Erstellt am: 9. 9. 2015 - 17:02 Uhr
Frank Sinatras Haar brennt
Ein Sneakerhead avant la lettre ruft an jenem einem Nachmittag in den Achtzigern zum Boykott des One-dollar-a-slice-Pizza-Restaurants von Al auf. Er will Jordan, MLK und Madiba an der Wand haben. Anstelle der schmalzlockigen Porträts italienischer Emigranten.
Denn hier sorgen eben keine Italo-Amerikaner für Umsatz. Also soll Frank Sinatra weg.
Es ist der heißeste Tag des Sommers. Die italienischen Pizzabetreiber prügeln gegen die aufgebrachte, schwarze Kundschaft. Das ist der Ausgangspunkt von Spike Lees Film aus dem Jahr 1989.
Auftritt: Polizei. Streitschlichtung - der Aggressor mit dem Ghettoblaster, Radio Raheem, wird von einem Polizisten per Schlagstock zu Tode gewürgt. Jetzt bricht ein Riot los. Die Pizzeria: demoliert, angezündet.
Frank Sinatras Haar auf dem Porträt an der Wand: brennt.
Dass Radio Raheem im Film "Do the right thing" im Würgegriff erdrosselt wird, ist mittlerweile mehr als 25 Jahre her. 1989, das ist ein Vierteljahrhundert vor Eric Garners Tod (ein schwarzer Junge, der im Juli 2014 auf Staten Island beim gewaltsamen Anlegen von Handschellen getötet wird).
Ausgedacht und gedreht wurde die Story 1989 von Spike Lee - heraus kam sein wohl größter Spielfim "Do the right thing". Trotz vieler Fürsprecher wird der Film nicht für den Best Picture Award desselben Jahres nominiert. Diesen gewinnt die Romanze "Driving Miss Daisy". Die Oscars sind schon immer etwas von und für alte, weiße Männer.
Fight the Power
Nein, "Do the Right Thing" ist beileibe kein einfacher Film. Aber eben auch einer ohne nervig-einbläuenden Didaktikversuch. "Do the right thing" erhebt keine Deutungshoheit, ist fair und am Ende gibt’s keinen realitätsfernen "Band-Aid-We-are-the-World-Scheiß".
Die Kampfansage: Jeder Bürger, jede Bevölkerungsgruppe in New York hat seine ganz eigenen Leichen im Gowanus Canal. Aber keiner ist schlechter als die Po-Po, die One-Times, die Kieberer und Cops in dieser Stadt, mit dem Schild in jedem Bus: "Assaulting an MTA employee is a felony punishable by up to seven years in prison".
Explore with caution
...das steht im Airbnb-Artikel über "Bedford-Stuyvesant, Brooklyn", der Name für die Neighborhood Bed-Stuy heute. Das heißt, aufpassen! Für die Highwaist-Jeans tragenden weißen Girls, die von der Nacht und dem G-Train aus Williamsburg kommen und verängstigt nachhause sprinten.
Martin Brokko
Heute ist an der Stelle von Al’s Pizzeria ein Parkplatz, die Straße wurde - forreal - "Do The Right Thing Way" getauft. Mittlerweile kostet ein für die Neighborhood charakteristischer Brownstone - wie die eleganten Stadthäuser hier heißen - über eine Million Dollar und Gentrifizierung gilt als das omnipräsente No-Go-Thema bei ersten Tinder-Dates, in der Arbeit und überhaupt in dieser Stadt, in der einem nur Ratten die U-Bahn-Tür aufhalten.
Und es stimmt natürlich auch. Die Maklerbüros, die zuverlässig in der Nähe des 3-Dollar-a-Cappucino-Cafés lurchen, sind nicht so sympathisch. Aber es ist auch 2015. Der offizielle Spruch der Neighborhood poltert nicht mehr "Do or die". Er trotzt: "Bed-Stuy, and Proud of It".
Martin Brokko
Häuser brennen in Bed-Stuy keine mehr. Lewis Ave., Ecke Halsey. Hier gibt es neben Essen Merchandise: Turnbeutel, Fischermützen. Hier ist Saraghina. Saraghina ist das wohl am besten laufende Lokal in ganz Bed-Stuy.
Hier sorgen vornehmlich weiße, Zugezogene für Umsatz. Hier gibt es keine Hall of Fame, wie bei Al in den Achtzigern. Hier gibt es - teurer zwar - Pizza wie bei Al in den Achtzigern.
Saraghina ist - ja wirklich! - auch eine Pizzeria.