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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

20. 6. 2015 - 09:50

Saure-Gurken-Kino

Tonnenschwere Dinosaurier, tollpatschige Agentinnen, tödliche Skandinavier: Notizen zum sommerlichen Leinwand-Mainstream.

"Jurassic World" ist ein Film, dem niemand wirklich böse sein kann oder will. Besser animierte Dinosaurier wird man in diesem Kinosommer nicht finden, dazu Sympathieträger wie Chris Pratt und Bryce Dallas Howard und eine Story, die sich dramaturgisch mehr Zeit nimmt als man als von vielen runtergehudelten Blockbustern der Gegenwart gewöhnt ist. Überhaupt stellt sich, obwohl der relative Regieneuling Colin Trevorrow inszeniert, ein echtes Oldschool-Spielberg-Feeling beim Relaunch der Dino-Saga ein.

Ob dieses Gefühl nicht auch von einem muffigen Beigeschmack begleitet ist, wage ich schon ketzerisch zu fragen. Denn was Geschlechterrollen und Charakterzeichnungen betrifft, schließt "Jurassic World" tatsächlich nahtlos an eine andere, weit zurückliegende Blockbuster-Ära an.

Jurassic World

UPI

Jurassic World

Tausche Hirn gegen Popcorn

Karrierefrauen, die sich nicht in gütige Mutterrollen fügen wollen, werden in diesem Film entweder gefressen oder langsam domestiziert, irgendwann ermüdet es schließlich, mit Stöckelschuhen durch den Dschungel zu laufen. Kinokinder sind wieder genauso schrecklich nervig, wie man sie aus dem originalen "Jurassic Park" und anderen Spielberg-Streifen schlecht in Erinnerung hat.

Starke Männer wiederum müssen sich hier nur mit Riesenechsen herumschlagen, nicht aber mit Brüchen in der Figurenzeichnung. Während der potentiell großartige Chris Pratt im knalligen Sci-Fi-Meisterwerk "Guardians of the Galaxy" das klassische Heldentum schnoddrig unterläuft und ad absurdum führt, gibt ihm Colin Trevorrow kaum Gelegenheit, sein humoristisches Talent auszuspielen.

Muskulös schraubt Pratt als Ex-Soldat am Motorrad herum, trinkt dazu braunes Zuckerwasser aus der ikonischen Flasche (Product Placement ist die halbe Miete in dem Film) und gibt den all american badass in einer Version, als ob es nie die angeknacksten Supermänner des Comickinos gegeben hätte. Den Jason-Statham-Part nimmt man dem Komödianten aber irgendwie gar nicht ab. Trotzdem: Die Effekte sind toll, die Action stellenweise atemberaubend, wir geben unser Hirn dann eben mal an der Kinokassa ab.

Jurassic World

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Jurassic World

Vom Schreibtisch an die Actionfront

Der echte Jason Statham macht sich dagegen in dem Agentenspoof "Spy" (Deutscher Titel: "Susan Cooper Undercover") bewusst zum Trottel, nachdem seine letzten Actionkracher eher durch unfreiwillige Komik auffielen. Im Mittelpunkt des Spionageklamauks, der Filmen wie der "Austin Powers“-Reihe oder zuletzt "The Kingsmen" eine weibliche Variante hinzufügt, steht aber Melissa McCarthy.

Mit furiosen Auftritten in den untergriffigen wie tiefgründigen Meilensteinen "This is 40" und "Bridesmaids" brannte sich die amerikanische Ausnahmekomödiantin ins Gedächtnis ein. In ihren verbalen Amokläufen, die manchmal auch erst im Abspann explodieren, trifft surrealer Wortwitz auf einen sozialzynischen Realismus. Danach tauchte McCarthy bald in etlichen Filmen auf, auch in Paul Feigs Nachfolgehit "The Heat" ("Taffe Mädels"), an der Seite von Sandra Bullock.

Und jetzt bilden der Regisseur und sein Star wieder ein Team. In "Spy" schlüpft Melissa McCarthy in die Rolle einer etwas verbitterten Schreibtischtäterin beim CIA, die heimlich in den von ihr betreuten Ersatz-James-Bond (angemessen eitel von Jude Law gespielt) verliebt ist. Aber Susan Cooper muss den von diversen tierischen Parasiten schwer in Mitleidenschaft gezogenen Arbeitsplatz bald verlassen. Als ihr angebeteter Paradespion im Einsatz ermordet wird, lässt sich die CIA-Analytikerin selbst an die Front schicken.

Spy

Centfox

Spy - Susan Cooper Undercover

Stereotypen und Selbstpersiflagen

Als trashige US-Hausfrau verkleidet und von blinder Rache erfüllt, reist Susan Cooper auf der Suche nach einer rücksichtslosen Waffenhändlerin (Rose Byrne) in europäische Metropolen. Natürlich lässt "Spy" dabei kein Fettnäpfchen aus, stellt Agentenfilmklischees erwartungsgemäß auf den Kopf und punktet mit einigen amüsanten Momenten, besonders wenn Melissa McCarthy mitten im Actiongewitter auf Jason Statham als wandelnde Selbstpersiflage trifft.

Wirkliche Euphorie will sich dabei aber nie einstellen, eher das ungute Gefühl, dass sich das Stereotyp von der lustigen, ordinären, aber herzensguten Übergewichtigen so blitzschnell etablierte wie die Dialogfeuerwerke der Stand-Up-Comedy-Veteranin abrollen.

Wer, wie leider meine Wenigkeit, das Unglück hat, in die deutsche Synchronfassung zu geraten, wird zusätzlich mit einer tristen Erkenntnis konfrontiert: Die Schnellfeuer-Schnauze einer Melissa McCarthy lässt sich, wie befürchtet, ebenso wenig übersetzen wie beispielsweise die Pointenkaskaden eines Will Ferrell. Der Punkt, wo man sich genervt auf dem Kinosessel windet, rückt manchmal in bedrohliche Nähe.

Spy - Susan Cooper Undercover

Centfox

Spy - Susan Cooper Undercover

Die bösen Spiele der dänischen Reichen

Vom schwülen Hollywood ins kalte Dänemark: Auch skandinavische Krimiliteratur, inklusive der dazugehörigen Verfilmungen, darf als Mainstream bezeichnend werden, steht sie doch an der Spitze etlicher Beststellerlisten. Im deutschen Sprachraum muss man dabei mit verknappten und reißerischen Titeln leben. Nach dem Riesenerfolg von Stieg Larssons Millenium-Trilogie, die als "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung" auch den Weg ins Kino gefunden haben, sind die Erfolgsbücher des Dänen Jussi Adler-Olsen dran.

"Schändung - die Fasanentöter", im Original "Fasandræberne", dürfte mit seinem grundsätzlichen Setting etwas ältere Menschen an die Fernsehkrimis der Siebziger und Achtziger Jahre erinnern. Auch damals entlarvten "Der Kommissar" oder Inspektor Derrick die Mörder mit Vorliebe in Münchner Villenvierteln. Böse Reiche, finstere Dekadenz und Wohlstandsverwahrlosung spielen auch in der skandinavischen Thrillerwelt eine zentrale Rolle.

Eine Gruppe hochgradig verzogener Schnösel aus bestem Hause zieht dementsprechend in "Schändung" diabolisch die Fäden. Dabei beginnt die zweite Kinoadaption eines Romans von Jussi Adler-Olsen mit einem mysteriösen Suizid, der den Sonderermittler Carl Mørck und seinen Kollegen Assad auf eine ungeklärte Mordserie aufmerksam macht. Bald wird klar, dass die Verbrechen in die Vergangenheit zurückführen, in ein Eliteinternat, wo grausame Machtspiele regierten.

Schändung - Die Fasanentöter

Lunafilm

Schändung - Die Fasanentöter

Die Trademarks skandinavischer Krimis kann man alle abhaken in diesem Film: Der unnachgiebige Polizist mit neurotischer, abgebrühter Fassade, die saubere Fassade der Villenbesitzer und die erwartungsgemäßen Abgründe, die grundsätzlich düstere Atmosphäre. All diese Elemente wirken aber in der Inszenierung von Regisseur Mikkel Nørgaard schon dermaßen berechenbar, dass sich auch Langeweile einschleicht.

Vor allem aber fehlt "Schändung" der filmische Mehrwert. Man muss zwar formal nicht mehr an ganz alte Derrick-Folgen bei diesem Film denken, aber zumindest an TV-Krimis neuerer Bauart. Im Fernsehen wäre dieser Thriller jedenfalls besser aufgehoben als auf der großen Leinwand.