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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 6. 2015 - 12:33

The daily Blumenau. Extra Edition, 18-06-15.

Heldin für einen Tag: Anna Fenninger gibt klein bei. Was die angedeutete Mini-Rebellion trotzdem bewirken wird.

#sportpolitik #machtpolitik #frauenpolitik

Die Inszenierung heute um halb elf im Wiener Ringstraßen-Hotel war so, wie sie der Präsident sich gewünscht hatte: er (und nur er allein) gibt bekannt, dass er die verlorene Tochter wieder heimgeholt hat; zu seinen Bedingungen, mit Verständnis für die Verfehlerin. Auch über die Zeit, die Termine der Skiläuferin verfügt er ab sofort wieder: der Präsident und nur er allein gibt bekannt, wann sich die reumütige wieder melden wird.

Anna Fenninger ist also eingeknickt, nach einer kurzen Zeit des schwelenden Ungehorsams und letztlich nur wenigen Stunden der offenen Rebellion. Das ihr bevorstehende Solo-Artistinnen-Programm im Skizirkus und das vielleicht ebenso anstrengende Programm der Vereinnahmung durch die Kämpferinnen gegen Ungleichbehandlung waren mäßig verlockende Zukunftsaussichten - für allem für eine Sportlerin, deren Fokus zu 100% auf Leistungsfähigkeit und Konzentration liegen sollte.

So führte dann also ein Vermittlungsgespräch am gestrigen Nachmittag zu einer Einigung, bei der beide Seiten trachteten Gesichtsverlust zu vermeiden. Die über den ÖSV-Medienpartner Kronen-Zeitung ausgegebene Devise, dass der (deutsche) Manager Fenningers als Sündenbock herhalten muss, gehört da dazu. Schröcksnadel sieht sich durch den Kniefall bestätigt, Fenninger nimmt die Annehmlichkeiten des heimatlichen Stalls wieder an.

Hinter diesen Offensichtlichkeiten steckt aber mehr. Ein Tag Heldentum hat schon gereicht, um bislang zugekleisterte Brüche sichtbar zu machen, um Themen zu setzen.

So war es nur ein - fast versehentlicher - Nebensatz Schröcksnadels der klarmachte, dass einer der Gründe für Fenningers Verärgerung (die Nicht-Gleichbehandlung der ÖSV-Frauen mit den Männern) beseitigt wurde: die Anna, sagte der Peter (70% der fragenden Journalisten begannen ihre Fragen bei Q&A mit den Worten "Du, Peter...") würde jetzt dieselben Möglichkeiten wie Marcel Hirscher erhalten (was Spartentrainer, Vermarktung etc betrifft). Übrigens weiter mit dem deutschen Manager, dessen Kopf Schröcksnadel nicht forderte, den er nur "nimmer sehen" will. Was übrigens keine Änderung des Zustands des letzten Jahren ist.

Dann nahm sich Schröcksnadel, der zuvor minutenlang über eine kurzzeitige halbseitige Lähmung erzählte, die ihn wegen des Ärgers gestern befallen hätte und so sein fortgeschrittenes Alter thematisierte, des Vorwurfs einer aktiven Frauenfeindlichkeit an; auf die herrenwitzige Art, wie es in Männerbünden üblich ist. Hinter diesem dröhnenden aus dem 19. Jahrhundert herüberwehenden Paternalismus (es bewerben sich keine weiblichen Trainerinnen beim ÖSV, was solle man also machen...) war der zaghafte Versuch das durch die neuen Zeiten Unabwendbare doch irgendwie zu akzeptieren, spürbar. In jedem Fall lassen Schröcksnadels patscherte Versprechen, das Coaching des Frauenteams den speziellen Bedürfnissen anzupassen (man habe ja schon, so der ÖSV-Chef, Athletinnen wegen unsachgemäßer Betreuung "verloren"), nun regelmäßige Nachfragen, wie es denn mit Weiterentwicklungen stünde, zu. Und weil der ÖSV noch einen schweren Angriff aus dieser Ecke nicht ohne Schrammen überstehen würde, sind Veränderungen unabdingbar.

In anderen Bereichen wird der ÖSV der ÖSV bleiben. Das lässt sich schon anhand der gestern Abend aufgetauchten Geschichte über die Protokolle einer Besprechung der beiden Lager am 10. Juni ersehen. Schröcksnadel ließ ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner erklären, dass es sich dabei nicht um Manipulationen, sondern hin und hergeschickte Versionen eines gemeinsamen Protokolls handeln würde und die Vorwürfe damit obsolet wären.
Hier spekuliert der ÖSV mit der Dummheit der Menschen. Es ist nämlich völlig egal, was wirklich besprochen wurde - wenn in hin/hergesandten Protokollen von den umstrittenene Mercedes-Inseraten die Rede war, kann der ÖSV nicht eine Woche später bei deren Erscheinen so tun, als wäre er überrascht. Und genau das, die "Wir wussten es nicht uns sind so enttäuscht!"-Arie erklang ja am Montag. Die Grenze zwischen Lüge (die der ÖSV in Abrede stellt) und Verlogenheit sind scheinbar fließend.

Bezeichnend auch wie der Verband seine Sportler medial einsetzt: für eine "die Anna liegt falsch"-Geschichte im ORF-Sport rückte das Almdudler-Pärchen Schild/Raich mit der exakt gleichen Zahlenargumentation an, mit der ihr Präsident heute seine PK begann - dass er den ÖSV mit einem 40 Millionen Schilling-Budget übernommen und jetzt zu 40 Millionen Euro Höhe gepusht hätte. Andere Zahlen wollte man trotz Anfrage nicht kommentieren. Fenningers Aufschrei wird die Aufklärung - was etwa die unveröffentlichte Bilanz der Schladminger WM betrifft - nicht befördern, der Blick auf den Verband wird aber, was Misstrauen und Sympathiepunkte betrifft, ein anderer sein.

Natürlich hat Fenningers Rückzieher das von Schröcksnadel und Co insinuierte Bild der schwachen und unselbstständigen Frauen im österreichischen Sport gefestigt. Es wird an Fenningers Festigkeit liegen, ob sie auch den spröden systeminternen Widerstand an den Tage legen kann, den Marcel Hirscher in all seinem Tun ausstrahlt. Symbolpolitisch ist das der Schlüssel zur Gleichbehandlung weiblicher Sportlerinnen. Diese Mühen der Ebene liegen vor der Weltcupsiegerin, da ist langfristiges Heldentum gefragt.

PS: hier noch das Frauenbild Schröcksnadels in seinen eigenen Worten...

"Eine Frau spricht anders": Aufregung um das Frauenbild des ÖSV-Chefs Peter Schröcksnadel gibt es nach der heutigen Pressekonferenz, bei der die Versöhnung mit Anna Fenninger bekanntgegeben wurde.

Posted by Zeit im Bild on Donnerstag, 18. Juni 2015