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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 6. 2015 - 12:26

Mein Herz macht Bum

Der erste Abend beim Urban Art Forms Festival Wiesen: Vibe bestens, Programm mäßig.

Das Urban Art Forms Festival hat sich dieses Jahr also mit dem nostalgisch funkelnden Slogan "Back to where your heart beats" überschrieben und beschwört so eine Rückbesinnung auf alte Werte. Nach einem Jahr auf dem athmosphäretechnisch schwer benachteiligten Areal der Arena Nova Wiener Neustadt 2011 und drei Jahren am Schwarzlsee bei Graz skaliert das Festival kleiner und familiärer und ist für seine elfte Ausgabe wieder an seinen ursprünglichen Austragungsort, die schwer schlagbare Arena Wiesen, zurückgekehrt. Das ist schön.

Wenn man von der Wiese aus gute Aussicht genießen kann, an stabilen Tischen sitzen, für Festivalverhältnisse doch gehobene Snacks zu sich nehmen oder mit der Menschwürde vereinbaren Toiletten benutzen, hat das der Aura noch selten geschadet.

Nach einigen Jahren voller Konfettikanonen, Motorrad-Spektakeln, Schneller-Lauter-Praller-EDM-Wahn und Tortenschlacht hat sich auch die musikalische Programmierung einer Entschlackungskur unterzogen und möchte das Festival wieder etwas näher am Techno-Spirit präsentieren. Oder Drum'n'Bass-Spirit.

Konea Ra

Am Donnerstag ist das Urban Art Forms mit kleinem Aufwärmprogramm gestartet: Vier Acts haben einzig die Hauptbühne bespielt, vier Acts, bei denen Großteils zu sehen und zu hören war, dass es bei diesem Festival doch noch nach wie vor gehörig knallen und krachen muss. Wir sind hier ja nicht bei der langen Nacht der Minimal Music. Das war nicht immer gut.

Den erfreulichen Anfang machte das österreichische Duo Konea Ra, das für die Live-Variante mit zwei Backgroundsängerinnen, einem Mann an den Synthesizern und einem Mann an den Drums, Gerüchten zufolge Leute von Catastrophe & Cure und Johann Sebastian Bass, auftrat. Fein verspukte elektronische Popmusik, die weich fließt und lieb säuselt. Die Weiterführung von TripHop, die Annährung von R'n'B und Soul an einen Dancefloor für zärtliche Slowtänzer.

Musik, die den Frisiersalon und die hippe Kaffeebar beschallen kann oder zu der man unter den Bettlaken verschwinden möchte. Und das nicht alleine. Fein war auch die von Konea Ra dargebrachte Version von Ann Peebles Klassiker "I Can't Stand the Rain", wenngleich diese Songauswahl auch nicht den Originalitätspreis gewinnen wird. Ein geschmeidiges Gleiten in die Nacht, für den Großteil des Publikums war die feinstoffliche Musik von Konea Ra dann doch zu subtil - hier wird einem nicht ständig ins Ohr gebrüllt, dass man jetzt bitte springen und durchdrehen möge.

Das sollte sich ändern. Aus einem Paralleluniversum der Stumpfheit hinübergebeamt erschien die niederländische Rap-Gruppe Dope D.O.D. auf der Bühne. Vermutlich war sie gerade vom Gathering of the Juggalos eingeflogen worden: Das ist eine Veranstaltung, im Rahmen derer arthouse-resistente US-Amerikaner die Insane Clown Posse als HipHop-Ikonen feiern, sich die Gesichter absurd beschminken und ein paar Tage lang alle Sitten vergessen.

Dope D.O.D. könnten dazu einen Soundtrack liefern: Aggressives Geshoute und phrasenhohle Anfeurungsrufe, harte Beats zwischen hochgejagtem Booty Bass und endzeitbeschleunigtem Dubstep, der bloß noch Abfahrt und Kawumms signalisieren will. Man ahnt es: Die Party kochte gut. Der DJ von Dope D.O.D. trug eine Clownmaske. Eine Clownmaske!

Die Antwoord

Danach wurde es besser. Den Mikado-Award wird auch die englische Gruppe Foreign Beggars nicht verliehen bekommen, immerhin war ihr Kauderwelsch aus HipHop, Dubstep, Grime und Drum'n'Bass nicht immer und ständig komplett auf Krawall gebürstet. Irgendwann explodiert der Druckkochtopf, wenn man ihn zu sehr quält.

Urban Art Forms Festival auf FM4

Der Mainact der Nacht machte alles wieder gut - und zwar mit einem ebenfalls simpel gestrickten Plan: Die südafrikanische Rap/Rave-Crew Die Antwoord hat einmal eine sehr, sehr gute Idee gehabt, nämlich sich selbst zu erfinden, da muss in musikalischer Hinsicht nicht mehr viel passieren. Yolandi und Ninja kamen in Kuscheltierstrampelanzügen, mit DJ und zwei Tänzerinnen. Die Kostüme wurden gewechselt, im Bühnenhintergrund zeigte ein Video Teletubby-verwandte Cartoonfiguren mit Penis, aus dem vorne etwas rauskommt.

Helium-Mickey-Mouse-Stimmchen und durch Überaffirmation um die Ecke gedachte Rap-Vulgaritäten. Die Antwoord sind eine elastische Skulptur und mehr Performance als Musik-Performance. Die Musik spielte vornehmlich auf der Klaviatur von kaugummifarbenem Eurodance und knallendem Emotions-Trance, dem man sich jetzt auch mal wieder hingeben durfte. Die Ironie beißt sich mittlerweile in den Schwanz, ist schon die Status-Quo-Wahrnehmungs-Form des Weltgeschehens, viele, viele Menschen waren glücklich. Fehlte nur eine Coverversion eines Stücks der Venga Boys.