Erstellt am: 16. 6. 2015 - 13:02 Uhr
Harry Rowohlt ist tot
Harry Rowohlt ist der vielleicht zitabelste Deutsche aller Zeiten. Jeder Satz aus seinem Mund ist hörens- und verbreitenswert.
Wenn man als junger Mensch aussah wie ein Hippie und sich einigermaßen treu geblieben ist, sieht man als alter Sack aus wie ein Penner - und nicht wie Joschka Fischer.
Harry Rowohlt war ein literarisches Universalgenie, zuallererst Übersetzer, dessen Übertragungen manchen mehr bedeuten als das Original. Er hat Ernest Hemingway, James Joyce und Flann O’Brien übersetzt und Autoren wie David Sedaris - dessen Stil er gar nicht mochte - im deutschsprachigen Raum erst bekannt gemacht.
APA/dpa/Sven Hoppe
Rowohlt hat auch Kinderbücher übersetzt. "Pu der Bär" etwa, und auch das gleichnamige von ihm gesprochene Hörbuch, hat im Jahr 2000 mit 250.000 verkauften Exemplaren in Deutschland Goldstatus erreicht. Überhaupt war er ein begnadeter Vorleser, seine Lesungen "Schausaufen mit Betonung" musste er nach der Diagnose der Nervenkrankheit Polyneuropathie in "Betonung ohne Schausaufen" umbenennen - musste er doch zumindest für einige Jahre gänzlich auf Alkohol verzichten.
Es gibt ja die irische Faustregel: Betrunken ist man, wenn man nicht mehr ohne fremde Hilfe auf dem Rücken liegen kann. Und das scheint mir offenbar das eine oder andere Mal gelungen zu sein.
Die 49 Prozent am Rowohlt-Verlag, gegründet von seinem Vater Ernst Rowohlt, hat er bereits Anfang der 1980er Jahre verkauft. Er würde ja doch nur wie sein Vater damit pleitegehen. Außerdem finde ich, dass nur Minderbegabte und schwer Vermittelbare den väterlichen Laden übernehmen müssen.
Rowohlt war selbst Autor und auch Schauspieler: Durch die Rolle des Obdachlosen Harry Rennep - rückwärts gelesen "Penner" - in der deutschen Seifenoper "Lindenstraße" war er auch den vielleicht literaturfernen Couch-Potatoes bekannt. Bis zuletzt spielte er in der "Lindenstraße" mit und übersetzte auch noch das eben erschienene Kinderbuch "Mr Gum und der schauerliche Hund von Bad Lamonisch".
Wie ich immer sage, ich werde allmählich zu alt für einen Ruhestand.
Harry Rowohlt ist am 15. Juni 2015 in Hamburg gestorben. Er wurde 70 Jahre alt.