Erstellt am: 17. 6. 2015 - 11:57 Uhr
Auf dem Weg ins Abenteuer
Maschinen-Mensch
Über 100 Tage schleppt sich meine Expedition schon durch dichten Dschungel. Die Vorräte sind längst zur Neige gegangen, irgendwo hinter mir schleicht ein Tiger herum und der Kompass, der den Weg zu meinem Ziel anzeigen soll, dreht sich nutzlos im Kreis. Letzte Nacht musste ich sogar meinen treuen Packesel schlachten, und in die Dörfer der Eingeborenen traue ich mich nicht mehr, seit ich diese goldene Statue aus einem überwachsenen Tempel mitgenommen habe. Irgendwo da draußen, mitten in der Wildnis, die nie zuvor ein Europäer betreten hat, muss sie aber sein: die goldene Pyramide, wegen der ich von London hierher ins Herz der Finsternis aufgebrochen bin.
Eine Umkehr ist nicht möglich: Entweder ich finde diesen sagenumwobenen Ort - oder dieser Dschungel wird mein Grab. Wer sich in "The Curious Expedition" auf den Weg ins Abenteuer macht, begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse.
Das Zeitalter der Entdecker
Ende des 19. Jahrhunderts gibt es noch einige weiße Flecken auf der Weltkarte, und es ist die Aufgabe der Spielerinnen und Spieler, diese aufzudecken. Unser Alter Ego können wir aus einer ganzen Reihe von berühmten Abenteurern und Wissenschaftern auswählen: Ob wir zum Beispiel als Nikola Tesla, Marie Curie, Aleister Crowley oder Charles Darwin aufbrechen, hat Einfluss auf unsere Ausrüstung und wie wir mit den Herausforderungen auf der Expedition umgehen.
Und diese Herausforderungen ändern sich, denn per Zufall wird jedes Mal eine neue Karte generiert, auf der wir rundenweise unterwegs sind. Auf der Suche zu unserem Ziel besuchen wir Eingeborenendörfer, treffen Missionare und Schamanen, überqueren Berge und Sümpfe und finden vielleicht sogar sagenumwobene Orte und Fabelwesen. Kommt es - selten, aber doch - zum Kampf, sind Würfelglück und Strategie gefragt. Viel essentieller fürs Überleben ist allerdings die kluge Verwaltung der Ressourcen: Nur wer auf Proviant und die geistige Gesundheit der Expeditionsteilnehmer achtet, hat eine Chance, wieder nach Hause zurückzukehren. Dort spenden wir die gefundenen Artefakte entweder für Prestige ans Museum oder verkaufen sie, um uns Ausrüstung für das nächste Abenteuer leisten zu können.
Maschinen-Mensch
Weißer Mann, was nun?
"The Curious Expedition" sieht simpel aus, schafft aber etwas Außergewöhnliches: Durch seine endlose Wiederspielbarkeit und seinen Abwechslungsreichtum hat man als Spielerin oder Spieler wirklich jedes Mal das Gefühl, sich auf eine echte Expedition zu begeben, auf der vieles genau bedacht sein muss: Welche Ausrüstung kann ich mitnehmen? Lohnt sich der Umweg durch das gefährliche Sumpfgebiet mit den wilden Tieren? Setze ich mein gutes Verhältnis zu den Eingeborenen aufs Spiel, indem ich den dringend benötigten Proviant von ihrem Kultort mitgehen lasse?
Wie die anderen modernen Rogue-likes, die per Zufallsgenerator immer neue Herausforderungen schaffen, lebt auch dieser Expeditionssimulator davon, dass er jedes Mal aufs Neue einzigartige Geschichten produziert, die nur uns selbst widerfahren - von Naturkatastrophen über wahnsinnig werdende Expeditionsteilnehmer bis hin zu Begegnungen mit Göttern und Dinosauriern.
Maschinen-Mensch
“The Curious Expedition” ist für Windows und Mac als Early-Access-Spiel erschienen; die finale Version ist für Sommer angekündigt.
Besonders sympathisch macht das Spiel, das übrigens von ehemaligen Mitarbeitern des deutschen Studios Yager ("SpecOps: The Line") geschaffen wurde und trotz Early Access schon jetzt, wenige Wochen vor Release, vollständig spielbar ist, sein behutsamer Umgang mit dem Thema Kolonialismus: Hier sind wir nicht als überlegener "weißer Held" im Konflikt mit gesichtslosen "Wilden" auf heroischer Entdeckerfahrt, sondern müssen uns den jeweiligen Einwohnern respektvoll nähern - wer wie die Axt im Walde Schreine plündert und Dörfer beraubt, wird nicht lange überleben.
In Verbindung mit seinem Charme und der im Rogue-like-Genre altbekannten Suchtspirale zwischen Permadeath und Herausforderung macht das "The Curious Expedition" zum gelungenen Geheimtipp für Entdeckernaturen.