Erstellt am: 16. 6. 2015 - 17:02 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 16-06-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Es kommt nicht so oft vor, deshalb ist die gebührende Erwähnung auch etwas wert: Adi Hütter hat mit einem konsequenten und mutigen Akt nicht nur den bequemen Weg verlassen, sondern auch den Finger in eine vor der Öffentlichkeit noch schamhaft verhüllte Wunde gelegt und so publik gemacht.
Denn jetzt, nach der "einvernehmlichen" Vertragsauflösung zwischen Double-Coach und Red Bull-Geschäftsführung muss man in Salzburg (Flucht nach vorne als einziges Erklärungsmodell) die Karten weiter auf den Tisch legen als eigentlich geplant war.
Und das ist Hütters Verdienst.
Nicht, dass es sein Ziel war.
Der Coach wollte nicht noch eine Saison als Ausbildungstrainer, mit dem Abgang der wichtigsten Spieler und dem Zwangsneuaufbau von unten leben, sondern einmal Kontinuität leben - und damit (ein Hintergedanke, der so weit im Bild steht, dass er eigentlich Vordergedanke genannt werden sollte) endlich einmal die Champions League erreichen. An der war Red Bull mit Salzburg ja bislang immer deshalb gescheitert, weil man direkt vor der Quali alle Parameter änderte, alle Entwicklungsschritte einebnete und zu viele Zähler auf Null stellte. Derlei mag in der Red Bull-Marketing-Wirklichkeit funktionieren (I doubt it, bin aber Laie) - im Fußball ist das tödlich.
Jetzt, als die Konzernführung und der Masterplaner Ralf Rangnick derlei wieder exekutierten, widersprach Hütter. Die Tatsache, dass er argumentativ auf verlorenem Posten blieb (und deshalb die Konsequenzen zog, was wiederum die Debatte, die sonst intern und verhuscht geführt worden wäre, nach außen verlagert), erzählt auch vom Paradigmen-Wandel im Anspruchsdenken der Red Bull-Chefitäten. Es geht nicht mehr um den Traum, einmal in der Champions League zu spielen - das kann sich Dietrich Mateschitz mittlerweile, dank zahlloser wunderbarer Europa League-Erfahrungen so gut vorstellen, dass er es für verzichtbar erachtet, sondern um die Etablierung eines starken Players in der deutschen Bundesliga. Nach Hoffenheimer, nein, nach Wolfsburger Vorbild.
Dem ist nunmehr alles unterzuordnen.
Leipzig bis ganz nach oben zu bringen, das war immer schon der Plan. Salzburg dafür sportlich zu opfern, zum reinen Zubringerdienst, zum Farmteam zu degradieren, zu einem Liefering umzubauen, steht auch schon seit einiger Zeit weit oben auf der RB-Agenda, man eierte aber herum, wegen der Außenwirkung, vielleicht sogar (und das wäre immerhin ein Fortschritt, was die in diesem Bereich sonst instinktlose Denke betrifft) um das eben erzielte Double nicht zu gefährden.
Die Demontage sollte schleichend voranschreiten. Nach den Winterverkäufen von Mane, Kampl und Alan sowie dem Bekanntwerden des Abgangs von Ramalho, nach der Entscheidung dass Rangnick, der Chef aller Bullen-Clubs, selber den Leipziger Coach machen würde, wurde nun auch Keeper Gulacsi und Teamspieler Ilsanker nach Leipzig geholt. Sabitzer und Bruno (aber auch Quaschner, Bredlow, Prevjlak oder Reyna) gehören ohnedies den Deutschen, andere wie Keita, Lazaro, Laimer oder Hinteregger sind durchaus noch im Visier.
Damit wollte Coach Hütter nicht umgehen wollen.
Und seine Entscheidung brachte die neuen Salzburger Erfüllungsgehilfen Jochen Sauer, General Manager (vormals Wolfsburg) und der Sportliche Leiter Christoph Freund (vormals nirgendwo) dazu, die Lage offen anzusprechen. Freund versuchte mit dem Satz: "Es werden immer neue Spieler eingebaut und entwickelt: Dauerhaft Aufbau- und Ausbildungsarbeit zu leisten erfordert ein hohes Maß an Identifikation mit dieser Aufgabe" Hütter noch den schwarzen Peter umzuhängen, so nach dem Motto "der drückt sich vor dieser Aufgabe".
Dass man damit aber die neue Wasserträger-Identität zugab, fiel den Verantwortlichen womöglich erst nach der recht schnell zu treffenden Begründung für die Trennung auf.
Salzburg wird nun nicht mit ein paar Nackerbatzeln in die Saison gehen: bis auf die Problemzone Innenverteidigung (neben dem großen Buben Hinteregger nur Kinder) ist man in allen Bereichen durchaus konkurrenzfähig, mit Cican Stankovic und Stefan Lainer kommen künftige Teamspieler zurück, Walke, Schwegler und Ulmer, Leitgeb und Soriano werden dem jungen Team schon Sicherheit geben. Mit dem aktuell zur Verfügung stehendem Kader kann man Meister werden: erstmals in der Red Bull-Ära wäre man (kader- und budgettechnisch) aber nicht so klar überlegen wie sonst. Pflicht wäre die Titelverteidigung nicht mehr.
Jetzt wird die Wahl des nächsten Trainers die Zukunft definieren - und weil die Führung bei diesen Entscheidungen gefühlt (und auch in echt) schon x-mal daneben gegriffen hat, steht Schlimmes zu befürchten.
Konsequent wäre jetzt nämlich nur die Beförderung von Peter Zeidler, (deutscher) Erfolgs-Coach des FC Liefering, dem schlankerlmäßig in die Erste Liga hineingeschummelten Farmteam von Red Bull, das seine Liga wohl gewonnen hätte, wenn man sie voll durchziehen hätte lassen. Denn der erfüllt genau das, was Sauer/Freund öffentlich verlangen: er zieht ununterbrochen, sogar im Halbjahrestakt, Talente aus der Akademie hoch, mischt sie mit jungen Akteuren aus beendeten Leihen, im Ausland gescouteten Neulingen und erzielt mit taktischer Finesse, ausbildnerischer Klasse und wegen der frechen Freshness seiner Akteure ein optimales Resultat.
Genau das wird, nur ein dezentes Level darüber, nun vom künftigen RBS-Trainer verlangt. Sofern die Sauer-Freund-Ansagen mehr als nur Sand ins Auge streuende Sonntagsreden sind. Holen die Verantwortlichen nämlich einen klassisch-renommierten Coach, werden sie nicht umhin können, ihm ein paar Einstiegszuckerlwünsche zu erfüllen und müssten so ihre ausgegebene Devise erst recht wieder aufweichen; fahren wie gehabt mit dem schnöden Kompromiss. Weil das aber so konsequent inkonsequent ist wie das allermeiste, was bislang in der Red Bull-Zeit in Salzburg passierte, ist es die wahrscheinlichste aller Lösungen; zynisch gesagt.
Da aber am 25. Juni die ersten Leistungstests für die neue Saison beginnen, wäre die Installierung eines Insiders und Strukturenkenners (neun Tage sind nicht viel Zeit) ein Zeichen dafür, dass die Vereinsspitze ihre Sinne halbwegs justiert hat. Mit dieser Entscheidung würde die (beschlossene, anstehende und konzernintern für nötig befundene) Lieferingisierung von Red Bull Salzburg nämlich auch symbolpolitisch sichtbar gemacht werden.