Red Bull betreute Stage die am stilsichersten und am geschmackvollsten gebuchte. Verwundern muss das nicht, hier scheinen Menschen mit der Programmierung betraut zu sein, die Ahnung vom elektronischen Zeitgeschehen haben. Gleichzeitig muss der Großkonzern hier eben genau nicht für die ganz breite Masse spielen, sondern kann sich durch Sondierungen der coolen Nische mit dem Orden des modernen, hippen Mäzenatentums schmücken.

So waren da auch am Freitag Musik und Menschen zu erleben, die auch in interessanten, gar nicht mal so abseitigen Blogs und Spezialmagazinen auftauchen - und nicht bloß im mainstreamfixierten und zu weiten Teilen alles Schlechte an Dance-Kultur feiernden britischen DJ Mag und dem Las Vegas Chronicle.

Der Hipness-Faktor vieler Acts schien die Aufnahmebereitschaft eines groß angelegten, immerhin - man darf es nicht vergessen: in Österreich stattfindenden Festivals zu überfordern. Während auf der mit Holz verkleideten, also auch optisch Glowstickwahn und Glam ein bisschen entgegenwirkenden Bühne gute Menschen gute Dinge taten, sah es davor hinschtlich Besucheraufkommen meist recht düster aus.

Auch das Areal vor der großen Mainstage war den gesamten Tag und Abend über nur selten auch nur ansatzweise bis zum Rand seiner Möglichkeiten gefüllt. Der deutsche Großmeister Sven Väth wird seit 30 Jahren nicht mehr für so wenige Leute gespielt haben. Es wird ihm egal gewesen sein, so spulte er souverän ein solides, geschmeidiges Set ohne große Sensationen ab. Ab in den Helikopter nach Ibiza.

Bonobo

Sven Väth

Einzig die Drum'n'Bass zugetane Futurebeatz Stage erfreute sich traditionell allergrößter Beliebtheit. Ebenso viele Leute wie in der Halle tanzten, standen in der Traube davor. Abfahrt. Ein Höhepunkt am Freitag war jedoch ein im Gesamtzusammenhang des Urban Art Forms Festivals überraschend subtil und feingeistig schnitzender Mann: Der englische Produzent Bonobo bespielte vor Sven Väth mit einem DJ-Set die Mainstage, das kaum auf die Feierlaune des Publikums einging.

Bonobo ist seit Jahren eng mit Ninja Tune verbunden und so auch eines der ästhetischen Aushängeschilder des britischen Labels: Aus gut angejazzten Broken Beats, altem Funk und Soul, smoothem Downtempo-Stuff, kleinteiligem Glöckchenklingklang und putzigem Zierrat webt Bonobo feinmaschige und samplereiche Musiken, die man eher nicht zur Peaktime in der Großraumdisco auf die Plattenteller legt.

Derlei präsentierte er auch beim Urban Art Forms, sein Set lebte bei allem eleganten Fließen und Gleiten auch von Cuts, Rissen und Brüchen und erinnerte in Momenten, die mit Psychedelik und Flötensounds ausgekleidet waren und Richtung House Music drifteten, an die süßlicheren Produktionen von Leuten wie Four Tet, Bibio oder Caribou. Feine Musik zum Zuhören und leise Wippen.

Agents of Time

Auf der Red Bull Stage gab es derweil die österreichischen Duos Pyjamas und The New Tower Generation an den Abspielgeräten oder das tatsächlich kaum bekannte italienische Trio Agents of Time mit einem Live-Set: Agents of Time zimmerten, in schwarze Kutten samt Kapuze gekleidet, an Synthesizer-Burg und Laptop dunkel-schaurigen House, aus dem eindeutig und mit dem Klischee kokettierend der Einfluss von italienischen Gruselfilme der Siebziger Jahre durchwirkte.

Etwa zwanzig Menschen dürften den Auftritt der Agents of Time gesehen haben. Desinteresse neuer Dimension schlug dann einem jungen Mann entgegen, der in der jüngeren Vergangenheit auf einschlägigen Plattformen mit großen Features hofiert und als ein neuer heißer Scheiß gehandelt wird - das weiß aber wieder einmal niemand.

Palms Trax

Camo & Krooked

Urban Art Forms Festival auf FM4

Palms Trax nennt sich der Produzent, das coole Label Lobster Theremin hat er mit dessen Katalognummer 1 - gleichzeitig seinem ersten eigenen Release - vor zwei Jahren gut auf den Weg geschickt. Mittlerweile ist er ebenso in der Familie des renommierten niederländischen Labels Dekmantel und in den Plattentaschen vieler, vieler DJs angekommen. Beim Urban Art Forms Festival spielte Palms Trax sein DJ-Set vor einem - abgesehen von vielleicht einer Handvoll an den äußersten Rändern herumlungernder Zaungäste - lange Zeit komplett menschenleeren Areal. In Worten: Null Besucher auf weitem Floor.

Die Abwesenheit eines Publikums nutzte Palms Trax für ein Set von auf diesem Festival selten gehörter Laszivität: Oldschoolige, gefühlige Disco und zärtelnder House. Wunderbar. Bei den nicht gerade geringen Namen Carl Craig und Radio Slave bewegte sich das Publikum zahlentechnisch im immerhin zweistelligen Bereich, auf der Hauptbühne konnten Camo & Krooked mit ihrem DJ-Set samt MC-Unterstützung noch die Nacht retten. Es war voll, man flippte aus. Insgesamt aber wird man sich vielleicht etwas überlegen müssen.